Jack White: Lost in Translation


Das beste Album des Jahres 2003 entstand in einer Traumwelt in Erfüllung gegangener UJünsche. Jetzt zeigt die makellose Retro-Phantasie-Fassade der LUhite Stripes die ersten Risse. Schuld sind die Mädels von Hollywood, gebrochene Knochen und ein durchgedrehter Japaner mit Krabben an den Fingern..

MODERATOR: Hast du eine Dauerwelle machen lassen?

JACK WHITE: Äh, nein. Meine Haare sind von Natur aus lockig.

mODERRTOR: Oh, so bist du also wirklich.

JACK WHITE: Ja, wenn ich mich nicht kämme, sehe ich so aus.

TIODERRTOR: Wir haben uns schon mal getroffen. Damals hattest du richtig glattes Haar.

JRCK LUHITE: Yeah, das war, ähem … (lacht) … damals war mir eben gerade danach, schätze ich. [Es folgen 23 Sekunden japanische Übersetzung) „Ich bin für das seelische Gleichgewicht einiger Leute zuständig“, seufzt John Baker, Neuseeländer und Tourmanager der White Stripes. Diesem Zweck dienen seine emsigen Bemühungen, dafür zu sorgen, dass in den J-WAVE-Studios alles zur Zufriedenheit seiner Klienten läuft. Das Essen kommt von McDonald’s, Baker läßt es „warmhalten“ . Er hat durchgesetzt, daß die Studiobeleuchtung auf ein düsteres Glimmen heruntergedimmt wurde.

Wir haben nicht erwartet, viel von den White Stripes zu sehen, die üblicherweise großen Wert auf die Wahrung ihrer „geheimnisvollen Aura“ legen, aber gestern ist Meg White bis vier Uhr morgens mit den Reportern um die Häuser gezogen, hat Sake und Jameson-Whisky getrunken und sich in einer Nachtbar einen Dylan-Song nach dem anderen gewünscht. Heute ist sie um einiges unsicherer auf den Beinen als Jack, und das Grimassengrinsen, das ihr brüskes „Hello“ begleitet, spricht Bände. Trotzdem schlägt sie später tapfer auf ein paar Pappkartons den Rhythmus zu Akustikversionen von „Fell In Love With A Girl“ und „We’re Going To Be Friends“. Die beiden parieren absurde Interviewfragen, dann wird die Sache unangenehmer.

„Können wir ein paar Ansagen aufnehmen? ‚ fragt der Moderator.

Jack White macht ein gequältes Geräusch, ungefähr: „Uhwrrm“. „Ich hasse Ansagen“, grummelt er.

„Ihr müßtet erst eure Namen und, „Wir sind die White Stripes’sagen“, meint der Moderator. „Den Rest magst du dir vielleicht aufschreiben – es ist japanisch…“

„Lieber nicht“, sagt Jack. „Ist es okay, wenn wir das lassen?“

„Naja“, sagt der Moderator, dessen englischer Wortschatz wohl keine Ablehnungen umfaßt, „könntest du sagen: „Look, music comes‘?“

Das ist offenbar der J-WAVE-Slogan. Jack schaut verwirrt, aber schließlich gibt er sich einen Ruck, und die Prozedur nimmt ihren Lauf:

„Hi, hier ist Jack White.“

„Und hier ist Meg White.“

„Und wir sind die White Stripes. (Pause) Look, music comes.“

Die White Stripes und ihre Begleiter haben es eilig, die Räume von J-WAVE zu verlassen. Ein schwarzer Kleinbus bringt sie zurück ins Excel-Hotel in Tokyos Nobelviertel Shibuya. Wir folgen im Taxi; in der Lobby wollen wir uns zur Fortsetzung unseres Interviews wiedertreffen, dann folgt ein Fototermin in den Seitenstraßen von Shibuya. Es regnet, wie üblich im herbstlichen Tokyo; wir haben Schirme besorgt – einen roten Das erwähnte Beharren der White Stripes auf ihrer „geheimnisvollen Aura“ sorgt jedoch für neue Probleme. Meg und Jack wollen ihr Hotelzimmer grundsätzlich nur in typischer White-Stripes-Montur verlassen – angesichts Jacks sowieso mieser Laune an diesem Tag keine sehr glückliche Regel: Eine Schar japanischer Mädchen erkennt ihre Idole sofort, stürmt auf sie los und bedrängt sie mit CD -Hüllen und Filzern. Für Jack ist das der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Er rennt zum Hintereingang des Hotels und verschwindet. Zumindest heute wird es weder ein weiteres Interview noch Fotos gebea Ein panischer John Baker läuft zum Hotelaufzug, um Jacks Stimmung mit einem riesigen Schokoladeneis etwas aufzuhellen.

