Freches Hirn, spitze Zunge, Superhype


Sie ist die „authentische Sensation dieses Sommers. Wie viel ist echt an Lily Allen?

Kurz nach Beginn ihres ersten richtigen Konzerts in der Londoner Bush Hall bringt Lily Allen die Sache auf den Punkt. „We love you, Lily“, schreit ein weiblicher Fan. „Thanks, I love myself“, kommt’s wie aus der Pistole geschossen zurück. Nein, das zeugt nicht von einem aufgeblasenen Ego. Nur von gesundem Menschenverstand, schlagfertiger Zunge und einer resolut-unabhängigen Perspektive aufs Leben. Wenig später setzt sich Allen ins Fettnäpfchen: sie werde die Ankunft ihres perfekten Sommerhits „Smile“ an der Spitze der britischen Pop-Charts mit einer Dosis „Coke“ feiern, kichert sie. Natürlich rollt die Boulevardpresse tags darauf schweres Klatsch-Geschütz auf. Mit 13 habe sie Drogen geschluckt, mit 15 Ecstasy gedealt, mit 18 sei sie in der Promi-Klinik The Priory wegen Depressionen behandelt worden. Zum ersten Mal lernt Allen die Schattenseiten des Daseins einer Hitparadensrürmerin kennen, die sich vor spontanen Scherzen nicht fürchtet. Für einmal schiebt sie nun eine Sprecherin vor, um die passenden Worte zu finden: Lily habe ihre Vergangenheit nie verleugnet, sagt die. Sie sei halt ein Mädchen, das zwischendurch auf Abwege geraten sei – und jetzt dank der Musik auf den rechten Pfad zurückgefunden habe.

Der Rummel um Lily Allen begann lange vor dem Erscheinen der ersten Single – „Smile“. Wieder mal war die Internetcommunity MySpace schuld. Dort führte Allen einen putzigen Blog über ehemalige Boyfriends, junge Hunde und politische Anliegen: „Das Trinken von Cider müsste in ganz Großbritanien für obligatorisch erklärt werden“, schrieb sie am 5. März mit dem drollig-urbanen Witz, der ihre Texte prägt und der sie dem britischen Publikum so sympathisch macht. Dann kam heraus, dass Allen die Tochter einer TV-Produzentin und eines bekannten Komikers ist – Keith Allen (Karrierehöhepunkt neben einer Rolle in „Trainspotting“ und dem Hit „Vindaloo“: die schwule Roots-Reggae-Maxi „Boots Sex Dread“). So viel elterliches Medien-Knowhow – da wird doch bei Lily irgendwie eine kleines bisschen Mogelei im Spiel gewesen sein, oder? In der Tat, gibt sie zu, habe ihr der Vater zum ersten Platten vertrag verholfen. So what? „All die ‚Haters‘ sollen sich verpissen! Verlierer!“ schäumt Lily auf ihrer Webseite. „Ich hab‘ besseres zu tun als auf die kläglichen Wichser einzugehen, die mich verreißen müssen.“ Wer zuletzt lacht, lacht sowieso am besten. In diesem Fall ist das eindeutig Lily. Ihr Albumdebüt klingt, als wäre Mike Skinner als Girl im Londoner Reggae/Calypso-Viertel Ladbroke Grove aufgewachsen und hätte täglich Typen wie den männlichen Skinner mit dessen eigenen verbalen Kampfmitteln in die Flucht schlagen müssen, www.lilyallenmusic.com