Eric Clapton: New York, Madison Square Garden


Böse Zungen behaupten, im Madison Square Garden herrsche die gleiche Atmosphäre wie in der Abflughalle des JFK-Airports zur Rush Hour. 20.000 Passagiere enterten an diesem lauen Frühlingsabend die riesige Betonschüssel in Midtown Manhattan, um sich von Reiseleiter Eric Clapton mit dem neuen Album im Gepäck auf Pilgertour entführen zu lassen. Party ist angesagt. Abfeiern pur. Drei Abende hat Mr. Slowhand den Garden gebucht, alle Shows waren – wie sich das gehört – innerhalb weniger Stunden ausverkauft. In New York hat Clapton Heimrecht, er genießt in Amerikas lautester und verrücktester Stadt, in der er seit Jahren lebt, Kultstatus wie sonst nur die New York Knicks oder die Yankees.

Clapton ist mit großem Aufgebot erschienen, um die wild feiernden New Yorker in Schach zu halten. Hinter der zehnköpfigen Band hat ein 20 Musiker starkes Orchester Platz genommen. Und während die Streicher ihre Instrumente stimmen, lassen es sich die Fans gut gehen. Unaufhörlich wird Nachschub geordert: Popcorn tonnenweise, Bier und Schampus per Hektoliter. Die Sitzplätze scheinen nur dem Zweck zu dienen, sich zwischen ausgiebigen Einkäufen ein wenig auszuruhen. Stört es jemanden, daß inzwischen die Distant Cousins aus London ihre Tätigkeit als Support Art aufgenommen haben? Die Jungs spulen ihr Programm herunter, registrieren tut es kaum einer. Das ändert sich Punkt 21 Uhr gewaltig. „Pilgrim“ Eric Clapton erscheint wie die gesamte Band im schwarzen Armani-Outfit – und der Garden steht Kopf. Die Single „My Father’s Eye“ setzt das Startsignal zu einer atemberaubenden Show, in der Clapton geschickt Neues mit Bewährtem kombinieren wird.

Mögen sich manche an dem allzu glatten Sound des neuen Albums stören, live werden sie entschädigt. Keine Drumcomputer und Effekt-Loops – hier geht alles handgemacht über die Bühne. Satt und druckvoll bereiten Band und Orchester den Boden für Claptons Soloexkursionen. Wobei er im ersten Part der Show die Gitarrenarbeit oft seinem Sideman Alan Darby überläßt. „River Of Tears“,“One Chance“, „She’s Gone“ oder „Going Down Slow“ featuren den Vokalisten Clapton, dessen Gesang mittlerweile den gleichen Stellenwert wie seine Gitarrenarbeit bekommen hat. Clapton gönnt sich und der Band eine kleine Ruhepause, läßt unter dem andauernden Gejohle des Publikums mit den Unplugged-Versionen von „Layla“,“Tears In Heaven“ und „Change The World“ ruhigere Töne anklingen, die es aber manchmal schwer haben, sich den Weg bis zu den letzten Rängen zu bahnen. Zum Abschluß der gut zweistündigen Show geht er auf Nummer sicher und greift in die Hit-Kiste, die Fans danken es mit stehenden Ovationen. „Old Love“, „Tearing Us Apart“, „I Shot The Sheriff“ und das offensichtlich unvermeidliche „Wonderful Tonight“ kommen in frischem Gewand daher, perfekt instrumentiert und mit brillanten Soloeinlagen der gesamten Band. Vor der Zugabe serviert Clapton mit den Bluesklassikern „Crossroads“ und „Have You Ever Loved A Woman“ die Highlights des Abends. Die Pilgerfahrt endet mit „Sunshine Of Your Love“ und Claptons 15jährige Tochter Ruth springt auf die Bühne und tanzt ausgelassen mit. Der Garden tobt. Im Herbst kommt die „Pilgrim“-Tour auch nach Deutschland – beste Stimmung scheint man auch ohne Popcorn garantieren zu können.