Grunge vor Nirvana?


Kurz bevor das neue Album kommt, erklären Puddle Of Mudd dem ME den Rock'n'Roll.

„Danke, Mama!“, sagt Wes Scantlin (jo), zieht die Augenbrauen hoch und nickt bedeutungsvoll mit dem Kopf. „Ich schreibe Songs, seit ich elf oder zwölf Jahre alt bin. Ich konnte nie den Shitaus dem Radio spielen. Ich war total frustriert, aber meine Mum hat gesagt: ,Hey, schreib einfach deine eigenen Songs!‘ Ich bin sehr froh, dass sie mir das geraten hat.“ Ehre, wem Ehre gebührt – der Puddle-Of-Mudd-Sänger weiß genau, wem er zu verdanken hat, dass heute ME-Autoren in sein teures Hotelzimmer in L.A. geführt werden, denen er, breitbeinig, mit umgedrehter Baseball-Cap und schillernder Sonnenbrille, ausführlich vom Pferd erzählen darf. „Den Song ,Cloud 9′ auf dem neuen Album hab ich geschrieben, als ich 15 Jahre alt war. „Shit man, pretty goodfucking song“, findet er und lehnt sich zufrieden zurück.

Wir rechnen nach: „Cloud9″istalso 1988und damit ein Jahr vor Nirvanas BLE ach – entstanden. Muss die Geschichte des Grunge neu geschrieben werden? Wes ist noch lange nicht fertig. „Ich hab grungy shit‘ geschrieben, bevor ich von Grunge wusste“, prahlt er und schiebt sich eine Weintraube in den Mund. „Nirvana, Soundgarden, Pearl Jam– ich hatte keine fuckin Ahnung von all diesen Bands aus Seattle, bis ich 18 war. „Puddle Of Mudd – wurden sie über Jahre zu Unrecht als billige Kopie von Nirvana verkannt? Und überhaupt, „Grunge“. „Wir nennen es ,Superrock'“, stellt Wes ohne einen Anflug von Ironie klar, und wir notieren das artig. Am Abend unseres Gesprächs will der Meister noch ins Studio, um Vocals für das neue Album life on Display (24.11.) aufzunehmen, das „härter“ und „kantiger“werden soll. Der Druck ist enorm: Im Windschatten der Single „She Hates Me“ verkaufte sich das Major-Debüt come clean (2001) weltweit über vier Millionen mal und machte Puddle Of Mudd zum bis dahin erfolgreichsten Rock-Newcomer der Billboard-Geschichte. „Ich glaube nicht, dass wir Panik schieben „, sagt Wes und wird gleich ein bisschen stiller. Wie sich herausstellt, hat Fred Durst, der die Grunge-Lokalhelden aus Kansas einst unter Vertrag nahm, um sofort alle außer Wes durch seine eigenen Kumpels zu ersetzen, zwar schon ein paar Demos gehört, will sich aber bald ein genaueres Bild von den Aufnahmen machen. “ Wir werden ihm bald Work in Progress rüberschicken“, nickt Wes. „Aber er lässt uns schon Freiraum. Das ist cool, weil es scheiße ist, wenn jemandrumschnüffelt und sich einmischt. Fuck, Man, das ist nichts fiir uns.“ Schon die Tatsache, dass Durst auf COME clean als „Producer“ und „Executive Producer“ genannt ist, hat für böses Blut gesorgt.

„Wir sind natürlich dankbar, dass er uns unter seine Fittiche genommen hat. Aber ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Er hat noch nie einen Puddle-Of-Mudd-Songgeschrieben oder produziert“, sagt Wes.

Als wir Fred Durst selbst auf Puddle Of Mudd ansprechen, betont er wiederholt, dass die neue Musik der alten „bezüglich der Reife um Längen voraus“ sei. „Es könnte nicht besser sein. Wes hatte früher Songs mit lustigen, aber auch ein bisschen billigen Slogans, die man als seicht und clownhaft sehen konnte – ,Smack My Ass‘ und,She Fuckin‘ Hates Me‘. Jetzt nehmen sie unfassbare Rock-Songs auf. Wenn ihr erstes Album bleich war, dann wird das jetzt Nevermind, sagt er ernst. Dann schließt er mit einem überraschenden Statement: „Viele Leute werden die interessante Entdeckung machen, dass das eine echte Band ist.“ Als wir Freds Prophezeiungen übermitteln, rutscht Wes auf seinem Sessel hin und her. „Ich hab keine Ahnung, was er damit meint“, erregt er sich schließlich. „Ich will mal eines klarstellen -zum Mitschreiben: Ich hab diese Band ‚g3 gegründet Ich hab keine Ahnung, was das mit dem ,echte fucking Band‘ soll. Ich kann dir sagen, wer keine echte Band ist: die Boybands. Warum heißen die überhaupt Bands? Die sollten Boygroups heißen! Wir sind eine echte fucking Band, Mann!“