Schluß des J-UIRUe-InlaruiaiUB. Thema: der alarmierende Hang der White Stripas zu Knochenbrüchen:

mEG WHITE: Haja, in dem Video zu „The Hardest Button To Button“ trägt Jack einen Gips.

JflCK WHITE: Und meg trägt einen Gips in dem Video zu „Seven Naticn Army“. mODERRTOR: Vielleicht wäre es besser, ihr trinkt mehr … milch!

Teil eins unseres White-Stripes-Interviews unser einziges formelles Gespräch, wie sich herausstellen wird – am Tag zuvor, in einem Restaurant im obersten Stockwerk des Excel-Hotels. Meg in rotem Top und weißer Hose, Jack im schwarzen Anzug mit roter Krawatte und Sonnenbrille mit roten Gläsern. Seine Frisur ist in der Tat auffallend: zerzaust und nach hinten gebürstet; in seinem Anzug sieht er damit aus wie der Bräutigam bei einer Vampirhochzeit. Wie gewohnt rauchen beide Kette und sind so bleich, wie man sie kennt, abgesehen von auffälligen dunklen Ringen um Jacks Augen. Während der ersten 20 Minuten unseres Treffens zittern seine Hände, vielleicht wegen nervlicher Erschöpfung. Und mindestens zwei Mal äußern beide deutliches Heimweh nach Detroit. „Ich möchte jetzt sofort nach Hause fahren“, sagt Jack; ein angespanntes Lachen unterstreicht, wie ernst er das meint. Das aktuelle Kapitel in der Karriere der White Stripes begann im Oktober in Auckland. Seitdem sind sie pausenlos unterwegs, verbringen ihre Tage in Flugzeugen, von Wellington nach Sydney und weiter nach Melbourne, Adelaide, Perth, Brisbane. Dass Jack sich nach seinem Autounfall daran gewöhnen musste, seine Gitarre mit dreieinhalb statt vier Fingern zu spielen, macht die Sache nicht leichter. Wie um zu beweisen, dass ein Fluch auf den Knochen der White Stripes liegt, passierte das Unglück nur vier Monate nach Megs Handgelenkbruch in New York.

Rekapitulieren wir: Am 29. Juli, seinem 28. Geburtstag, fuhr White mit seiner zeitweiligen Freundin Renee Zellweger (die beiden sollen sich seither getrennt haben) durch Detroit. Jemand ist mir einfach vorne reingefahren, und der Airbag traf meine Hand am Steuer“, erinnert er sich, ohne die weibliche Begleitung zu erwähnen. „Ich merkte nichts von einer Verletzung, bis ich ausgestiegen bin und mich umgesehen habe. Es hat nicht wehgetan, aber ich dachte: So gebogen sollte der nicht sein. Er war echt merkwürdig gebogen. Und zertrümmert, von hier bis da (zeigt auf die untere Hälfte seines Zeigefingers). Die meinen, er muss vielleicht noch weiter behandelt werden.“

White ist seit langem ein begeisterter Amateur-Anatom mit einer Vorliebe für Live-Operationen im US-Fernsehen und medizinische Präparate in Formaldehyd. Er weiß daher beeindruckend genau über die Arbeit der Ärzte an seinem Finger Bescheid. „Sie haben die Sehne durchschnitten, um an den Knochen zu kommen und ihn reparieren zu können. Hier sind drei Schrauben (markiert ein Dreieckam Finger): eine nach unten, zwei in diese Richtung. Diese Bänder an der Seite sind stark entzündet. Ich spüre immer noch die Flüssigkeit und das Narbengewebe. Es wird lange dauern. Und die Schrauben bleiben für immer drin. Sie sind sehr dünn.“

Die Operation war bald danach auf der Website der White Stripes zu sehen . „Der Hauptgrund dafür war, dass ich, als ich den Film sah … Mir kamsofortin denSinn, dass die Leute sagen würden:,Oh, ihr sagt alle Konzerte in England ab‘-und niemand würde die Geschichte wirklich glauben. Es war nötig, zu zeigen, dass wir nicht nur einfach keine Lust zum Touren hatten. …Ich meine, wir haben keine Lust zum Touren, zumindest ich momentan nicht (grimmiges Lachen).

