Chris Isaak


Die Schmalztolle von Elvis, die Schnoddrigkeit von James Dean - ginge es nach optischen Kriterien, wäre Chris Isaak längst ein Star. Doch trotz aller Starvorteile kommt die Karriere des Kritikerlieblings nicht so recht in Fahrt. ME/ Sounds-Mitarbeiter Peter Jebsen fragte ihn nach den Gründen.

Ein Sommertag in Los Angeles, wolkenlos und warm. Während im Magic Hotel in den Hollywood Hills die Klimaanlagen auf Volldampf laufen, hat sich Isaak in sein Zimmer eine portable Heizung hineinrollen lassen. „Wenn ich die Temperatur nicht konstant halte, verstimmen sich meine Gitarrensaiten“, sagt er mit Schweißperlen auf der Stirn. Isaak ist von San Francisco nach L.A. geflogen, um dort das erste Video zu seiner dritten LP HEART SHAPED WORLD zu produzieren. Diesmal soll es endlich mit dem Durchbruch klappen, denn allein geballtes Kritikerlob und ein Nummer-eins-Hit in Frankreich („Blue Hotel“) bedeuten in den USA nicht viel. Das hat Isaak selbst auf subtile Weise mitbekommen: „Wenn ich mein Label besuche, lassen sie mich immer noch nicht auf dem Firmenparkplatz parken. Ich glaube, damit wollen sie mir was sagen…“ Trotzdem ist Chris Isaak mit seiner bisherigen Karriere zufrieden. „Ich muß keine schweren Sachen schleppen, keiner brüllt mir Befehle zu, und ich kann meistens bis 12 Uhr mittags schlafen“, freut er sich und sagt, daß seine Plattenfirma ihm auch diesmal freie Hand bei der Produktion ließ.

„Es wäre ja auch noch schöner, wenn die mir sagen würden, was ich aufnehmen soll – wenn sie meine Musik nicht mögen, müssen sie mich feuern.“

Und so findet sich auf HEART SHAPED WORLD mehr von dem, was Isaak bei seiner eingeschworenen Fangemeinde so beliebt macht. Eine verhaltene Mischung aus Country, Rockabilly und Surf-Sounds, gepaart mit des Meisters melancholischer Moll-Lyrik, und auf dem Cover noch ein paar Schwarzweiß-Posen im 50er-Jahre-Stil – return of the lonesome cowboy. Ein Image, das Isaak ein wenig zu poetisch erscheint:

„Ich selbst erlebe mich jeden Tag dabei, wie ich an unpoetischen Orten ziemlich unpoetische Dinge tue; wenn ich den Müll raustrage oder mich wie ein totales Arschloch aufführe. Und ich glaube auch nicht, daß überhaupt irgendjemand von sich selbst ein solches Image hat. Ich zum Beispiel halte James Dean für cool – aber ich kann bloß hoffen, daß er das nicht von sich selbst dachte.“

Auch für die schwermütige Stimmung, die seine Musik vermittelt („depressiv, aber mit Hoffnung!“), bietet er eine simple Erklärung: „Als Sänger mag ich eben Songs, die meine Stimme besonders gut zur Geltung bringen. Und das sind langsame, romantische Balladen.“

In den USA wurde dem 33jährigen „Nachwuchs“-Rocker das Prädikat „affable, but goofy“ verliehen – liebenswert, aber auch ein bißchen bescheuert. In einem Land, in dem Sich-Einfügen für viele eine elementare Bürgertugend ist, beschreibt man so einen Exzentriker. Was Chris Isaak zweifelsohne ist – und ein stolzer dazu.

Eines Tages stieß er auf Elvis Presleys klassische SUN SESSIONS. „So was kann ich auch“, dachte er sich und gründete wenig später in San Francisco seine Rockabilly-Band Silvertone.

Heute gehen ihm Vergleiche mit dem King auf den Geist („Ich selbst würde es nie wagen, mich mit Elvis oder Roy Orbison in eine Reihe zu stellen!“), und genauso fühlt sich der Rockabilly-Romeo auch bei seinen gelegentlichen Ausflügen in die Filmwelt falsch eingeschätzt In Jonathan Demmes „Married To The Mob“ spielt er einen Killer und auch sonst erhält er nur Angebote für Verbrechertypen: Kindesmißhandler, Frauenmörder, Drogen-Dealer. „Ich weiß auch nicht, warum die Leute mich für so einen miesen Typen halten!“

Bei seiner für September angesagten Club-Tour durch deutsche Lande kann man sich davon selbst ein Bild machen. Chris Isaak, der unter anderem auf Kölsch und Blutwurst steht, freut sich darauf – mit einer Einschränkung: „Die Deutschen rauchen so verdammt viel! Daß überhaupt noch welche übrig sind; ich dachte, sie hätten sich zu Tode geraucht. Bei einem unserer Clubauftritte war ich mir nicht sicher, ob das Publikum merkte, daß ich auf der Bühne war – so rauchig war es! Und dann trinken sie noch dazu, als ob Bier Wasser wäre…“