Der Hintermann


Ein Vierteljahrhundert lang stand Stephen Duffy freiwillig im Abseits. Ändert sich das dank Robbie Williams?

Es war schon eine paradoxe Situation, in der Stephen Duffy steckte – zumindest bis er sich von Robbie Williams als Songschreiber anwerben ließ. Je entschlossener und geduldiger er sich von den Mechanismen der Popindustrie freistrampelte, um ohne Rücksicht auf Modeerscheinungen seinen musikalischen Weg zu gehen, umso mehr festigte sich sein Image. Den Medien galt der in Birmingham aufgewachsene Duffy als Pechvogel der Popgeschichte – weil er einige Gelegenheiten verstreichen hatte lassen, reich und berühmt zu werden. Duran Duran, die Duffy 1978 gegründet hatte, verließ er, bevor die Band was wurde. Auch Madonna gab er einen Korb, als sie ihn in den frühen 8oern als Songschreiber engagieren wollte. Seither verfolgte Duffy seine eigenen Projekte – und wurde schon von einigen Plattenfirmen wegen relativer Erfolglosigkeit fallengelassen.

Im Interview will Duffy von solchen Einordnungen nichts hören: „Meine Güte… immerhin musste ich nie arbeiten gehen. Das Leben ist zu kurz, um beiden deprimierenden Momenten hängenzubleiben.“

Auch passt es nicht zum Klischee vom ewig Scheiternden, dass er schon mit 26, nach einigen Experimenten-1982 hatte er als Stephen „Tin Tin“ Duffy mit dem elektropoppigen „Kiss Me“ einen Hit, das nächste Projekt hieß in Anlehnung an seine neue Lieblingsdroge Dr. Calculus MDMA – seine musikalische Berufung gefunden hatte: Folk wollte er machen; nicht von der schrammeligen, sondern von der poppigen, sehnsuchtsvoll-perlenden Sorte. Duffy gründete mit Bruder Nick die Band The Lilac Time und schrieb viele schöne und einige großartige Songs. Unter kommerziellen Gesichtspunkten war das nicht sehr erfolgreich, ergebene Fans hatte die Band trotzdem – einer davon hieß Robbie Williams. Als dieser Duffy 2003 eine Zusammenarbeit vorschlug- mit seinem vormaligen Songschreiber Guy Chambers hatte Williams sich überworfen -, stimmte sowohl die Chemie zwischen den beiden als auch der Zeitpunkt: Das bisher letzte (und aktuell wiederveröffentlichte) Lilac Time Album KEEP GOlNG war soeben fertig, Duffy hatte Zeit.

Heute, nach einem – wie er sagt – unglaublich produktiven Jahr, schwärmt Duffy von den Synergien ihrer Arbeitsbeziehung: „Wir haben einfach ganz unbelastet Musik gemacht ohne Vorstellung davon, wo es hingehen soll. Es ist, als hätten wir eine Bandgegründet.“ Erverbreitet seinen Enthusiasmus mit einer Mischung aus Understatement „um ehrlich zu sein: Rob ist der Fleißige. Er will dabei einfach nur Gesellschaft haben“ und einem gesunden, vom Außenseitertum gestählten Selbstbewusstsein: „Ich stelle mir vor, dass Elvis Presleys frühe Sun-Studio-Sessions ähnlich abgelaufen sind.“ Auch von seiner Rolle im System des Superstars hat Duffy realistische Vorstellungen: „Indem er mit mir arbeitet, zeigt er, dass er die Entscheidungen fällt. Welche Plattenfirma würde ihm schon ernsthaft Stephen Duffy empfehlen?“

Liegen Duffy und Williams auf einer Wellenlänge, weil beide schmerzliche Erfahrungen mit – in Duffys Fall verpasstem – Ruhm gemacht haben? „Angenehm findet Rob sicherlich, dass es mir nicht ums Berühmtsein geht. Er ist von einer Masse von Leuten umgeben, die durch ihn bekannt werden wollen.“ Ehrenwert, dass Duffy als kreativer Katalysator für einen seiner Meinung nach unterschätzten Künstler wirkt. Doch wieso reizt es ihn, Auftragskünstler zu sein, vom finanziellen Aspekt mal abgesehen? Seine künstlerische Autonomie hat sich Duffy schließlich mühevoll erkämpft, das hat viel Herzblut gekostet. Erst mit Ende 30, nach einer schweren Depression, habe er „das ganz normale Leben akzeptieren können“.

Duffy überlegt einen Moment: „Toll daran ist, dass ich mich musikalisch austoben kann – in jedem Genre, das mir je etwas bedeutet hat.Diese Woche sind wir The Velvet Underground, nächste Woche ist etwas anderes dran“. Diebeiden Stücke, die man durch Robbie Williams Greatest-Hits-Album aus ihrer Song-Schmiede schon kennt, vermitteln tatsächlich den Eindruck, dass Robbie Williams‘ nächste Platte – in die Läden kommen soll sie Ende 2005 – recht vielschichtig werden könnte: „Radio“ ist ein ebenso ungewohnter wie knackiger New-Wave-Gassenhauer, die Ballade „Misunderstood“ hingegen klingt mehr nach Williams – und nach Duffy.

Es bleibt die Frage, warum Stephen Duffy seine kreative Energie nicht ausschließlich in eigene Projekte steckt. „Wenn morgen die Sache mit Rob beendet wäre, würde ich einfach wieder nur Folk machen. Alles andere, das weiß ich inzwischen, fühlt sich für mich falsch an.“ Ein Melancholiker kann noch einmal Popstar sein – ohne dafür seine Stimme herzugeben. Dass ihm das Spaß macht, verraten die Blogs auf seiner Internetseite: Da amüsiert sich Duffy über das absurde Problem, sich als 44jähnger für Top Of The Pops einzukleiden. Eine Lösung: Chelsea-Boots. Die hat er schließlich in den 8oern in der Sendung schon mal getragen.

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