Gene Simmons: Blind Date ´92 mit Gene Simmons


Seine Zunge ist nicht nur lang, sondern auch messerscharf. In Sekundenschnelle hat der Kiss-Guru die musikalischen Umweltsünder geortet und auf ihre musikalische Substanz geprüft. Um sie sodann im Blind Date genüßlich zu sezieren.

The Neville Brothers: „Fly Like An Eagle“

„Der Song stammt natürlich von Steve Miller. So weil, so gut. Die Idee an sich ist ja nicht übel: Man covert einen griffigen Steve Miller-Song und schiebt einen Rhythm & Blues-Groove drunter. Doch allein schon die Lynn-Drum (bzw. der Mensch, der so spielt. als seien es Computer-Drums) vermasselt die ganze Tour.

Das ist eine Band, wenn’s denn überhaupt eine ist, die schlecht beraten wurde, weil diese Coverversion einfach nicht ehrlich rüberkommuDer Sänger ist passabel, die Produktion brauchbar, aber das Cover als solches eher flach. Als Wilson Picken damals `Hey Jude` von den Beatles coverte, hat er ihm seinen ganz persönlichen Stempel aufgedrückt – und genau das hat man hier vergeigt.

Wer’s allen Leuten recht machen will, bescheißt sich letztlich selbst. Das ist wie eine Hure, die jedem erzählt, was er gern hören will, solange er dafür bezahlt.“

U2: „One“

„Respekt. Da haben Bono und seine Truppe wirklich Mut bewiesen und sich endlich von der irrigen Annahme verabschiedet, der ganzen Well mitteilen zu müssen, wo’s langgeht. Ich atme richtig auf: keine Predigten mehr, keine salbungsvollen Worte, sondern schlicht und ergreifend gute Musik.

Mir geht nichts mehr auf den Keks als Rock ’n‘ Roll-Bands, die plötzlich aufstehen und gegen Rassismus zu Felde ziehen, getreu der pubertären Einsicht, daß kein Mensch den anderen wegen seiner Hautfarbe diskrimieren darf. Welch ein Shit, wer braucht solchen Dünnpfiff?

Ich für meinen Teil begrüße U2 ab sofort wieder im Kreis der echten Rock ’n“ Roll-Bands dieser Welt. Auch Metallica haben sich inzwischen in diese erlauchte Runde gespielt.“

ELP: „Black Moon“

„Ein offensichtlich völlig indisponierter Rick Wakeman greift mächtig in die Tasten. Dann wieder klingt’s, als ob Emerson. Lake & Palmer den Queen-Klassiker ,We Will Rock You‘ überarbeiten wollten. Die Drums haben zuviel vom Prozessor reingewürgt bekommen, damit sie möglichst modern und hip klingen sollen. Obendrein wirkt der Song wie ein einziger Kniefall vor dem großen Götzen Kommerz.“

Kim Wilde: „Love Is Holy“

„Mich linkt so schnell keiner, nur drei, vier Sekunden genügen und ich bin sofort im Bild, in diesem Fall eben in dem von Kim Wilde. Gut abgehangener Pop, wie ich ihn durchaus schätze. Mir geht’s nicht so sehr um die Gewissensfrage: Bin ich noch Metal oder Rock oder gar schon Pop? Scheiß drauf. Was allein zählt, ist die Einstellung, die ich zu meiner Musik habe. Und wenn sich die. wohlgemerkt glaubwürdig, in einem stimmigen Song niederschlägt, können mich alle Kritiker gern haben.

Ähnlich ist es mir seinerzeit mit Abba ergangen: Alle meine Freunde haben was von Kommerzgriitze gefaselt, während ich total drauf abgefahren bin. Eben weil ihre Musik glaubwürdig war. Viele Leute haben keine Ahnung, wie schwer es ist. einen ebenso banalen wie glaubwürdigen Pop-Song zu schreiben.“

Galliano: „Jus‘ Reach“ „Da habt ihr den Recorder zwei Beats zu spät eingeschaltet.(Pause) Dem Typen würde ich glatt eine Klage wegen unzulässiger Klauerei an den Hals hängen. Schon das Intro ist derart bei Sly & The Family Stone abgekupfert. daß es nur so kracht. Sind das die Christians? Klingt so. als ob der Song erst im Studio komponiert wurde — mit einer gemieteten Band, die eben das spielt, was man von ihr für die Gage verlangen kann.“

Iron Maiden: „Be Quick Or Be Dead“

„Meine Fresse, die Trampeltiere des Heavy Metal galoppieren wieder. Wann kapieren Iron Maiden endlich, daß es nicht reicht, einen reichlich verworrenen und mystisch verquasten Text auf einen unterdurchschnittlichen Song zu pappen, um dem Image der Rächer der Gebeutelten und Amputierten dieser Welt auch bis ins letzte Klischee gerecht zu werden?

Siehe U2: Wenn sie sich einmal von dem Trugschluß befreien könnten, die Welt erst in Sack und Asche legen zu müssen, bevor man sie selber ernst nimmt, käme vielleicht auch hörbare Musik dabei heraus.“