Glückslos in der Rocklotterie


Josh hat als Geburtshelfer großartiger Bands mit seltsamen Namen Übung. Während es bei den Queens Of The Stone Age kräftig rumort, schiebt er nun die Eagles Of Death Metal ins Rampenlicht - und verhilft damit einem wunderlichen Jugendfreund zu unerwartetem Rockruhm.

Josh Homme ist ein smarter Typ, vermutlich einer der smartesten Rockmusiker unserer Zeit. Er steckt voller großartiger Ideen, und er weiß diese optimal zu verkaufen. Er liebt die Party und das Chaos, aber im Gegensatz zu vielen Kollegen kennt er auch den Zeitpunkt, wenn man auf die Bremse treten muss. Auch Nick Oliveri ist alles andere als dumm. Auch ihm scheinen die Ideen nie auszugehen und auch er weiß, dass zu einem Rockstar ein wildes Image gehört. Doch der liebenswerte Weirdo Oliveri hat den Rock’n’Roll-Lifestyle zu sehr verinnerlicht, um bei seinem Leben auf der Überhol- spur noch auf rote Ampeln Rücksicht nehmen zu können. Es kam, wie es irgendwann kommen musste: Die Seelenbrüder Oliveri und Homme gehen musikalisch ab jetzt getrennte Wege. Während Nick seinen Rauswurf bei den Queens Of The Stone Age noch nicht wahrhaben will und glaubt, dass er QOTSA-Chef Josh noch zur Wiedereinstellung überreden kann, ist die Geschichte für Herrn Homme (siehe auch Kasten auf Seite 59) definitiv abgehakt. Der rastlose Workaholic ist längst wieder mit neuen Projekten beschäftigt.

Das liebste Steckenpferd des Ex-Kyuss-Gitarristen, Initiators der legendenumwobenen „Desert Sessions“ und Labelbesitzers (‚Rekords Rekords‘) ist neben der Hauptband Queens seit einiger Zeit die nach seiner Einschätzung „extrem sexy rockende“ Lo-Fi-Country- Trash-Combo Eagles Of Death Metal. Die Band seines Jugendfreundes Jesse „TheDevil“ Hughes wurde aus einer Laune heraus vor gut fünf Jahren aus der Taufe gehoben, ihr Name geisterte bald als Geheimtipp durch die Reihen der üblichen Verdächtigen, ohne dass

die Band jemals geprobt oder gar einen Song aufgenommen hatte. In Sachen Legendenbildung macht Josh eben so leicht niemand was vor, und so hat er die zahllosen Interviews, die er für QOTSA in den letzten Jahren gegeben hat, geschickt dazu genutzt, die Welt auf das kommende Großereignis namens Eagles Of Death Metal vorzubereiten.

Nick Oliveri war früher auch ein virtuelles Mitglied dieser Band, ebenso wie Produzentenlegende und Masters-Of-Reality-Mastermind Chris Goss. Letzterer nahm sogar an der ersten Sessions aktiv teil. „Chris hat am Anfang Bass beiden Eagles gespielt, aber irgendwann hatte er einfach keine Zeit, also haben wir ohne ihn gejammt und festgestellt, dass wir nichts vermisst haben“, erzähltem stimmlich etwas angeschlagener, aber spürbar entspannter Josh Homme, der gerade sein neues Haus in Los Angeles von einer Reinigungskolonne auf Wohnlichkeit trimmen lässt. Nun kommt man bei EODM ganz ohne Bass aus, was ja nicht erst seit den White Stripes eine salonfähige Variante ist. „Der Sound hat so einen krasseren Charakter, er erinnert mich an die Cramps und andere Bands ohne Bass. die ich absolut liebe.“

Homme ist bei den Eagles Of Death Metal ausnahmsweise einmal nicht der Hauptsongschreiber, Frontmann und Chefideologe, sondern die Beatmaschine im Hintergrund. Und diese Rolle gefällt ihm: „Ich mag es prinzipiell immer, das Gegenteil von dem zu tun, was ich sonst mache. Und ich wollte auch schon immer ein Drummer sein, schon bevor ich mit dem Gitarrespielen angefangen habe.

