Die digitale Revolution


Nachdem die CD die Vinylplatte total verdrängt hat, soll auch der Videocassette das letzte Stündlein schlagen: DVD (Digital Versatile Disc) heißt der Herausforderer

EINE PLATTE IST IMMER NOCH EINE SCHEIBE. DOCH SONST IST nichts mehr beim alten geblieben, seit sich vor 15 Jahren die CD anschickte, der konventionellen Vinyl-Platte den Garaus zu machen. Heute liefert die Compact Disc zu Hause, im Auto, sogar beim Joggen Musik in höchster Wiedergabequalität, und nur noch wenige Spezialisten und Liebhaber setzen auf das Ding mit der Rille. Von den 218,6 Millionen Longplay-Tonträgern, die 1997 in Deutschland verkauft wurden, entfielen 191 auf das CD-Format, 27,2 auf bespielte Musiccassetten und nur 400.000 auf Vinyischeiben. Jetzt rüsten die Hardware-Hersteller erneut zum Kampf gegen ein veraltetes Speichermedium, die Videocassette. Auch diesmal ist ihre Waffe wieder eine kleine Silberscheibe. Mit der „Digital Versatile Disc“, kurz DVD – mit 120 Millimeter Durchmesser und einer Dicke von 1,2 mm äußerlich nicht von einer normalen CD zu unterscheiden – lassen sich schier unglaubliche Dinge anstellen. Kinofilme werden im digitalen Format auf dem neuen Medium gespeichert und lassen sich dann via DVD-Player auf dem Fernseher abspielen. Ohne Flackern, Flimmern, Rauschen und mit einer brillanten Bildqualität. Durch die optische Abtastung mit einem Laser geschieht das berührungslos und damit absolut verschleißfrei. Für ein spektakuläres Klangerlebnis können die meisten Filme neben Stereo außerdem noch in Dolby Digital (AC-3) bzw. MPEG („Motion Picture Expert Group“) abgerufen werden – zwei Kodierungsverfahren für digitalen Surround-Sound mit fünf Vollkanälen, die zur Zeit miteinander konkurrieren. Durch die Kombinationsmöglichkeit Audio/Video ergeht sich auch der Musikfreund Nachdem die CD die Vinylplatte fast total verdrängt hat, soll auch der Videokassette das letzte Stündlein schlagen: DVD (Digital Versatile Disc) heißt hier der Herausforderer.

durch das neue System in einem bis dato unbekannten Hochgenuß, denn bei Konzerten oder Musikvideos auf DVD genießt er brillante Bildqualität mit einem perfekten Sounderlebnis. So wurden bisher unter anderem Oasis, die Rolling Stones, Tina Turner und Michael Jackson auf DVD veröffentlicht.

Kinofilme lassen sich außerdem in bis zu acht verschiedenen Sprachen und 32 Untertitelsprachen abspielen. Bei speziellen Inhalten – Konzerte oder Fußballspiele etwa – sind sogar unterschiedliche Kameraperspektiven wählbar. Stark übertrieben haben die Amerikaner diese Funktion, wo sich der Zuschauer auf einer Porno-DVD die Kopulierenden aus mehreren Perspektiven ansehen kann. Auch interaktives Fernsehen wird mit der DVD Wirklichkeit, denn bei einer Unterrichts-DVD für Golfspieler sind zum Beispiel, je nach Wahl von Schläger und Schlagrichtung, unterschiedliche Handlungsabläufe möglich. Ein weiterer Pluspunkt sind die geringen Abmessungen gegenüber einer VHS-Kassette, so daß die Heim-Mini-Videothek jetzt auch in den kleineren Schränken Platz findet. Obwohl sich sowohl DVD-Freaks als auch Neueinsteiger sicher sind, ein potentielles Massenmedium entdeckt zu haben, gibt es immer noch Zweifler, die sich gegen die zukunftsweisende Technik entscheiden. Viele Konsumenten wollen auf die Möglichkeit warten, selbst Filme auf DVD aufnehmen zu können – wie das bei den 28 Millionen Videorecordern in deutschen Haushalten möglich ist. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Probleme bei der Aufzeichnung und der benötigten Datenmenge werden die Ingenieure noch mindestens vier Jahre beschäftigen. Doch selbst wenn die technischen Probleme gelöst sind, bleibt

immer noch die Frage nach den Rechten. Denn mit einer beschreibbaren Video-DVD wären Filmkopien in Studioqualität möglich – die größte Angst der weltweiten Movie-Majors.

