Horn Vorn


Sie haben "Die schlechtesten Platten der Welt". Die kalifornische Firma Rhino Records hält mit klingenden Kuriositäten das Horn in den warmen Umsatz-Wind.

Wie hf.isst das Gegenteil einer normalen Plaltenfirma? Die Antwort: Rhino Records. Seit ihren Anfängen befriedigt die kalifornische Firma die Bedürfnisse eines ebenfalls unnormalen Kundenkreises — Sammler klingender Kuriositäten, Nostalgiker und Audiophile. Retro pur: Der 1 ZOseitige Rhino-Katalog ist voll von Namen wie Shep & The Limelites, Grand Funk Railroad oder Aretha Franklin. Eine Firma für ewig Gestrige ist das Unternehmen mit Sitz in Santa Monica/Los Angeles deswegen aber noch lange nicht Im Gegenteil. 1978 aus einem vergleichsweise kleinen Plattenladen im Dunstkreis der University of California hervorgegangen, erwirtschaften die Firmengründer Richard Foos (43) und Harald Bronson (42) einen jährlichen Umsatz von 50 Millionen Dollar und beschäftigen immerhin 100 Mitarbeiter. Der wichtigste Angestellte heißt Bill Inglot. Bill gilt weltweit als einer der besten Tontechniker zum Entstauben der Original-Aufnahmen von Paul Anka über Lovin‘ Spoonful bis hin zu Frank Zappa. Er hat Rhino zu den angesehensten Wiederaufbereitern von verschütt geglaubten Kuriosa und Kostbarkeiten gemacht.

1978 machte die junge Firma mit einer Picture Disc der Sixties-Popkapelle The Turtles und mit Wiederveröffentlichungen von US-Legenden wie Ritchie Valens von sich reden. Berühmt-berüchtigt wurde Rhino jedoch mit einem Anti-Konzept: Sie stellten freche Kompilationen zusammen und griffen dabei ausschließlich auf Material zurück, das den großen Companies schlichtweg nicht gut genug war. Das brachte fette Publicity: So gilt ein Sampler mit dem bezeichnenden Titel „The World’s Worst Records“, der zusammen mit einer Kotztüte aus dem Flugzeug unters Volk gebracht wurde, längst als begehrtes Kultobjekt. Und auch der Lep Zeppelin-Klassiker „Whole Lotta Love“, auf Rhino Records in der Version einer zwölfköpfigen Formation namens Temple City Kazoo Orchestra, erfreut sich bis heute ungebrochener Beliebtheit in obskuren Jäger & Sammler-Kreisen.

Die zweite zündende Geschäftsidee: Kompilationen von längst vergangenen Bands (wie America oder den Yardbirds) mit dennoch quicklebendiger Anhängerschaft. „Ab wir anfingen“, erinnert sich Harold Bronson. „stellten wir fest, daß mein Partner Richard eine ganze Reihe von Aufnahmen besaß, die von der Industrie einfach nicht mehr nachgeliefert wurden. .Best Of Love‘ — gab ’s nicht. ,Best Of The Spencer Davis Group‘ — gab’s nicht. Eine Tragödie.“

Monatelang wühlten sich Bronson und Foos durch die staubigen Kellerarchive großer Platten-Firmen und begannen, das vor sich hin schlummernde Material mit Hilfe von (für Rhino nicht allzu teuren …) Lizenzverträgen wiederzuveröffenilichen. “ Und zwar besser als im Original“, wie Bronson betont. „Dazu zählten auch eine bessere grafische Gestaltung und bessere Begleittexte.“

Eine Marktlücke, die bald nicht mehr nur von Rhino gefüllt wurde: Längst haben auch die Großen der Branche das Umsatzpotential erkannt, das in ihrem Back-Katalog steckt — und verkaufen das Altmaterial auf eigene Rechnung. Findige Firmen wie Rhino werden dadurch immer seltener fündig. Um sich im verschärften Konkurrenzkampf behaupten zu können, schlössen Bronson, Foos und ihre hochprofessionelle Crew unlängst einen Vertrag mit Atlantic Records und sicherten sich so die Auswertung einzigartigen Materials. Der Katalog über die „Rhino Atlantic Remasters“ glänzt unter anderem mit Namen wie Ray Charles und Otis Redding.

Doch damit nicht genug. Seit einiger Zeit bemüht sich die Firma aus Kalifornien auch um den plattenkaufenden Nachwuchs — mittels einer Serie, die — nomen est omen — auf den hübschen Namen „Kid Rhino“ getauft wurde. Eher an Erwachsene dagegen richtet sich der größte Teil des Video-Angebots — nach Art des Hauses säuberlich selektierte Ware aus Bereichen wie Musik. Horror, Comedy, Classic Movies und Spezialitäten. Unter dieser Rubrik finden sich Kleinodien wie „Rhino’s Guide To Safe Sex“, Spannkraft-Konserven aus den 40er, 50er und 60er Jahren und — folgt man den Worten des Katalogs — „alles was man braucht, um ein glückliches, ausgefülltes Sexualleben zu führen“.