Geld spielt keine Rolle


Exklusive Sessions mit Indiebands: Ein Team um einen qualifizierten Idealisten hat aus www.daytrotter.com eine der besten Musikseiten im Netz gemacht.

Wie lockt man Low, Of Montreal, die Cold War Kids, The Spinto Band, Robbers On High Street und sogar Bonnie „Prince“ Billy nach Rock Island in Illinois? Die Stadt ist die Antithese von Rock – der Name trügt: Keine brauchbaren Clubs, keinen gut sortierten Plattenladen und nicht einen auch nur halbwegs akzeptablen Radiosender gibt es i n dem traurigen Kaff, das drei Autostunden von Chicago am Ufer des Mississippi liegt. Und doch finden sich hier in regelmäßigen Abständen einige der besten Non-Mainstream-Acts unserer Zeit ein. „Manche Künstlerfragen wir an, andere kontaktieren uns inzwischen auch schon von sich aus“, sagt Sean Moeller, der in einem Studio in Rock Island exklusive Live-Sessions organisiert. Dass Moeller auf gutem Weg dazu ist, Celebrity-Status in der Indieszene zu erlangen, liegt an seiner bemerkenswerten Website www.daytrotter.com . Das Portal ist ein Juwel im Sand der Musikblog-Wüste: Die unterhaltsamen Artikel, Interviews und Reviews werden von geschmackvollen Illustrationen begleitet, und die Aufnahmen der kleinen Studiokonzerte werden kostenlos zum Download zur Verfügung gestellt. „Millionen von Menschen schreiben heute über Musik oder wollen über Musik schreiben“, sagt Moeller dem Musikexpress. „Du bist plötzlich Musikjournalist, weil du nach einem Konzert Digicam-Fotos hochlädst und in deinem Blog ein paar Zeilen über die Show schreibst. Wir haben mit den Sessions angefangen, weil wir uns von all diesen Websites absetzen mussten.“ Moeller ist Ende 20 und musste – wie viele talentierte Schreiber aufgrund der begrenzten Auftragslage seine Hoffnungen auf eine Karriere als Musikjournalist im herkömmlichen Printbereich begraben. Den Glauben an gute Musikmagazine hat er dennoch nicht verloren. „Wenn bei einem Heft alles richtig gemacht wird, wird es immer faszinierend und in vielerlei Hinsicht auch besser als Websites und Blogs sein“, sagt er. „Das Problem ist nur, dass viele Hefte hässlich, fantasielos, langweilig und altbacken sind. Die werden sterben, und das kann mir gar nicht schnell genug gehen. Warum soll man ein schlechtes Magazin lesen? Da gibt es heute wirklich viele Alternativen.“ Eine der besten Alternativen zu schlechten Magazinen ist seine eigene Seite. „Daytrotter ist jetzt unser Beruf, sagt er. „Wir machen das aus Liebe für die Musik. Die Arbeit ist inspirierend, macht mein Leben wieder lebenswert, und die Kontakte, die wir knüpfen, sind unbezahlbar.“ Zwar kommt langsam auch Geld rein – Daytrotter.com ist so populär, dass Firmen Werbebanner einklinken und Fans T-Shirts bestellen -, im Kern aber geht es Moeller um etwas anderes: „Mir gefällt der Gedanke, dass wir mit jeder Session, die wir aufnehmen, ein klein bisschen Geschichte schreiben. Und die Aufnahmen werden noch lebendig sein, wenn wir schon lange nicht mehr da sind.“