Instrumentenkunde Ampeg SVT


Die Technik: So kennt man sie, die Amerikaner: Sie bauen Häuser, die an den Wolken kratzen, schrauben Pickup-Trucks zusammen, mit denen man Fahrradfahrer erschütterungsfrei überrollen kann, und servieren Fastfood-Mahlzeiten, an deren Kaloriengehalt man eine Woche lang dauen könnte, wenn man denn wollte. Die Philosophie dahinter lautet: Was groß ist, ist gut. Und was größer ist, ist sogar noch besser. Den Ampeg SVT auf typisch US-amerikanischen Gigantismus zu reduzieren, wäre aber ungerecht, denn der in der Urversion monströse 300 Watt starke Bassverstärker hat seine äußeren und inneren Dimensionen aus durchaus triftigen Gründen. Aus rein physikalischen Gründen, versteht sich, also wissenschaftlich fundiert. Das menschliche Gehör nimmt nämlich bevorzugt die mittleren Frequenzen wahr, weshalb etwa der Bassist mit seinem 100-Watt-Verstärker gegen einen mit lediglich 60 Watt bewaffneten Gitarristen normalerweise und jedenfalls auf großen Bühnen nicht den Hauch einer Ch3nce hat. Von dem, was der Schlagzeuger beisteuert, ganz zu schweigen. Da Gitarristen und Schlagzeuger aber niemals dazu zu bewegen sein werden, leiser zu spielen, muss Schalldruck her. Und den generieren beim Ampeg SVT 14 Elektronenröhren, da runter sechs riesige Endstufenröhren. Die produzieren nicht nur jede Menge Abwärme, sondern saugen auch reichlich elektrischen Strom, weshalb man bei Ampeg beim Konstruieren an gigantische Transformatoren dachte. An die Roadies, die das Kraftwerk schleppen müssen, dachten die Techniker hingegen nicht: Das Verstärkerteil wiegt 43 Kilo, die dazugehörige Box mit ihren acht Zehnzoll-Lautsprechern bringt knapp 48 Kilo auf die Waage. Für den Ur-SVT benötigte man allerdings zwei dieser Boxen, denn eine einzelne wäre bei Volllast binnen Sekunden in Rauch aufgegangen. Macht zusammen 139 Kilogramm.

Die Geschichte: Die Ende der 60er Jahre aufkommenden Open-Air-Festivals mit Zehntausenden im freien Feld verteilten Zuhörern verlangten nach leistungsstarken Instrumentenverstärkern, denn wer Lautstärke wollte, musste sie auf der Bühne produzieren. P.A.-Anlagen waren damals noch zu schwach auf der Brust und meist komplett damit ausgelastet, den Gesang in Reihe 54 und notfalls bis zum nächsten Waldrand zu transportieren. Laute Gitarrenverstärker waren zwar erhältlich, doch entsprechende Bassanlagen gab es kaum. 200 Watt galten als Obergrenze, und Zuverlässigkeit gehörte nicht zu den Stärken dieser Geräte: Spektakulär rauchende Trafos, umwölkt vom Duft durchgeschmorter Elektronik, bereicherten zwar die Bühnenshow, waren dem Klangerlebnis aber eher abträglich. Was 1969 Bill Hughes und Roger Cox von der in St. Louis beheimateten Verstärkerfirma Ampeg dazu inspirierte, den „Super Vacuum Tube“-kurz SVT-zu konstruieren. 300 Watt stark und von der Ampeg-Rechtsabteilung mit einem Warnschildchen versehen:“Dieser Verstärker kann Schalldrücke erzeugen, die zu dauerhaften Gehörschäden führen können.“ Das war aus Sicherheitsgründen notwendig, da mit vorzeitig ertaubte Hardrockbassisten nicht mit Millionenklagen daherkommen konnten. Jedenfalls trug der SVT entscheidend zur Emanzipation der Bassisten bei, die man fortan nicht nur sehen, sondern auch hören konnte. In den 70er Jahren avancierte die ständig weiterentwickelte SVT-Reihe zum Profi-Standard in Sachen Bassbeschallung, auch als durchsetzungsfähiger Keyboard-Verstärker ließ sich die Superröhre missbrauchen. Wer was auf sich hielt und das nötige Kleingeld hatte, platzierte mal eben sechs Verstärker und zwölf Boxen neben dem Schlagzeugpodest. Sicher ein Grund dafür, warum so manche Rockhelden der 70er ihren Alltag heute lippenlesend meistern müssen. Doch die SVTs waren nicht nur laut und zuverlässig, sie klangen auch gut und tun das noch heute. Das Ur-Modell wird noch immer produziert.

Die Anwender: Wer in den 70er und 80er Jahren den elektrischen Bass vor mehr als 10.000 Leuten auf einem Haufen spielte, der tat das sehr häufig über einen Ampeg SVT, George Clinton (Parliament) genauso wie Bill Wyman (Rolling Stones). Gene Simmons(Kiss), Geezer Butler (Black Sabbath) und Chris Squire (Yes). Als tourneetauglicher Klassiker mit ordentlicher Schubkraft erfreut sich der SVT noch heute enormer Beliebtheit, mehr als einer steht aber nur noch bei unverbesserlichen Angebern auf der Bühne. Denn 300 Watt reichen heute völlig aus, selbst wenn man ein Fußballstadion in wohlige Vibrationen versetzen möchte. Das übernimmt dann nämlich die P.A. mit einer Verstärkerleistung im fünfstelligen Bereich.