Aber dann ist mir auch der Gedanke gekommen, das wäre ein interessantes Statement zu … dieser Invasion von Prominenten- undReality-TV-Shows-so Zeug wie .MTVCribs‘, wo man Prominente daheim besucht und ihr Bad und Schlafzimmer gezeigt bekommt. Ich dachte: Well, das könnte eine interessante Satire über all das sein: Ich zeige euch das Innere meines Körpers. Ich glaube, man kann mit Extremen zeigen, wie blöd so kleine Sachen sind. Die Leute waren verwirrt, ob das nun ein Schritt war, unser Privatleben öjfentlichzu machen, was wir normalerweise nicht tun. Aber das war das Statement: Ich lasse euch in meinen Körper (lacht).“

Außer den erzwungenen Absagen der Festivalauftritte in Reading, Leeds und anderswo hatte Jacks Verletzung eine weitere Folge: Die Band konnte in dem Video zu ihrer ruppigen Coverversion von Burt Bacharachs „I Just Don ‚t KnowWhatToDo With Muself‘ nicht selber auftreten. Daher wurde der Auftrag ausgeschrieben; den Zuschlag bekam Sofia Coppola, die die witzige Idee hatte, Kate Moss beim Pole-Dancing zu zeigen. Bei jeder anderen Band hätte ein solches Video kaum Aufsehen erregt, aber vor dem Hintergrund von Jacks deutlichen Aussagen über die beklagenswerten Folgen einer Kultur totaler Käuflichkeit {„Die Moral vergangener Jahre stirbt … Es ist eine Welt, in der Freundlichkeit und Gentleman-Qualitäten keinen Platz haben“) wirkte so etwas zumindest fragwürdig.

„Sofia Coppola reichte nur einen Satz ein: Ich würde das Video gerne drehen und Kate Moss dabeihaben, in schwarzweiß, wie sie an einer Stange tanzt“, sagt Jack. „Alle anderen lieferten diese superlangen Beschreibungen von Videos, diesiefüruns machen wollten, und nichts davon erschien mir interessant. Sofias Ideegefiel mir, weil sie einfach und überzeugend war. Also ließen wir sie machen. Aber so glücklich bin ich darüber nicht“

„Ich dachte, es wird eher traurig, mit mehr Gefühl“, sagt Meg. „Ich wollte dieTänzerin als treffende Metapherfür Menschen, dienicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen, und deshalb sich selbst verkaufen, sich ausbeuten“, erklärt Jack. „Und diese Metapher kommt glaube ich nicht rüber. Es hat damit zu tun,Sexualität zu verkaufen. Nur ein Blick auf ihr Gesicht- eine Einstellung hätte das für mich rausgebracht. Man würde sagen: Genau davon handelt dieser Song. Aber so wie das Video ist, warmeine erste Reaktion: Wirhaben BurtBacharach beleidigt. Ich hoffe, er weiß, dass wir nicht bloß Unterwäsche-Reklame machen wollten, um unsere Albumverkäufe anzukurbeln.“

Jack behauptet, das Video – eigentlich nur für Europa produziert-sei ohne seine Zustimmung an US -Sender gegeben worden. Achselzuckend muss er zudem anerkennen, dass die altmodische Ethik der White Stripes nicht besonders gut zu dem Bild von FHM-Lesern paßt, die in Fun-Pubs die Video-Jukebox angaffen.

„Ich weiß“, nickt er. „Ich sehe das genauso. Und das Video wird in Amerika nicht laufen.“

White-Stripes-Intaruieiu auf J-UIRUE:

mODERRTOR: Das Konzert im Shibuya-HH hat mir wirklich sehr gut gefallen.

JRCK WHITE: Danke.

mODERRTOR: Du hast drei (Tlikrophone, Jack.

JRCH WHITE: Yeah.

mODERRTOR: In einer Rrt Dreieck.

JRCK UIHITE: Ja, ich muss … ahm … immer eines verfügbar haben.

mODERRTOR: Das ist toll.

JRCK WHITE: Veah.

