Buch


128 Beats per Minute von Diplo *****

Fotosouvenirs von einem Weltreisenden in Sachen Partymusik

Thomas Wesley Pentz wurde in Mississippi geboren, wuchs in Florida auf, verbrachte als Kind Zeit in anderen Südstaaten: „I never got settled“, sagt er, aber genau deshalb sei es ihm stets leichtgefallen, sich anzupassen. Seine Karriere begann als DJ bei Blockpartys in Philadelphia, und schon diese Hollertronix-DJ-Sets waren berühmt für ihren wilden Stilmix. Als Produzent, Remixer und Labelmacher hat Diplo Baile Funk aus Brasilien, Cumbia aus Mexiko und Dub aus Jamaika mit HipHop- und Elektro-Sounds zu einem einzigartigen Gemisch verrührt, dessen sich Stars wie M.I.A., Beyoncé oder Usher bedienten. In diesem Buch präsentiert er Fotos von Shane McCauley, der ihn über sieben Jahre lang bei Auftritten in 32 Ländern wie Trinidad, Russland oder China begleitete. Die Auswahl aus 60 000 Fotos zeigt: Party-Euphorie ähnelt sich weltweit, aber die Detailunterschiede im Style sind spannend. Nebenbei tauchen allerlei Kollegen auf, deren Twitter-Accounts in den Bildunterschriften genannt werden. Es macht großen Spaß, zu blättern in diesem Buch, das mit einem passenden Motto von Friedrich Nietzsche endet: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“ Felix Bayer

Einige Abenteuer und seltsame Begegnungen im Leben des stillen Kommandeurs von HF Coltello

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Das Leben eine lange Leier: netter, leicht angeschrammter Rock’n’Roll-Roman von einem, der Ahnung hat

Am Ende erzählt HF Coltello das, was wir uns schon immer dachten: Das Leben als Rock’n’Roll-Künstler ist eines, das a) fast immer am Rande der Armutsgrenze stattfindet und b) von einer gewissen Unstetigkeit und vielen, vielen Autofahrten geprägt ist und außerdem einiges mit Rauschmittelgenuss und Gestalten zu tun hat, die man als Versicherungsmakler oder Bankkaufmann nicht unbedingt kennenlernen würde. Also keine Innovationsmedaille für den Mann, der dieser Tage bei der Band Mutter die Gitarre bedient. Aber andererseits liegt genau darin der Charme des Buches. Coltello nimmt uns mit in sein Leben. Er zeigt uns die Bruchbude im Allgäu, wo er als junger Mann lebt und das Kreuzberg der 80er-Jahre, aber auch die Rock’n’Roll-Clubs Amerikas. Er fährt mit uns kurz nach der Wende nach Osteuropa und irrt durchs nächtliche Istanbul. Und am Rand stehen nicht nur seine Freunde Hundzköter und Fucking Steve Hahn, sondern auch ein paar, die wir kennen. Knarf Rellöm huscht mal durchs Bild, Franz Dobler ebenso, auch Lydia Lunch winkt von Weitem. Wer sich für derlei interessiert, wird sich in diesem Buch zu Hause fühlen. Jochen Overbeck

Monster von Benjamin Maack ****

Unter deutschen Dächern passiert viel Verstörendes: gelungener Erzählungsband

Um mal Puff Daddy zu zitieren: „It’s all about the Benjamins.“ Alle Hauptfiguren in diesem Erzählungsband tragen den Vornamen des Autors, des 1978 geborenen Benjamin Maack, hauptberuflich Redakteur, früher mal zusammen mit dem Liedermacher Bernd Begemann Film-Podcast-Macher und schon seit Langem sehr aktiv in der unabhängigen Literaturszene Hamburgs. In seinem neuen Buch blickt er in deutsche Einfamilienhäuser und entdeckt dort emotionale Ausnahmezustände. Ein gefeuerter Chemielaborant drängt sich ins Haus eines zurückgezogen lebenden Paares herein, ein Housesitter macht sich versaute Gedanken über die minderjährige Nachbarstochter, ein Teenager steigert sich etwas zu sehr in die Gräuel der spanischen Kolonialisten hinein. Maack hat als Erzähler ein großes Gespür für die gesprochene Sprache. Wenn er die Gedanken seiner Figuren beschreibt, werden die Sätze abgehackt. Es entstehen Schleifen, Wiederholungen. Diese Monster brauchen keine Maskenbildner, ihren Schrecken verbreiten sie mit Allerweltsgesichtern und unter dem Allerweltsnamen Benjamin. Felix Bayer

The A to Z of Mod

von Paolo Hewitt & Mark Baxter

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Übersicht über den Mod-Kanon

Paolo Hewitt – einst als The Cappuccino Kid Liner-Notes-Autor für The Style Council und Buchautor über die Small Faces, Oasis und Paul Weller – sagt, dass sich die Original-Mod-Zeit auf die Jahre zwischen 1958 und 1963 beschränke. Aber Mod ist die Subkultur und eine Mode, die immer wiederkommt, vor allem wegen der Haltung, die der legendäre Satz „Clean living under difficult circumstances“ zusammenfasst. In diesem Buch wird nicht versucht, eine kohärente Mod-Historie aufzuschreiben, sondern es gibt knappe, anekdotische Einträge zum Zeichenarsenal und zu prägenden Personen der Mod-Kultur. So finden sich Clarks Desert Boots neben Rickenbacker-Gitarren, und nicht nur The Who oder Weller sind unter dem Buchstaben „W“ verzeichnet, sondern auch der Radprofi Bradley Wiggins, dessen Fred- Perry-Kollektion sich auf die Klassiker von damals bezieht. Ohnehin hat man den Eindruck, dass die Zeit, in der Mod auch etwas mit Evolution zu tun hatte, mit Acid Jazz und Britpop endet. Was danach kommt, ist retro. Die unterhaltsame Traditionsbewahrung von Hewitt und Baxter wird nicht dazu beitragen, den ursprünglich ausdrücklich modernistischen Geist der Mods zu erneuern. Es ist ein Schwelgen in einer allerdings sehr smarten Vergangenheit. Felix Bayer