Grünes blondes Monster


Loch Ness, Natur und aufregende Städte: Die Doves aus Manchester erzählen auf ihrem neuen Album von der weiten Welt.

Als Künstler kommt man rum in der Welt. Das führt noch nach Jahren dazu, daß einem Selbstverständlichkeiten an der Hirnrinde kleben bleiben. „Freilich wußte ich lange vor unserem ersten Besuch in Chicago, daß die Stadt über den einen oder anderen Wolkenkratzer verfügt“, sagt Jimi Goodwin, Sänger der Doves, „aber wenn man das erste Mal downtown ist. rennt man mit offenem Mund durch die Gegend und staunt. Ein seltsam-schönes Gefühl, der kleine Mensch und die großen Gebäude.“

Goodwin, gewandet in eine Armeejoppe mit deutschem Flaggenbesatz und ausgestattet mit einem Der-Mann-in-den-Bergen-Bart, qualmt Zigaretten, sieht komplett gemütlich aus, biegt seine Sätze aber so flink zurecht, wie ein Eichhörnchen Bucheckern sammelt. „Ganz anders ist das übrigens in der Innenstadt von Detroit. Da wird nur noch gearbeitet, da wohnt kein Mensch mehr Bei Nacht eine absolute Geisterstadt.“ Andy Williams, ein weiteres Drittel der Doves. außerdem Zwillingsbruder von Jez und im Gegensatz zu diesem an einem naßkalten Januartag in Köln anwesend, hat auch seine Städtebeobachtungen gemacht. „Salt Lake City in Utah geht gar nicht. Die haben da dieses konservative Familiending. Mormonenland, verstehst du?“ Bevor Andy zu einem religiösen Exkurs ansetzen kann, hakt Jimi ein. „Die Frage, die wir uns vor unserem dritten Album auch im übertragenen Sinn gestellt haben, ist: Wo kommen wir her, wo reisen wir hin? Wir wollten unsere Beobachtungen hier, da und dort aufklauben und all das in die Musik einfließen lassen. Was du intensiv erlebst oder auch nur vorbeirauschen läßt – all das macht dich stärker und kann dich weiterbringen.“ Goodwin lacht, nuschelt was von „Mordsmäßig klischeehaft, stimmt aber“ und ist dann schwuppdiwupp gedanklich auf dem Lande.

Den Feinschliff nämlich haben die Doves ihrer neuen Platte, die konsequent SOME CITIES heißt, in den schottischen Highlands verpaßt. In Loch Hess. „Sehr einsame Gegend“, schwärmt Goodwin, „inmitten einer dramatischen Landschaft. Aus dem Studiofenster hatten wir freien Blick auf den Ben Nevis (Anm. d. Red.: der höchste schottische Berg]. Und beim Spazierengehen haben wir natürlich Nessie getroffen. Sie ist weiblich und am ganzen Körper dunkelgrün. Keine Alters flecken.“

„Außerdem trägt sie eine blonde Perücke“, ergänzt Andy. Spätestens hier sind die beiden ganz eins mit ihrem Manchester-Kollegen Morrissey: „Dial A Cliche“? Bitteschön, schon geschehen. Was auch auf SOME CITIES wieder passiert ist: Die Doves haben es, etwa in der fabelhaften ersten Single „Black & White Town“, geschafft, das Gefühl eines klassischen Popsongs und den Beat eines Dancetracks miteinanderzu verschrauben. „Das hat nichts mit einer mathematischen Herangehensweise zu tun“, behauptet Jimi. „Das ist reine Rumexperimentiererei. Und unser Gefühl.“ Dann steht er auf und verläßt den Raum. Wo Nessie ist, weiß er; wo er Zigarettennachschub bekommt, wird er herausfinden.

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