(Es folgen 27 Sekunden japanische Übersetzung] Entgegen dem verbreiteten Rock-Klischee sind die White Stripes ein gutes Stück davon entfernt, „Big In Japan“ zu sein. In Tokyo spielen sie zwei Konzerte in der 1.500er-Halle Shibuya-AX, einer funkelnagelmodernen Schachtel, die schon durch ihren Sponsor (Nescafe) demonstriert, dass sie kein Ort für Rock’n’Roll-Ausschreitungen ist. Die Auftritte sind sehr unterschiedlich: Der erste, 90 kompakte Minuten lang, zieht seine Wucht und Kraft aus Strenge und Disziplin, wie schon der flammende Opener „Black Math“ signalisiert. Der zweite leidet offensichtlich unter Jacks nervlicher Zerrissenheit: eine etwas orientierungslose Angelegenheit, eingeleitet von einer spontanen Version des Stooges-Klassikers „I Wanna Be Your Dog“, die derart aus dem Ruder läuft, dass man streckenweise glauben könnte, Megund Jack spielten verschiedene Songs.

Nach der ersten Show begibt sich die ganze Band-Reisegesellschaft -begleitet von Jacks musikalischen Ziehkindern, den Indie-Newcomern Whirlwind Heataus Michigan,- in ein traditionelles japanisches Restaurant. Hier zieht man zum Essen die Schuhe aus. Meg, pflichtbewußt rotweiß-schwarz gekleidet, zeigt vorbildlich weiße Socken. Außerdem raucht sie beim Essen und gibt sich in bester Party-Laune, schießt Polaroids von allen und begleitet die Eskapaden der japanischen Musik-Biz-Kultfigur Hijack von der Extrem-Lärm-Band Guitar Wolf mit unablässigen Lachsalven. Hijack, dessen T-Shirt der Slogan „1 Hate School“ ziert, steckt sich Garnelen-Köpfe an die Fingerspitzen, brüllt „Rock’n’Roll!“ und knabbert die Krustenrierschalen ab. Als wir später aufbrechen, ist er gerade dabei, Nudeln in eine Bierflasche zu stopfen, und singt dazu den Refrain von „Highway To Hell“. Während eine endlose Parade von Sushi, Tofu, Sake und Sapporo-Bier in unser Separee getragen wird, entwickelt sich eine Diskussion über die Schrullen japanischer Etikette. Dem Reiseführer ist zu entnehmen: „Es ist nichts dabei, sich nachts mit Kollegen bis zur Bewusstlosiglceit vollsaufen zu lassen und sich entsprechend aufzufahren; tagsüber darüber zu sprechen, zeugt jedoch von sehr schlechten Manieren.“ Dies, meinen wir schelmisch zu Meg, sollte sie jedoch nicht übermäßig kümmern, schließlich trinken die White Stripes ja nicht, wie man hört. „Falsch „, sagt sie bestimmt, „Jack trinkt nicht!“

Wo sich Jack rumtreibt, während Hijack mal wieder eine „Handvoll“ Krabbenköpfe verspeist und Meg ihre Polaroids bewundert, bleibt ein Rätsel. Sein Pressesprecher meint, er diniere wohl mit Ian Montone. einem juristisch beschlagenen, stiernackigen, genialen Kalifornier, der als Manager der Band fungiert (und ganz und gar nicht aussieht wie jemand, der mit den White Stripes auch nur irgendwas zu tun hat). Am nächsten Tag danach befragt, behauptet Jack, er sei in seinem Hotelzimmer geblieben. Vielleicht hat er sich über die Widersprüche seines Erfolgs den Kopf zerbrochen. Schließlich ist er ein Mann mit geplagter Seele, wie sich in unserem Gespräch zeigt, als ich beide Whites frage, wie sich der Erfolg auf den jeweils anderen ausgewirkt hat. Die nichtssagenden langweiligen Antworten beweisen, daß die White Stripes Fragen dieser Art nicht sehr schätzen: „Ich glaube nicht, dass sich Meg verändert hat“, sagt Jack barsch. „Ich bin ständig mit Jack zusammen, also ist es schwer zu sagen, ob ersieh verändert hat“, meint M eg. .Andere Leute können das vielleicht eher sagen.“

Dann, ohne Vorwarnung, wird es spannend: „Ich erinnere mich, wenn ich an meine Teenagerzeit zurückdenke, da habe ich mich gezwungen, mich zu verändern „, sagt Jack. „Ich kannte so viele ältere Leute und charakteristische Dinge an ihrer Persönlichkeit, die ich in meinem Leben nicht wollte. Ich habe mich so gezwungen und so sehr selbst beobachtet, dass ich mich dauernd verändert habe, gezielt, immer wieder. Als Teenager war ich richtig politisch, und damit hörte ich einfach auf: hörte auf, eine Meinung über Politik zu haben und meinen Mund aufzumachen. Ich erkannte charakteristische Züge bei Menschen, wie Ego und Launen, und sagte mir: So was werde ich nichttun. Meine Selbstbeobachtung ging so weit, dassich mit 19 eine Art Nervenzusammenbruch hatte. Ich konnte nicht damit umgehen, wurde paranoid und hasste mich selbst. Ich erlaubte mir nicht, mich an irgendwas zu erfreuen. Reste dieser Verhaltensmuster haben sich bei mir erhalten. Ich nehme keine Drogen. Ich betrinke mich nicht. Habe nichts mit

