Fela Kuti


Sexy Erlöserpathos

Er trug den Glamour eines messianischen Erweckers auf jede Bühne: der König im Nerz hinter dem Keyboard, der Spliff zwischen den Zähnen, das Saxofon sein Superphallus, Fela Kuti, das war sexy Erlöserpathos für die unteren Millionen. Ein Superstar, dem zwischen 50 und 80 LPs zugeschrieben werden, aber auch grotesker Sexismus, außerordentliches Charisma und die Entfesselung einer eigenen afrikanischen Popkultur.

Als Kuti, der 1938 in Abeokuta bei Lagos geboren wurde, mit seiner Band Koola Lobitos 1969 von einer US-Tournee wieder nach Nigeria zurückkehrte, hatte er sich selbst gerade neu erfunden. Die Voraussetzungen für eine staatstragende Karriere waren zwar noch gegeben (Auslandsstudium, im Hintergrund eine angesehene Farn Nie, der Vater ein bekannter Komponist und Prediger, die Mutter eine antikoloniale Kämpferin, Feministin und Leninpreisträgerin),doch Kutis politische Initiation made in the USA war unumkehrbar. In der Forderung einer afroamerikanischen Kultur blühte sein Ego zu unüberhörbarer Größe auf. Kuti katapultierte sich in die Rolle des streetsmarten Predigers, der mit dem politischen Background der Black Panthers die soziale Situation in seiner Heimat sezierte, die sich über Jahre kaum verändern sollte: Willkürherrschaft, Korruption,Armut.

Aus dem Highlife-Jazz der Lobitos baute Kuti jene strenge Form des Bigband-Afrobeat mit massiven Bläsersätzen und funky Bass-Riffs, auf dessen Boden sich seine Befreiungslyrics entfalten konnten -„The secret of life is to have no fear“ Die Kommune „Kalakuta“, die der Bandchef Mitte der 7oer-Jahre vor den Toren Lagos‘ für seine Freunde und über 20 Frauen ein richtete, stellte eine Provokation für das Regime dar: ein freier Staat im Unrechtsstaat Nigeria. „Kalakuta“ wurde 1977 in einer Terroraktion der Militärregierung niedergebrannt, Kuti verwundet, seine 77-jährige Mutter so schwer verletzt, dass sie später starb.

„Kalakuta“ war die Kommandozentrale des Afrobeat, der „Shrine“ die Kathedrale der Beat-Opposition von Kuti &.Co. In dem notdürftig überdachten Schuppen rockten Kuti und seine Band die Menge in Trance, auf der Bühne agierten bisweilen über3O Instrumentalisten, Sängerinnen und Tänzerinnen,die auf das Publikum wie das wahrhaftige Elysi um wirkten, in dessen Verfassung Sex und Marihuana für alle verankert waren. Die Auftritte nahmen den Set-Charakter vieler Houseund Elektronik-DJs vorweg, Pop-Kritiker David Toop entdeckte die rhythmische Finessedieserschwarzen Tanzmusik später in den frühen Aufnahmen von Kraftwerk-nachgestellt mit den Mitteln der Elektronik. In den letzten Jahren kam eine regelrechte Remix- und Revival-Hysterie auf, in der die üblichen Verdächtigen (Gilles Peterson, Masters At Work) dem überlebensgroßen Afro-Popstar huldigten. Kuti-Sohn Femi tourt mit einer Light-Version des Afrobeat heute durch die Welt.

Seine Musik diene der Revolution, nicht der Unterhaltung, ließ Fela seinem europäischen Publikum ausrichten. Der Beiname „Anikulapo“, den Kuti sich 1975 zugelegt hatte, wirkte 20 Jahre lang wie eine Kampfansage an die Todesschwadronen der diversen Militärregimes: „Er,der Kontrolle über den Tod hat.“ Fela Kuti starb 1997 59-jährig an den Folgen von Aids. Der Sarg wurde 20 Meilen durch Lagos getragen, eine Band spielte seine Songs sieben Stundenlang.

Sein Sound und sein Mythos leben, der Kern des Kuti-Aufstandes ist aber längst erstickt.