Doechii: Wer ist die neue Powerfrau des HipHop?
Mehr als verdient: Bestes Rap-Album bei den Grammys geht an Doechii. Sie steht in der Tradition von Queen Latifah und Missy Elliott – und erneuert den HipHop wie keine andere.
Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten. Als Doechii am Abend der Grammy Awards 2025 in Los Angeles auf die Bühne trat, war sie sichtlich bewegt. Mit nur 26 Jahren nahm die Rapperin und Sängerin aus Florida das goldene Grammophon für das „Beste Rap-Album“ des Jahres entgegen. Ausgezeichnet wurde sie für „Alligator Bites Never Heal“, das als drittes Mixtape ihrer Karriere im vergangenen Jahr erschien. „Ich weiß, dass ein Schwarzes Mädchen da draußen ist, dass so viele Schwarze Frauen da draußen sind, die mich anschauen, und ich möchte euch sagen, ihr schafft das. Alles ist möglich“, sagte Doechii unter Jubel des Publikums. Dafür, so Doechii, wolle sie Zeugnis ablegen.
Und das tut Doechii, mit ihrem Mixtape-Album ebenso wie mit ihren souveränen Auftritten in der HipHop-Welt. „Alligator Bites Never Heal“ ist das Werk, das wir brauchten – um zu zeigen, dass weiblicher HipHop am Puls der Zeit schlägt und so wirkmächtig ist wie eh und je. Doechii, das zeigt nicht zuletzt ihr Grammy, ist die neue Powerfrau des HipHop. Geboren 1998 als Jaylah Hickmon in Tampa, begann die Künstlerin schon zu Schulzeiten Musik zu machen, und veröffentlichte 2016 ihr Debüt „Girls“. Nach ihrem viralen Hit „Yucky Blucky Fruitcake“ und mit einer zweiten EP 2022 wurde Doechii bei Top Daw Entertainment unter Vertrag genommen – als erste weibliche Rapperin bei dem hochkarätigen Label. Ihre Rolle als Pionierin zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Schaffen – schließlich ist sie erst die dritte Frau, die seit der Gründung der Kategorie 1996 die Trophäe des „besten Rap-Albums“ abräumte, in einer Reihe mit Lauryn Hill und Cardi B.
Kampfansage einer Schwarzen Frau in der männlich dominierten Rap-Industrie
Und so ist auch „Alligator Bites Never Heal“ das Zeugnis und eine Kampfansage einer jungen, Schwarzen Frau in der noch immer männlich dominierten Rap-Industrie, in der es Doechii gelingt, starke, nachdenkliche Verse mit kraftvollen, oldschool-angelehnten Melodien, Sex-Positivity mit Intellekt zu verbinden – und somit neue Akzente für weiblichen HipHop zu setzen. Während sie in Songs wie „Denial Is A River“ oder „Nissan Altima“ selbstbewusst und kühn auftritt, gibt sie sich in Stücken wie „Death Roll“ oder „Hide n Seek“ gleichsam nachdenklich und verletzlich. Alle 19 Songs des Albums vereinen neben erstklassiger Lyrik das Spannungsfeld zwischen Ambition und Hoffnung, Eleganz und Authentizität, Selbstbewusstsein und Chaos, Nonchalance und Zweifeln einer jungen Frau, der die HipHop-Welt zu Füßen liegt. Ihr Album wird von einer neuen Generation von HipHop-Fans gefeiert, die dieselbe Energie, für die Kendrick Lamar steht, längst in starken Frauenfiguren wie SZA und Doechii verkörpert sehen.
Nicht ohne Grund wurde Doechii mit ihrer sanften und zugleich durchdringenden Stimme und ihren leicht von RnB und Soul angehauchten Sounds mit Rap-Größen der alten Schule, wie Queen Latifah und Lauryn Hill, verglichen. In einer Industrie, in der weite Teile des weiblichen HipHop zuletzt oft auf die betonte Sexualität mancher ihrer Vertreterinnen reduziert wurden, tut eine Rückbesinnung auf die Widerstandskultur, den Feminismus und die ausgeprägte Poesie seiner Ursprünge, wie Doechii sie vornimmt, dem Genre mehr als gut. Songs wie „Stanka Pooh“ oder „Bloom“ füllen die zuweilen entleerten Schablonen des weiblichen HipHop wieder mit Bedeutung, Innovation und kreativer Energie.
„Prinzessin der Sümpfe“
Doechii wirkt dabei tief verwurzelt in der Kultur und Lebenswelt Tampas, die sie als Künstlerin geprägt hat. Als selbstgekrönte „Prinzessin der Sümpfe“ sieht sie Tampa als Ort reich an Kultur, betont sie – die Quelle einer Inspiration und kulturellen Kraft, welche sie an junge Frauen weiterreichen will. „Erlaube niemandem, irgendwelche Stereotype auf dich zu projizieren, die dir zu sagen versuchen, dass du nicht hier sein darfst, dass deine Haut zu dunkel ist, dass du nicht klug genug bist, dass du zu dramatisch bist oder zu laut“, so Doechii bei den Grammys, in grau leuchtendem Business-Look und mit kunstvoll geflochtenen Braids. „Du bist genau, wer du sein musst, um genau hier zu sein.“