Hotlist 2017: R’n’B in DIY-Ästhetik und Fetish-Rap von Abra und Tommy Genesis


In Atlanta braut sich was zusammen: Abra ist mit ihren kühl pulsierenden Beats und der DIY-Ästhetik die R'n'B-Sängerin der Stunde. Tommy Genesis steht ihr in nichts nach.

In zartrosa Monster-Plateauschuhen steht Abra im Videoclip zu der fantastischen Single „Pull Up“ zwischen dilettantischen Graffitis an einer Straße in Harlem. Ein Wagen hält, sie lehnt sich in die Seitenscheibe. Kurz darauf beginnt ein nächtliches Abenteuer mit viel Rauch, Whiskey und sexy Rumgemache und Abra singt: „Get into trouble, get into trouble with me love!“ Irgendwann sitzt sie auf der Schnauze eines Quads, den Blick zum Fahrer, die Vorderräder heben sich in die Luft. Abra wirft den Kopf zurück, ihre Gold-Grillz glänzen im Straßenlicht. Und sie lächelt über das Freiheitsgefühl einer Nacht voller leichtsinniger Entscheidungen.

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Die Regie für den Clip hat Abra selbst übernommen – so wie eigentlich alles in ihrer Kunst. Die junge Sängerin aus Atlanta (von der bisher weder Alter noch Klarnamen bekannt ist) bearbeitet ihre R’n’B – Songs mit einer herrlich gelenkigen DIY-Ästhetik: Alles was man bisher von ihr zu hören bekam hat, hat sie allein mit Laptop und Standard-Musiksoftware in einem begehbaren Kleiderschrank aufgenommen. Kein Produzent im Hintergrund, kein Strippenzieher, kein Imageberater. In gewisser Weise steht Abra damit exemplarisch für eine ganze Schar junger, unabhängig arbeitender Frauen, die schon 2016 von sich reden machten und 2017 eine noch größere Rolle spielen werden.

Synthiemelodien und Drum-Machine-Konservenbeats, auf direktem Weg aus den 80ern importiert

Abras Bedroom-Musik ist eine aufregende, neue Variante von R’n’B: eine Art Post-Post-R’n’B. In den Ohren der Gegenwart mag das ähnlich eigentümlich und neu klingen wie zuletzt vielleicht FKA Twigs und ist doch ganz anders. Im Gegensatz zu Twigs klingt Abras Sound viel weniger bis ins kleinste Detail ausgefeilt. Ihre Songs zeichnen sich durch nervös scheppernde Synthiemelodien und Drum-Machine-Konservenbeats aus, die sie auf direktem Weg aus den 80ern importiert hat. Auf eben so einer geklöppelten Vintage-Soundsignatur beruhte 2015 auch ihr erster Internet-Hit „Fruit“. Über den kühl pulsierenden Beats schwebt und schlängelt und schmeichelt Abras hervorragende, bewegliche Zeitlupengesangsstimme und erzählt von hitzigen gefühlen, von Boys, Sex, Love.

Wie sich Abra ihren typischen Zuhörer vorstellt, erzählte sie in einem Interview mit dem „Crack Magazine“: „Jemand der einsam ist und verletzt, der die Menschen aber trotz allem liebt.“ Auch die Stimmung ihrer Songs ließe sich mit diesem verkorksten Verhältnis von Isolation und heißer Sehnsucht gut beschreiben. Wie so oft ergibt sich auch bei Abra die Musik aus der Biografie: geboren in New York, aufgewachsen in London, muss sie sich nach einem Umzug mit ihren missionarisch engagierten Eltern nach Atlanta mit dem Status als Weirdo abfinden: Eine Schwarze mit britischem Akzent, so was kennt man in den Südstaaten nicht. Zum Trost covert sie Hip-Hop-Songs mit der Gitarre und schließt sie sich irgendwann dem Kollektiv um das Selfmade-Label Awful Records an: ein bunter Haufen Außenseiter, deren Musik nicht zum populären Southern Sound passen will, die aber seit einer Hipness-Bescheinigung von Rap-Superstar Drake einigen Auftrieb bekommen.

Tommy Genesis: „Fetish Rap“ nennt sie ihre Musik: immer hypersexualisiert, nie aber auch nur einen Hauch anbiedernd

 

Teil des Kollektivs ist auch die Rapperin Tommy Genesis. Auf Abras „Princess“-EP rappt die Kanadierin über den langsam rollenden, staubtrockenen Beat von „Big Boi“: „I‘m not mad, I‘m just bored, so get this motherfucker off me.“ Im Gegenzug war Abra auf Genesis‘ bereits 2015 selbstveröffentlichtem Debütalbum WORLD VISION zu hören. 2017 soll WORLD VISION II als zweiter Teil einer Trilogie folgen, der ihren Bekanntheitsgrad deutlich steigern sollte. Ähnlich wie bei ihrer Label-Kollegin Abra sind auch bei Tommy Genesis die Beats bleiern und entschleunigt.

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„Fetish Rap“ nennt sie ihre Musik: immer hypersexualisiert, nie aber auch nur einen Hauch anbiedernd. Stattdessen trifft sie den Ton zwischen lasziv und saulässig. Hier rappt eine Musikerin, bei der Minirock, Sextalk und große Vision völlig widerspruchslos zusammengehen. „I‘m just executing my vision“, heißt es in „Execute“ – lass mich mein Ding machen. Und Abra? Es ist, als füge sie in ihrem Song „Roses“ hinzu: „I’m young and I’ll waste you anyway“ – ich bin jung und dich kriege ich auch noch klein.

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Screenshot Video „Execute“