Dancefloor Shiva


Ich werde immer wieder gefragt: Warum Indien? Für mich ist das Land wie ein Märchen, eine Reise 100 Jahre zurück, in eine vergangene Zeit. Es bedeutet für mich einen krassen Gegenpol zu meinem sonstigen Leben: einfach Ruhe und Zeit zur Selbstfindung. Ich habe mich intensiv mit dem Buddhismus auseinandergesetzt; wichtiger ist für mich aber die Atmosphäre, die das Land ausstrahlt. Dazu gehören natürlich Klänge. Töne, die fremd sind für unsere Ohren, aber einen unheimlichen Zauber versprühen. Das ist, als ob du abtauchst in ein Meer voller neuer Sounds — eine Stimmung, die ich auch auf „An Accident In Paradise“ versucht habe einzufangen.

Indien übte für mich schon immer einen unglaublichen Reiz aus — kulturell wie landschaftlich. Von subtropischem Klima über Wüste bis zum Himalaya findest du hier alles in einem Land. Hier existieren allein 16 Nationalsprachen — untereinander verständigen sich aber eigentlich alle Leute auf Englisch.

Die Leute waren unglaublich nett. Ich habe nie erlebt, daß — wenn ich mit meinem DAT-Recorder durch die Gassen lief — jemand gesagt hätte: Mach das aus, gib das her, ich will das nicht. In Goa habe ich zum Beispiel einen Schlangenbeschwörer aufgenommen, den ich für „Ritual Of Life“ verwendet habe. Das war für den ein Riesenerlebnis, sich selbst einmal über Kopfhörer zu hören. Ich habe aber immer versucht, solche Dinge dezent, sozusagen aus dem Hintergrund, mitzuschneiden. Wenn du merkst, da vorne passiert gerade was. kannst du nicht hingehen und jemandem ein Mikro unter die Nase halten.

Was die Geräusche angeht, hatte ich natürlich eine bestimmte Erwartungshaltung. Ich habe Naturgeräusche gesucht: Gezwitscher im Dschungel, erdige Töne, Instrumente wie Sitar oder Flöten, die du wirklich immer und überall hörst. Die interessantesten Sounds entstanden aber spontan, zufällig. In Mabsa habe ich Kinder aufgenommen, die gerade aus der Schule kamen. Das hört man jetzt in „Merry-Go-Round Somewhere“.

Ein schönes Erlebnis war die Überquerung des Flusses Mondovi. Ich wollte das Geräusch der Fähre aufnehmen: Ein sanftes, ruhiges Blubbern, das jetzt als Soundteppich unter „El Esperanza“ liegt. Irgendwie waren auch drei Busse mit Musikern an Bord. Und als die merkten, daß ich ein Mikrofon dabei hatte, fingen sie an zu spielen und hörten nicht mehr auf. Es war wunderschön — aber sie konnten nicht verstehen, daß mich nur das Blubbern der Fähre interessierte.

Auf Goa traf ich David, einen australischen Weltenbummler, der jeden Winter nach Indien fährt. Er spielt Didjeridoo, ein Instrument der Aborigines. Es ist ein langer Holzstock, auf dem man durch Blasen einen eigenartigen, intensiven Ton erzeugt. Ich habe das Band laufen lassen und es in „Ritual Of Life“ verwendet — eine ganz sanfte, wehende Stimmung.

Übrigens darf man sich Goa nicht als Techno-Touristen-Paradies vorstellen. Goa ist nicht Ibiza, sondern einfach ein Ort mit einer unglaublich relaxten Stimmung, an den seit 20 Jahren immer wieder Hippies kommen. Ich habe dort etwa A ex Patterson (The Orb) getroffen, der sich von Goa inspirieren läßt. Auch die Beach Parties haben keinerlei kommerziellen Aspekt. Die Leutchen legen zusammen, um sich eine Anlage zu mieten, und dann geht’s ab. Ohne Plattenspieler — nur mit Tapedecks.

Im Januar hau ich wieder ab. diesmal für zwei Monate. Die Reiseroute steht schon fest: von Tibet nach Nepal, im Himalaya versuche ich die Erlaubnis zu kriegen, ins Königreich Bhutan einzureisen. Von dort geht es nach Jaipur, der Hauptstadt der Provinz Radjastan, nach Bombay. Goa — und dann nach Sri Lanka. Du mußt von Norden nach Süden reisen — denn dort unten ist es so relaxt, daß du nicht wieder weg willst.

Ich habe den Trip diesmal richtig geplant und werde auch etwas Neues ausprobieren: Film. Dancefloor ist schließlich nicht mein ganzes Leben.