Guitar Legends


Die Flamenco-Wiege Sevilla, die spirituelle Heimat der Gitarre, war für fünf Tage Schauplatz des bislang größten Gitarren-Festivals aller Zeiten. Dahinter steckte einmal mehr der Special Event-Veranstalter Tony“.Tribute“ Hollingworth, auf dessen Konto die beiden Mandela-Tributes in Wembley „88 und „90, „The Wall“ in Berlin und „The Simple Truth“ ’91 gingen. Modelliert war das Festival nach dem Strickmuster der „Nights Of The Guitar“. doch während sich damals lediglich ein Sammelsurium von hasbeens ein Stelldichein gab. wurden für die „Guitar Legends“ die Gitarren-Götter ins andalusische Sevilla eingeflogen. Das Happening fand im — mit 5500 Zuschauern stets ausverkauften — Openair-Marmorpalast La Cartuja auf dem Gelände der kommenden Weltausstellung EXPO ’92 statt und soll, in verdaulichen Häppchen, weltweit im Fernsehen ausgestrahlt werden.

Die fulminanteste Nacht war zweifellos die dritte, am 17. Oktober, mit Keith Richards und Bob Dylan, der bloß mit Köfferchen und Manager nach Sevilla reiste und während der zwei Tage nicht einmal zum Manager ein Wort sprach, geschweige denn zu den Musikern während der Proben.

Musikalischer Direktor der Supernacht war Ex-Roxy Music-Gitarnst Phil Manzanera, der mit Jack Bruce und „Sunshine Of Your Love“ den Reigen eröffnete. Manzanera bat dann Sevillas 24jähriges Flamenco-Wunderkind Vicente Amigo auf die Bühne, gab im Anschluß — begleitet von den Studio-Cracks Pino Palladino (Baß), Simon Phillips (Drums) und Ray Cooper (Perc) — selbst einige schwelgerische Instrumental-Tracks seines letzten Soloalbums zum Besten. Sechs Tänzerinnen aus dem Flamenco-Film „Carmen“ lieferten eine temperamentvolle Einlage: Spaniens Superstar Miguel Böse schließlich interpretierte mit Manzanera den Klassiker „Sevilla“ in der Heimatsprache.

Mit Joe Cocker ging der Prominenten-Reigen weiter. Jack Bruce kehrte mit seinem „City Of Gold“ und Creams „White Room“ zurück. Dann der Höhepunkt: Bob Dylan. Mit Ex-Fairport Convention-Gitarrist Richard Thompson, der erst fünf Minuten vor dem Konzert von seinem Glück erfuhr, schrammelte Dylan vier Titel auf der akustischen Gitarre: „All Along The Watchtower“, „Across The Borderline“ sowie die Folk-Originale „Boots Of Spanish Leather“ und „Answer Me“. Nach der Ruhe dann der Sturm: Dylan und Keith Richards, zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder gemeinsam auf einer Bühne, gaben Bill Haleys „Shake, Rattle & Roll“ zum Besten. Richards brachte als Bassisten Steve Jordan mit, den Produzenten seines Virgin-Soloalbums TALK IS CHEAP. Von den Stones ließen sie lediglich das unbekannte „Connections“ von 1967 vom Stapel. Ansonsten zollten sie, unterstützt von Überraschungsgast Robert Cray, dem Blues und Rockabilly Tribut: etwa mit Freddie Kings „Going Down“ und Eddie Cochrans „Something Else“.

Bei der Schluß-Nummer schließlich standen nicht weniger als 18 Musikerlnnen auf der Bühne — nicht aber Joe Cocker, dem ohnehin nicht so recht klar war, was er auf einem Gitarristen-Festival verloren hatte; dafür mit Dave Edmunds und Stax-Legende Steve Cropper als Verstärkung. Immerhin stammte das Finale „Can’t Turn You Loose“ ja aus Croppers Feder.

Eine Zugabe wollten Dylan, Richards & Co. nach zwei knappen Stunden nicht mehr gewähren, trotz lautstarker Nachfrage. Für mehr Material hatten die knapp bemessenen Proben einfach nicht gereicht.