Das merkt man auch daran, dass ich die Gitarre sehr rhythmusbetont spiele. Ich spiele das Schlagzeug heute so, wie ich es auch bei anderen am liebsten mag: Bassdrum und Snare, straight und simpel. Es geht um den Groove und den Beat. Mein Spiel ist eine Kombination aus Phil Rudd von AC/DC und dem Drummer von Devo.“

Die Gitarrenarbeit erledigen bei den Eagles zwei andere, Tim Van Hamel, Kopf der famosen belgischen Indie-Rocker Millionaire, und der bereits erwähnte Jesse Hughes, ein im Musikgeschäft noch recht unbeschriebenes Blatt. Jesse ist durch und durch ein Charaktertyp, wie der Rock’n’Roll ihn braucht“, schwärmt Josh über seinen alten Freund, den er und Nick als Teenager in der Highschool kennen und mögen gelernt hatten. Jesse war schon immer ein seltsamer Zeitgenosse. Die Eigenarten, die ihn als Kind von den anderen entfremdet haben, machen ihn heute zu einer Person, die fast alle Leute mögen. Heute wird er dafür belohnt, dass er sein ganzes Leben lang ein unvergleichliches Individuum war. Ein hochintelligenter Mann, der von der Natur mit einem perversen Charisma ausgestattet wurde. Und er schreibt einfach großartige Songs, die es nicht verdient haben, in seinem Schlafzimmer zu versauern.“

Allerdings ist der alleinige Songschreiber, Leadsänger und Gitarrist Hughes, der 1998 auch schon bei Hommes Desert Sessions Nr. 3 und 4 mit von der Partie war, in punkto Gesang und Songwriting offensichtlich schwerbeeinflusst von seinem prominenten Freund und heutigen Drummer. „Natürlich hat Josh mich geprägt“, bestätigt der hyperaktive Hughes. „Außerdem singt er mit einer ähnlich hohen Stimme. Er ist der geilste Rockmusiker, der dieser Tage die Weltunsicher macht. Und jetzt spielt er in der Band, in der ich der Star bin, ist das nicht großartig?“ J Devil Hughes ist uns per Autotelefon zugeschaltet, er kommt gerade von einem Termin beim Vormundschaftsgericht und brettert nun in seinem Chevrolet über den Freeway. „Für die Leute da draußen sind die Eagles Of Death Metal ja nicht mehr als ein weiteres Nebenprojekt von Josh“, sinniert er. „Ich wird ein Interviews oft gefragt, ob es für mich nicht ein Problem ist, nur in einem Nebenprojekt von Josh zu spielen. Hättest du in den Sechzigern etwas dagegen gehabt, ein Teil eines Nebenprojekts der Beatles zu sein ? Ich habe vor kurzem noch in einem Videoladen gearbeitet, und jetzt reise ich mit Josh nach Europa, um dort die Kids zu rocken. Ich habe gerade die beste Zeit meines Lebens!“

Im Gegensatz zu dem für seinen unerwarteten Ruhm spürbar dankbaren Bandleader spricht Josh von den Eagles nie als seinem Nebenprojekt, sondern stets von „Jesses Band“. „Josh gebührt die ganze Ehre“, insistiert Jesse. „Er war es, der mich in die Rock’n ‚Roll-Weltgedrängt hat, zu einem Zeitpunkt, als ich dazu eigentlich gar nicht bereit war, weil mein Herz in ganz anderen Sphären schwebte. Meine Scheidung hat mich sehr mitgenommen und mein Leben ziemlich auf den Kopfgestellt. Am Sylvesterabend vor einem Jahr ist Josh in mein Haus eingehrochen und hat auf mich gewartet. Als ich schließlich kam, teilte er mir mit, dass wir bald eine Eagles Of Death Metal-Platte zusammen machen würden. An Widerspruch war da absolut nicht zu denken. Der Typ ist schließlich fast zwei Meter groß und dafür bekannt, Leute in den Arsch zu treten, die sich ihm in den Weg stellen.“

