Serien-Kritik

„Halo“ auf Sky: Der Supersoldat aus den Videospielen menschelt


Der gezüchtete Supersoldat „Master Chief“ muss die Welt vor Aliens retten. Zugleich entdeckt er seine Menschlichkeit. Mit „Halo“ startet eine der größten Videospielreihen als TV-Serie und will dabei alte und neue Sci-Fi-Fans begeistern.  

Spartans sind keine Menschen, erzählt man sich. Etwa 500 Jahre in der Zukunft entstehen die Supersoldaten im Geheimen: Als Teil des „Spartan-II“-Programms entführt das Militär Kinder, verabreicht ihnen Medikamente, trainiert sie, lässt sie unnatürlich wachsen. In Kampfanzügen scheinen sie kaum bezwingbar, emotional stumpfen sie ab. Sie sollen menschliche Rebellen besiegen, die Planeten gewaltvoll vom Militärkommando UNSC (United Nations Space Command) loseisen möchten.

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Halo spielt 2552. Die Menschheit hat Planeten kolonialisiert und ringt nicht nur mit sich. Die Aliens der Allianz, ein Verbund verschiedener Rassen, bedroht sie. Auf dem Planeten Madrigal stößt der bekannteste Spartan, genannt Master Chief, auf ein Alien-Artefakt, flieht, und zieht den Zorn der Allianz auf sich.

Als wäre das nicht genug, scheint er sich an seine Familie zu erinnern. Das darf nicht sein, findet seine Schöpferin Dr. Halsey (Natascha McElhone). „Konzentriert dich lieber auf deine Mission“, rät sie dem Master Chief. Denn die Spartans dienen als kalte Kampfmaschinen, ihr Gedächtnis haben die Militärs eigentlich gelöscht. „Halo“ wagt einen Spagat, die Serie muss Fans genügen und ihr komplexes Lore allen anderen erklären.

In „Halo“ hinterfragt Spartan 117 alias Master Chief seine Identität, fordert das UNSC heraus und will wissen, wieso die Allianz das Artefakt mit religiösem Eifer jagt. Exotische Planeten, intrigante Aliens, der mysteriöse Supersoldat: Dieses Universum fasziniert Millionen Gamer weltweit.

„Halo“ begeistert Millionen Gamer

Seit 2001 hat Microsoft mehr als 81 Millionen seiner „Halo“-Spiele verkauft. Als Exklusivtitel treibt es die Verkäufe der Microsoft-PCs und ihrer Xbox-Konsole. Gaming ist längst die lukrativste Unterhaltungsbranche geworden: 2019 ließ es laut den Analyst:innen von „Newzoo“ mit 145,7 Milliarden USD Umsatz weltweit das Kino (42,5 Milliarden USD) deutlich hinter sich. Den neuesten Games-Ableger „Halo Infinite“ haben schon mehr als 20 Millionen Fans gespielt.

Logisch, dass Microsoft nun auch sein Flaggschiff „Halo“ verfilmt. Eine Serie oder einen Film hat der Konzern lange angedacht. Schon 2007 versprach der Kurzfilm „Landfall“ von „District 9“-Regisseur Neill Blomkamp eine dreckigere Variante des zuweilen bunten Alienspektakels. Ein Ridley-Scott-Film blieb ein Gerücht. Nun also versucht sich Paramount an „Halo“, und liegt dabei mit Kosten von 10 Millionen USD pro Folge etwa gleichauf mit der ersten „Game of Thrones“-Staffel.

Die Geschichte beginnt kurz vor dem Game-Prequel „Halo Reach“. In den Spielen besteht der Mythos Master Chief schon, andere Menschen fassen es kaum, wenn sie ihn sehen. Selbst die kleinwüchsigen Grunt-Aliens rufen „Da ist er“ oder laufen vor Angst davon. Wieso der Master Chief in den Spielen berüchtigt ist, will die Serie erklären. Dafür bricht sie mit einem Geheimnis: Nie erfahren Spieler:innen, welches Gesicht sich unter dem Helm des Master Chiefs verbirgt.

Anders sieht es in der Serie aus. Rebellin Kwan Ha (Yerin Ha) versteht nicht, weshalb der Master Chief nie seinen Helm absetzt. „Aus kampftaktischen Gründen“, erwidert er. Das ist sein Metier, Gefühle nicht. Wieso er, der bisher stets Befehlen folgte, die Rebellin Kwan rettet und sich damit gegen das Militär stellt, weiß er nicht. Der Blick unter den Helm hebt die Serie angenehm von den Spielen ab, Pablo Schreiber spielt dabei nah an der wortkargen Vorlage.

Wer sucht, findet Eastereggs aus den Spielen

In Kämpfen zitieren die Macher:innen das Spiel. Wenn der Master Chief auf Aliens ballert oder die Umgebung scannt, spielt sich das in Ego-Perspektive ab, also: aus der Sicht der Videospiele. Lädt sich das Energieschild von 117 auf, klingt das genauso wie zuhause auf der Konsole. Auch beim Alien-Design bleibt die Serie den neuesten Spielen treu. Die Propheten genannten Allianz-Anführer auf ihren fliegenden Thronen könnten auch den Filmsequenzen aus „Halo 2: Anniversary“ entstammen. Schließlich hat sich „Halo“-Entwickler „343 Industries“ an der Serie beteiligt.

Visuell hinterlässt „Halo“ einen gemischten Eindruck. Auf dem Planeten Reach gelingt der Serie ein Vista aus dutzenden Wolkenkratzern und Bergkulisse, der Master Chief fliegt sein Raumschiff spektakulär durch ein Asteroidenfeld. Doch die „Elite“-Aliens stammen eindeutig aus dem Computer. Die Räume in Allianz-Hauptstadt High Charity befremden mit ihrem Plastik-Apple-CGI-Look. In diesen Momenten wirkt „Halo“ wie eine kleine TV-Serie aus der Feder George Lucas‘.

Neulinge und alte Fans kommen nicht gleichermaßen auf ihren Kosten

Wer die „Halo“-Spiele kennt, weiß um ihr Potenzial. Der Master Chief hat noch viele Geschichten zu erzählen. Doch als TV-Serie für Nichtkenner bleibt „Halo“ mit Produzent Steven Spielberg bisher ordentliche Science-Fiction. Allzu große Schauwerte und mehr als Action-Durchschnitt erwarten Zuschauer:innen nicht, dazu ist die Serie zu konventionell. Ein geheimnisvoller Supersoldat fühlt plötzlich und lehnt Befehle ab, Aliens bedrohen die Menschheit. Verglichen mit anderen Videospielvorlagen schneidet „Halo“ gut ab, das dürfte vielen Fans reichen. Und eine zweite Staffel hat Paramount immerhin bestätigt.

„Halo“, seit 24. März 2022 bei Sky im Stream, 9 Folgen zwischen 50 und 60 Minuten