Entwaffnende Feldforschung: Roche & Böhmermann


Charlotte Roche und Jan Böhmermann sind in ihrer nostalgischen Talkrunde polemisch, mütterlich und entzaubern das Format. Das macht ihr Format so gut. Gerade startete die zweite Staffel.

Eine Talkshow machen für Leute, die Talkshows nicht mögen. Das ist die Mission mit der Charlotte Roche und Jan Böhmermann bei ZDF Kultur gestartet sind. Seit dem 02. September läuft die 2. Staffel von „Roche & Böhmermann“ und der gesamte Aufbau der Sendung wirkt, als wäre vor kurzem das Farbfernsehen erfunden worden: ein runder Tisch, langarmige Mikrofone, zu denen man sich umständlich hin beugen muss, es darf geraucht werden, zum Whiskeyverzehr wird explizit aufgefordert, die Moderatoren putzen sich auf – Roche sitzt ab und an sogar in Kleidern mit kleinem Bubikragen am Tisch und erinnert optisch an eine der Frauen von Stepford – und polarisieren, als wären weichspülende Marketingfachleute noch ein Schreckensszenario aus einem Huxley Roman.

Doch auch wenn das Format auf den ersten Blick heimwehkrank und etwas angestrengt wirkt, das ist es keineswegs. Was sich Roche und Böhmermann jede Woche für diese 60 Minuten und 5 Gäste vorgenommen haben ist höchst modern: sie machen den Prozess der Talkshow transparent. So sieht man die beiden danach über die Sendung plaudern, über eigene Unzulänglichkeiten, seltsame Gäste, es wird gespult, mittendrin überpiept, Roche stellt fest, dass sie ein so großer Dendemann Fan ist, dass sie besser gar nichts fragen wollte als peinliche Fragen zu stellen – und fragt ihn tatsächlich nichts.
Farin Urlaub cancelt 5 Minuten vor der Show wegen des Zigarettenqualms und ist danach 30 Minuten lang Gesprächsthema. Was Rocko Schamoni ungehalten werden lässt. Böhmermann ist der Unbekannte, der seine fehlende Bekanntheit mit schmerzfreier Polemik kompensiert. Worauf Roches mütterlicher Reflex automatisch anzuspringen scheint und sie sich schützend vor Schäflein wie Lena Meyer-Landrut, Kim Gloss oder politische Gäste wirft, die gegen die Riesenegos des Restes nicht immer ankommen.

Das ist zwar nicht immer informativ, doch herrlich amüsant und erinnert – ähnlich wie „Durch die Nacht mit…“ – an entwaffnende, psychologische Feldforschung. Denn irgendwie sind alle mit dem Fehlen einer festen Inszenierung überfordert. Und plötzlich sehr menschlich.

Roche & Böhmermann läuft immer Sonntags um 22:00 Uhr auf ZDFkultur, alle ausgestrahlten Sendungen findet man aber auch in der Mediathek und am kommenden Sonntag sind Max Herre, Jennifer Rostock, Dr. Mark Benecke, Ferris MC und Peter Berling zu Gast.

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