Das erste Dutch Rock Meeting


Nie zuvor traten in Deutschland soviele holländische Top-Bands gleichzeitig auf einer Veranstaltung auf wie beim ersten Dutch Rock Meeting, das neulich in der Essener Gruga Halle über die Bühne ging. Leider Hess die Besucherzahl sehr zu wünschen übrig, denn die knapp 2000 erschienenen Dutch Rock-Fans waren eigentlich bei weitem überfordert, wollten sie in der riesigen Halle für eine halbwegs festival-ähnliche Stimmung sorgen. Erklären konnte man sich die geringe Beteiligung eigentlich nicht, wenn der Veranstalter Norbert Mückl auch meinte, dass das Yes-Konzert in Dortmund wenige Tage vorher vermutlich wohl für den geringen Kartenvorverkauf verantwortlich gewesen sein müsste. Es ist aber wohl auch anzunehmen, dass momentan eine gewisse Festival-Müdigkeit eingetreten ist, die sich Ostern schon auf dem German Rock Festival in Hamburg bemerkbar gemacht hatte.

„Trotzdem, wer in Essen nicht dabei war, musste sich ein paar gepfefferte Rock-Leckerbissen aus dem Land der Tulpen und Windmühlen entgehen lassen. Eröffnet wurde das Meeting nachmittags um drei mit dem Auftritt der Jazz-Rock-Formation ‚Supersister‘. Eigentlich ist diese Gruppe wohl mehr ein Fall für Experten. Wenig verwunderlich deshalb, dass sie es auf diesem Festival nicht gerade leicht hatte. Da ging es ‚Kayak‘, Hollands Neuentdeckung des letzten Jahres, schon wesentlich besser. Ihr leicht schwebender heavy-Rock wurde vom Publikum mit herzlichem Applaus aufgenommen. Natürlich waren einige der auftretenden Bands hierzulande noch so gut wie gar nicht bekannt, aber der Sinn dieses Festivals lag ja gerade darin, dem abzuhelfen. Umso erstaunlicher, dass ‚Crypto‘, eine überraschend lockere Nachwuchs-Gruppe, ohne Mühe das Publikum auf seine Seite brachte und die erste Zugabe des Tages spielen musste. Um die rein holländische Rock-Riege ein wenig aufzulockern, hatte Veranstalter Mückl das deutsche Gitarren-Duo ‚Charles & Morgan‘ engagiert, das nach Crypto mit seinen elektrischen Blues-Rock-Songs nicht eher von der Bühne gelassen wurde, bis es ebenfalls die Zugabe hinter sich gebracht hatte.

FESTIVAL-SENSATION: EARTH & FIRE

Für die folgende Band waren umfangreiche Vorbereitungen getroffen worden. Im Bühnenhintergrund wurde eine riesige Leinwand angebracht, und als der Lightshow-Typ schliesslich sein Podest in der Mitte der Halle bestieg, war es soweit: Jerney Kaagman, Hollands momentan erfolgreichstes Rock-Mädchen, betrat die Bühne. Um sich herum hatte sie natürlich die übrigen Musiker von ‚Earth & Fire‘ versammelt, die Jerney’s Stimme und die phantastische Lightshow mit einem gekonnten Mellotron-Rock-Sound untermalten.

Schon nach wenigen Songs wurde es allen klar: Earth & Fire war die Festival-Sensation. Obwohl Jerney sich, wenn sie nicht gerade zu singen hatte, meistens neben den Lautsprecher-Boxen beinahe versteckte, schaffte sie es doch mit Leichtigkeit, wenn sie im Scheinwerferlicht stand, von den Lichtspielereien auf der Leinwand abzulenken. Natürlich durfte auch hier die Zugabe nicht ausbleiben. ‚Maybe Tomorrow, Maybe Tonight‘ hiess der Encore-Titel, der in Holland über lange Zeit hinaus ein Riesen-Hit war. Mit dem Erscheinen einer neuen LP gleichen Namens in Deutschland dürfte es nicht mehr allzu lange dauern, bis man Earth & Fire international mit den Dutch Rock-Supergroups Focus und Golden Earring in einem Atemzug erwähnen wird.

LIVIN‘ BLUES + EKSEPTION

Auf dem Rock-Meeting folgte jetzt ein Top-Act dem anderen. ‚Livin‘ Blues‘, nach dem Verschwinden von ‚Cuby & The Blizzards‘ die populärste niederländische Blues-Band, überzeugte nicht nur mit langsamen und melodiösen Blues-Stücken, sondern riss das Publikum vor allem durch losgehende Boogie-Titel mit. Wenn sich während eines Solos die Scheinwerfer auf den Gitarristen Ted Oberg richteten, musste man sich echt fragen, wann dieser Klasse-Musiker wohl endlich auch in England und Amerika ‚entdeckt‘ wird. Für den aufgefrischten Drive bei Livin‘ Blues sorgte übrigens der vor einem Jahr neu zur Gruppe hinzugekommene englische Drummer Kenny Lamb. Nach einer weiteren recht zügig über die Bühne gehenden Umbau-Pause legte ‚Ekseption‘ los. Mit ihrem neuen Organisten Hans Jansen hat sich bei dieser Gruppe auch musikalisch einiges geändert. Man hat ein wenig mehr Abstand von der Klassik gewonnen und noch mehr Jazz-Einflüsse in den typischen Sound dieser Gruppe einströmen lassen.

CHAMPION JACK DUPREE

Als Special-Guest angekündigt war der in England lebende amerikanische Blues-Veteran ‚Champion Jack Dupree‘. Obwohl er, leicht angetrunken, nicht immer die richtigen Tasten auf seinem Piano erwischte, verbreitete er in Sekundenschnelle die typische Blues-Kneipen-Stimmung, wie man sie normalerweise nur in New Orleans oder Chicago antrifft. Und obwohl das allein schon eine prächtige Leistung war, wird wohl keiner der Festival-Besucher den ‚Champion‘ so schnell vergessen, der schon lange sowas wie ein noch lebender Urahn der Rockmusik unseres Jahrhunderts ist. Natürlich sollte ein Holländer dieses erste Dutch Rock Meeting auf deutschem Boden abschliessen. Es war schon weit nach Mitternacht, und viele der Besucher hatten längst ihren Heimweg angetreten, als ‚Rob Hoeke & his Blues-Band‘ die Bühnenbretter betrat. Rob kennt man in Holland vor allem wegen seiner Boogie-Woogie-Versionen von bekannten Songs, die er auf dem Piano spielt. Abschliessendes Fazit des Festivals: Eine originelle Idee, dieses Dutch Rock Meeting, doch leider fehlten diesmal noch aus den bereits erwähnten Gründen die meisten der Fans holländischer Rock-Gruppen, die es ja bekanntlich bei uns gibt.