Hughes Scheidung War es, durch die die Dinge schließlich richtig ins Rollen kamen. Um die unerfreuliche Erfahrung zu verarbeiten, schrieb Jesse einen Haufen Songs, die meist sehr drastische Rachephantasien gegenüber seiner Ex-Frau zum Thema haben, ließ sich fette Tattoos verpassen und schlug auch in Sachen Sex und Drugs über die Stränge. Nachdem ein US-Magazin auch noch seine Vorlieben für Schusswaffen und Pornographie enthüllte, waren sich die Behörden wohl nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee war, diesem bekennenden “ Freak, der die Kerze immer von beiden Seiten gleichzeitig anzündet und gerne mit verbotenen Substanzen experimentiert“ (Hughes über Hughes) das Sorgerecht für den vierjährigen Sohn zu übertragen. Daher auch der heutige Gerichtstermin. „Es sieht aber ganz gut aus“, glaubt der ehemalige Politikjournalist.

Nachdem die Eagles Of Death Metal fünf Jahre ein eher theoretisches Dasein fristeten, waren sie im letzten halben Jahr gleich zweimal auf Tour, und das, obwohl ihr Debütalbum Peace Love Death Metal erst dieser Tage erscheint. Zunächst begleiteten sie Placebo auf deren US-Tour. Die nächste Tour als Support für die Band von Joshs Freundin Brody Dalle führte sie dann Anfang diesen Jahres auch auf den alten Kontinent. Da hatten die Eagles schon einen etwas schwereren Stand, gibt Jesse Hughes zu: „Die Distillers haben eine echte Hardcore-Punk-Anhängerschaft. Ein paar von denen standen immer ganz vorne und haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie uns auf den Tod nicht leiden können. Da standen jedes Mal ein Dutzend Leute, die mir die ganze Show über ihren Mittelfinger entgegengestreckt haben. “ Der Finger galt aber wohl eher Josh, der in der Punkszene momentan als böser Bube gilt, weil er das Taumpaar Brody Dalle und Tim Armstrong (der Rancid-Star) auseinandergebracht hat. „Darüber kann ich nur lachen „, regt sich Homme auf. „Was wollen diese Leute von mir? Die haben doch von nichts eine Ahnung, wollen sich aber in meine Privatangelegenheiten einmischen. Das geht mir nun wirklich am Arsch vorbei. Und was Rancid betrifft: Dies sind ein einziger Clash-Ripoff ohne musikalische Substanz.“

Nichtsdestotrotz hatten er und Brody auf der gemeinsamen Tour „eine großartige Zeit. Für uns war diese Tour eine gute Möglichkeit, Zeit miteinander zu verbringen und gleichzeitig gute Musik in die Welt zu bringen.“ Jesses Zeit war da nicht ganz so romantisch, hatte er sich doch am Abend vor der Abreise noch bei einem Autounfall zwei Rippen gebrochen und stand während der ganzen Tour unter dem Einfluss von „Medikamenten“. „Aber scheiß drauf, ich liebe es einfach, auf eine Bühne zu gehen und was auch immer dort zu machen. Ich spiele, ich singe, ich tanze und lasse mich auch gerne von den Leuten anfassen, das ist großartig.“ Ausfälle oder Katastrophen gab es bei den Konzertreisen sonst nicht zu beklagen, obwohl der Mann Unfälle magisch anzuziehen scheint. „Wir waren kaum wieder zurück, als Josh und Brody mich besuchten. Ich rannte die Treppe herunter, um ihnen die Tür zu öffnen, bin dabei ausgerutscht und habe mir den Schädel am Geländer aufgeschlagen. Der Riss war so groß, dass sie mir im Krankenhaus 27 Klammern in den Kopf gejagt haben. Aber Krankheit und Tod können mich nicht von meiner Rock’n’Roll-Mission abhalten. Ich bin ein Rockstar, der noch gar nicht richtig aktiviert wurde. Eine Rakete, die auf den Zündfunken wartet.“

