Die Erfindung der Gelassenheit


Manchmal sind es gar nicht die großen Dramen, die einen Menschen verändern, sondern: die Summe der Kleinigkeiten – und natürlich das Alter. Brandon Boyd von Incubus ist vor kurzem 30 geworden. Statt aber über vermeintlich tickende Lebensuhren in Panik zu geraten, hat er eine neue Langsamkeit und Gelassenheit in sein Leben integriert, die ihm und seiner Band hörbar gut tun. Ein ganzes Jahr haben Incubus an ihrem sechsten Studioalbum LIGHT GRENADES gearbeitet, so lange wie bislang an keiner Platte. Das versetzte Schöngeist Boyd in die komfortable Lage, öfter mal „den Duft der Rosen genießen zu können, statt achtlos an ihnen vorbei zu laufen“.

Wir sitzen in den SIR Rehearsal Studios in Hollywood, wo sich Incubus (drei Monate vor dem Start, auch das gehört zur neuen Langsamkeit) auf ihre Welttournee vorbereiten, und der als „Ladies‘ Man“ bekannte Boyd sieht imagegerecht blendend aus. Das liegt vor allem an der zweijährigen Pause, die sich Incubus nach zehn Jahren auf Tour gönnten. Nachdem Brandon sich 2004 bei einem Unfall die Achillessehne durchtrennt hatte, die unmittelbar nach der Genesung folgende Tour ihn an den Rand des Zusammenbruchs brachte und die Beziehung zu seiner großen Liebe, dem Model Carolyn Murphy, scheiterte, war eine gründliche Remedur seines Privatlebens unvermeidbar. Also kaufte er ein schönes Haus, packte erstmals so richtig die Koffer aus und dachte viel über sich nach. „Das klingt pathetisch, aber ich habe in den letzten zwöIf Monaten mehr über mich und die Band gelernt als in meinem ganzen Leben davor. Je älter ich werde, desto klarer wird mir, wer ich bin und was ich will-und das macht mich auch zu einem besseren Songwriter und aufrichtigeren Texter.“ Trotzdem blieb genug Zeit, um mit Jugendfreund und Incubus-Gitarrist Mike Einziger Prominenten-Surfteams zum Sieg zu führen und die Arbeit an seinem im Januar erscheinenden zweiten Kunstband „From The Murks Of The Sultry Abyss“ zu beenden. Einziger produzierte derweil Agent Sparks, die Band seiner Bruders, und Jason Schwartzman (Ex-Phantom-Planet) und schrieb Musik für die preisgekrönte Surf-Doku „Flow“.

Das hobbymäßige Austoben der Bandkommandeure hört man dem wieder von Brendan O Brien produzierten LIGHT GRENADES an. Die Veränderung ist nicht an einzelnen Textpassagen oder Songs festzumachen, es ist eher ein Grundgefühl, das vor allem den zweiten Teil der melodieverliebten, feurigen Platte durchzieht und Incubus nicht nur aufrichtiger, sondern auch direkter und kantiger erscheinen lässt. „Brandon hat endlich seine Maske abgenommen“ , sagt Einziger. „Man kann sich entweder hinter einer Menge geschwollener Worte verstecken oder den Leuten direkt und eindeutig zeigen, wer man ist- auf dieser Platte hat sich Brandon für Letzteres entschieden.“ Manchmal ist es eben gut, die Füße hoch zu legen und so richtig über sich nachzudenken.>» www.enjoyincubus.com