Embrace


Nach all den Jahren sehen die Coldplayvorreiter ihre Zeit gekommen. Nur zu, aber wie wär's mit etwas Vocal-Coaching?

Sapperlott! Die kleine Elserhalle zur Hälfte voll, und dann so ein Bohei. Das Licht geht aus, und dann soll erstmal minutenlang eine etwas holprige Collage aus Erbauungsliedern á la „What A Wonderful World“ die Gemeinde in Wallung posaunen, bevor sie zum anschwellenden Getöse als Schattenrisse vor blutroter Lichtwand die Band auf die Bühne kommt: Embrace, die Band mit dem wiedergefundenen Willen zur ganz großen Geste. Wenn der Britpop eine große Familie ist, dann sind Embrace die linkischen Stiefkinder, die sich redlich mühen, aber immer die Watschen abkriegen. 1997 waren sie mit dem hemmungslos emotionalen Breitwand-Pomp-Pop ihre Debüts THE GOOD WILL OUT ihrer Zeit voraus und kriegten Watschen. Dann feierten Coldplay, Travis, Starsailor (und neuerdings Keane) mit emotionalem Breitwand-Pomp-Pop Erfolge, während Embrace vom Fenster weggewatscht wurden. Und jetzt sind sie tatsächlich zurück, weil letztlich ihre Zeit da sein könnte, worauf wohl auch ihr neuer Major Epic/Sony spekuliert. Watschen haben Embrace zwar wieder gekriegt, aber ihr neues, viertes Album OUT OF NOTHING ging in England tatsächlich auf Platz eins. Live wandern die fünf aus Huddersfield einen schmalen Grat entlang. Sänger Danny McNamaras ungelenker Bono-Gestus verstolpert sich oft genug ins Pathetisch-Prahlerische, doch mag man ihm ob seinerfast kindlichen Begeisterung und Euphorie nie wirklich gram sein. Da sind ziemlich großartige Sachen von früher wie „Retread“ und das ausufernde „The Good Will Out“ und eine Coverversion von D12s „How Come“, die bemüht ausgefallen gewählt wirkt, aber bemerkenswert eindringlich und stimmig daherkommt. Andererseits haben einige deralten Hits reichlich Patina angesetzt. Und der beste Song vom neuen Album ist eine Komposition von Chris Martin von Coldplay. Abgesehen von solch Geschmäcklerischem leidet der Abend an einem ganz konkreten Gebrechen, das ihn – da kann man der Band noch so gewogen sein – über Strecken ungenießbar macht: Danny McNamaras sonst recht reizvolle Gießkannenstimme ist angeschlagen. Und da wird’s dann zappendüster, wenn vor allem die hymnischeren Passagen vor lauter quälerischem Gekrähe (Dannys Bruder Richard, Gitarrist und „Harmonie“-Vokalist, macht da vieles noch schlimmer) bedenklich in Richtung Selbstparodie kippen. Danny ficht’s nicht an, er sieht seine Band am Neubeginn und endlich auf dem Weg zum lange verwehrten Großmachtstatus. Wer denn schon einmal auf einem Embrace-Konzert gewesen sei, fragt er ins Rund und verkündet, als kaum Handzeichen kommen: „Ah, a new crowd! In five years‘ time you’ll all be saying you’ve been to our first gig in Munich!“ Ach was, unseren Enkelkindern werden wir’s noch erzählen! Wenn ihr nicht in zwei Jahren schon wieder genauso weg vom Fenster seid wie nach eurem tatsächlichen ersten München-Konzert 1997. Nicht, dass man es euch wünschen würde. Aber die besten Sachen von heute Abend waren auch schon damals im Programm.

www.embrace. co.uk