Erster Auftritt: Otis Redding taucht zum ersten Mal in den US-Charts auf


Zwei Stunden fummelt Johnny Jenkins jetzt schon im Stax-Studio, 926 East McLemore Avenue, Memphis/Tennessee, an dem Track herum, der „Love Twist“ toppen soll, jene Nummer, mit der er ein paar Monate zuvor einen lokalen Hit landen konnte. Doch heute, an diesem Oktobertag des Jahres 1962, kriegt’s der Gitarrist und Boss der Pinetoppers einfach nicht auf die Reihe. Genervt wirft er endlich das Handtuch. Was aber tun mit den 40 Minuten Studiozeit, die noch von den gebuchten drei Stunden übrig sind? Manager Phil Waiden weiß Rat: Otis Redding, der 22 Jahre alte Sänger der Pinetoppers, der von aktuellen Pophits bis zu Coverversionen von Little-Richard-Songs alles draufhat, soll mal ans Mikrophon. Stax-Chef Jim Stewart lässt mit sich reden: 50 Prozent von allen zu erwartenden Einnahmen sind – auch wenn sich keiner allzu viel ausrechnet-schließlich nicht das schlechteste Argument. Und so legen sie noch einmal los: Johnny Jenkins an der Gitarre, Booker T.Jones an den Tasten, Lewis Steinberg am Bass und AI Jackson Jr. am Schlagzeug. Stürzen sich mit Verve ins aufgekratzte Uptempo-Stück „Hey Hey Baby“, derweil Otis tut, was er häufig tut: einen mehr als passablen Little Richard abgeben. Weil die Aufnahme rasch im Kasten ist, kommt am Ende der Session noch ein Redding-Original zu Ehren: die betörende Southern Soul-Ballade „These Arms Of Mine“. Im März 1963 klettert die Single (mit „Arms“ als A-Seite) bis auf Rang 20 in den R&B-Charts, die höchste Notierung in den Pop-Hitlisten ist ein 85. Platz. Nicht das, was man atemberaubend nennt also, aber das erste von einem größeren Kreis zur Kenntnis genommene Lebenszeichen eines Künstlers, der bald schon als der größte Soulsänger seiner Zeit – manche sagen: aller Zeiten – gelten wird. Otis, erinnert sich Jahre später Wayne Jackson, als Trompeter für Redding und viele andere Soul- und Popgrößen tätig,“war ein Genie. Er hatte alle Songs im Kopf, wenn er ins Studio kam: Bläserarrangements, Bass-Linien, Gitarren, alles.“ Kurz bevor er am 10. Dezember 1967 in den Trümmern einer Beechcraft stirbt, geht der längst auch beim weißen Publikum zum Star aufgestiegene Mann aus Georgia ein letztes Mal ins Studio. Seine 20. Single „(Sittin’On) The Dock Of The Bay“ erscheint am 8. Januar 1968-und wird sein erster Nummer-i-Hit.