Trotz den gewaltigen Vorteilen hatte die bis dato kleine DVD-Fangemeinde in Deutschland wenig Futter für die Abspielgeräte – ganz im Gegensatz zu den USA. Denn in Amerika wurde der Vormarsch der kleinen Scheibe viel früher als in Deutschland mit Macht Marketing und mannigfaltigem Angebot betrieben. Mit Erfolg, denn in ihrer einjährigen Marktpräsenz wurden für die vielseitige digitale Scheibe mehr Abspielgeräte verkauft als bei der Markteinführung der CD. Doch auch jenseits des Atlantiks weigerten sich die großen Filmanbieter 20th Century Fox, Disney, Universal und Paramount zunächst das neue Medium zu unterstützen. Die Majors waren vielmehr daran interessiert ihr eigenes System „DIVX“ – ähnlich wie DVD, nur mit dem Unterschied, daß der Film jedesmal online bezahlt werden muß, wenn er gesehen wird – auf den Markt zu bringen. Doch noch im Sommer mußten sich auch diese Programmanbieter dem wachsenden Interesse an der DVD beugen und gaben die Veröffentlichung ihrer Filme (z.B. „First Contact“, „Titanic“) auf der vielseitigen Disc bekannt.

IN DEUTSCHLAND GAB ES LANGE ZEIT NUR 10 BIS 20 TITEL AUF DVD, darunter „Highlights“ wie „Asterix bei den Briten“ oder „Dracula – Tot, aber glücklich“. Und da die Software immer die Nachfrage nach der Hardware bestimmt verstaubten auch die Abspielgeräte in den Regalen der Elektrogeschäfte Doch in Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft 1998 ging ein Ruck durch die Filmfirmen. Movie-Major Columbia TriStar war der erste Programmanbieter, der bekannte Blockbuster wie „Jumanji“, „Eine Frage der Ehre“ oder „Jerry Maguire“ auf DVD veröffentlichte und dabei alle beschriebenen Vorteile des neuen Mediums ausnutzte – was nicht selbstverständlich ist. Wer sich eine Video-DVD zulegt (die Filme der großen Programmanbieter kosten in der Regel zwischen 50 und 60 Mark) sollte genau auf die rückseitige Beschreibung achten: in wievielen Sprachen, in welchen Tonformaten, in welchem Bildschirmformat ist der Film aufgenommen, gibt es Features wie Interviews mit den Schauspielern oder ein Making Of usw. Mehr als unbeliebt sind dabei Titel wie „Das Boot“, die nur in deutscher Sprache, im 4:3- anstatt 16:9-Bildschirmformat und ohne Untertitel daherkommen (die, nebenbei bemerkt, bei den Textpassagen von Herbert Grönemeyer ein echter Segen wären). Doch der Hersteller „Euro Video“ zeigte schnell Einsicht und versprach bereits für die nächsten Monate eine überarbeitete Version. Viele DVD-Süchtige wollen nicht solange warten und bedienen sich daher auf dem vielfältigen US-Markt. Mehr als erwünscht sind übrigens Filme wie „Das fünfte Element“, der mit über 80 Minuten Bonusmaterial in den Regalen steht. Aber auch Verleih-Gigant Warner Home Video muß sich mit großen Titeln wie „Batman & Robin“, „Mars Attacks“, „Der Morgen stirbt nie“ oder „Outbreak“ in Sachen Komfort, Sprachfassungen und Features nicht verstecken. Doch das ist nur der Anfang. Bis Weihnachten werden deutsche Programmanbieter noch mehrere hundert Titel auf den Markt werfen, darunter echte Blockbuster wie „Con Air“, „Die Maske“, „Harry und Sally“ oder „Besser geht’s nicht“. Im nächsten Jahr, wenn auch die US-Nachzügler Universal („Jurrasic Park“), Fox („Independence Day“), Disney („Arielle“) und Paramount („Titanic“) in Deutschland zuschlagen werden, kann es einige tausend Filme auf Video-DVD geben. Die Marktchancen stehen gut. Immerhin haben die Deutschen allein 1996 mehr als 40 Millionen vorbespielte VHS-Videocassetten gekauft – aber auch 120 Millionen unbespielte.

Doch die Anwendungsmöglichkeiten einer DVD beschränken sich nicht (mehr) nur auf die Speicherung von Videodaten. Ihre Vielseitigkeit erklärt sich im Detail. Durch eine feinere Pit-Struktur und einen geringeren Spurabstand können auf einer DVD bis zu 17 Gigabyte gespeichert werden – etwa 25 mal mehr Daten als auf einer CD. Damit ist die DVD-ROM zum idealen Speichermedium für Computeranwendungen geworden. Entsprechende Laufwerke für den PC gibt es bereits in guten Fachgeschäften. Und mit einer Wiedergabequalität von bis zu 96 kHz (Abtastfrequenz) und 24-bit (Auflösung) wird die DVD-Audio auch anspruchsvollen Musik-Fans noch das Hören lehren (Vergleich Audio-CD: 44,1 kHz/16-bit). Im Gegensatz dazu steht eine Entwicklung von Philips und Sony, die „Super Audio CD“ (SACD), die nicht nur qualitativ der DVD-Audio ebenbürtig ist sondern auch mit jedem CD-Player abgespielt werden kann.