Die Explosion dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Das Debütalbum, so gut es auch ist, markiert für Josh und Jesse nur den Startpunkt, den sie längst schon wieder weit hinter sich gelassen haben. „Speaking In Tongues“, die vergleichsweise heavy rockende Singleauskopplung, zu der sie gerade ein Video abgedreht haben, gibt dabei die zukünftige Richtung vor. Der Song, zu dem Brody ein paar Handclaps beigesteuert hat, wurde erst nach den eigentlichen Aufnahmesessions mit Alain Johannes von Eleven eingespielt und in Peace Love Death Metal eingefügt. „Das ist ein Vorgeschmack darauf, wie sich das nächste Eagles-Album anhören wird. Diese Touren waren natürlich ein sehr prägender Einfluss für mich, ich habe ja vorher nie in einer Band gespielt. Normalerweise geht man ja erst ins Studio, wenn alle Beteiligten über ausreichende Erfahrung verfugen. Die hatte ich absolut nicht. Ich habe es noch nicht einmal hinbekommen, ordentlich Gitarre zu spielen und gleichzeitig zu singen. Bei dieser Tour habe ich einiges von Timmy und Josh gelernt, und das hat meine Musik stark verändert.“

Wie sich Hughes‘ Musik vorher anhörte, kann man bald nacherleben: Sein bislang unveröffentlichtes Soloalbum Fabulous Weapons soll demnächst auf Hommes Label erscheinen, außerdem noch eine Vinylsingle namens „A Pair Of Queens“, die zwei QOTSA-Coverversionen („Go With The Flow“ und „Gonna Leave You“) präsentiert. Peace Love Death Metal enthält mit der Stealers-Wheel-Nummer „Stuck In The Middle With You“ auch ein nettes, allerdings wenig originelles Cover. „Ich kann den Song selbst kaum noch hören‘, räumt Jesse ein. „Es ist eine Verbeugung vor meiner Mutter. Sie liebt Stealers Wheel. Auf der nächsten Platte werden wir vermutlich ‚High Voltage‘ von AC/DC covern.“

Oder halt irgendwas anderes. An passenden Helden mangelt es dem 32-Jährigen jedenfalls nicht. Natürlich liebt er auch den King und kopiert ihn beim Singen bisweilen. „Elvis is the meaning of sexy! Wenn Weiblichkeit sexy ist, dann ist er auf jeden Fall die Nummer eins. Er hatte keine Hemmungen, und Sexiness sollte nicht davor zurückschrecken, sich selbst auf den Arm zu nehmen. Eine Rock’n’Roll-Band, die sich ihrem Publikum als ernst und wichtig präsentiert, ist doch einfach nur lächerlich, oder?“

Sicher. Aber bei allem liebevoll kultivierten Dilettantismus der Eagles können die beiden kaum verhehlen, dass sie zumindest die Musik sehr ernst nehmen. Die Gitarren klingen, als wären sie über ein altes Transistorradio abgenommen worden. „Die Amps, über die wir spielen, sind wahrscheinlich die miesesten Verstärker, die man überhaupt finden kann“, lacht Josh. „Der Sound, der da herauskommt, ist clean und dreckig zugleich. „Jesse sieht es pragmatischer. „Der trashige Sound sorgt dafür, dass sich die Fehler nicht nach Fehlern anhören.“

Der betont unkommerzielle Klang soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Jesse in seinem neuen Dasein als Sexidol und Rockmonster eine Chance sieht, die er mit aller Macht beim Schöpfe packen will. „Ich bereue nichts, was ich in meinem Leben gemacht habe, und ich glaube auch nicht, dass ich sonderlich viel verpasst habe. Jetzt habe ich eben mein Glückslos in der Rock’n’Roll-Lotteriegezogen und freue mich wie ein Kind über das, was momentan abgeht.

>>> www.eaglesofdeathmetal.net  >>>www.quotsa.com