Mädchen.DieganzeSachemitderBand… esistoffensichtlich, wiesehrwir uns die ganze Zeit selbst beschränken.“ Für eine solche Herangehensweise ist dieser Beruf denkbar ungeeignet. Das haut vielleicht bei einem Vertreter hin . ..“Ich weiß! Insgesamt bin ich glücklich damit, was dabei entsteht, weil ich weiß, dass wir nicht einfach bloßwas hinwerfen. Aber es ist keine Vergnügungsreise (lacht).“

Ist auch der Reichtum daran schuld? „Davon habe ich noch überhaupt nichts gemerkt. Ich muss mich zwar nicht mehr darum sorgen, dass Rechnungen bezahlt werden, aber ich war nie ein Mensch, der davon träumt, sich diese oder jene Gitarre oder sonst was zu kaufen. In den letzten drei Jahren habe ich mir genau eine Gitarre gekauft. Wenn ich eine Zeitmaschine hätte und mir selbst als 15-Jährigem erzählen würde, wie ich jetzt lebe, würde er sagen: Oh, ich möchte unbedingt diese Gretsch-Gitarre und den Fender-Amp kaufen. Aber ich mache das nicht. Ich hätte die Möglichkeit, aber ich lasse es.“

Dann muss es doch irgendwo einen unberührten Geldhaufen geben, der stündlich wächst.. .“Vermutlich, (lacht) Vermutlich.“

Ruazug aus dan latztan drei minuten de« J-IURUE-Intaruiauis:

fTIODERRTOR: Ihr seht euch beim Singen irgendwie an.

Ich habe das oft bemerkt.

JOCH WHITE: manchmal, ja. UJir uersuchen, die Songs jeden Ougenblick zu uerändern. Oder manchmal singen wir gemeinsam, um … äh … uns einfach an der Freudigkeit freudigen Singens zu erfreuen.

CEs folgen 20 Sekunden Übersetzung) Jack White hat kürzlich an einem Album der Country- Königin Loretta Lynn gearbeitet, auf dem er als Produzent und Arrangeur genannt wird. In dem Film „Cold Mountain“ (siehe auch Seite 102) spielt er den Ehemann von Renee Zellweger und ist mit Nicole Kidman, Natalie Portman, Philip Seymour Hoffman, Donald Sutherland und Ray Winstone zu sehen. Daneben richten Meg und er ihre Blicke auch auf das nächste White-Stripes-Album. Neue Songs sammeln sich langsam an; man könnte meinen, Jacks neueste Arbeiten müßten ein Licht auf seine derzeitigen Schwierigkeiten werfen.

„Tatsächlich habe ich gestern einen Song geschrieben „, sagt er. „Die letzten paar Wochen habe ich einfach dauernd über diesen Titel nachgedacht: .Let’s Play TheVictim‘. Er kommt mir immer wieder in den Kopf. Der erste Song, den wir je aufgenommen haben, war .let’s Shake Hands ‚.jetzt heißt es.“Let’s Play The Victim.“ Die momentane Lieblingslektüre des aus der Kirche ausgetretenen Katholiken ist ebenso vielsagend: „Ich habe Bücher über den heiligen Augustinus und Thomas von Aquin gelesen“, erzählt Jack. „Ich versuche herauszufinden, was beiden Heiligen unterscheidet und warum sie verehrt werden. Ich bin neugierig, warum die Kirche sagt: Du solltest das Leben dieses Mannes betrachten und sehen, wie es ist, so zu leben. Und ich habe mich mit den Styliten befasst, den Säulenheiligen, die sich pausenlos selbst misshandelt und sich keine Freude erlaubt haben.“ Die katholische Enzyklopädie führt die Säulenheiligen als ostchristliche Mönche des 4./s. Jahrhunderts, die manchmal jahrzehntelang auf Säulen standen, um sich zu kasteien. Zu ihnen gehörte auch ein Eremit in Palästina, der „in einer Höhle auf einem Berggipfel lebte und 25 Jahre lang sein Gesicht nicht nach Westen wandte“, sowie der berühmte Symeon, der sich der Weltlichkeit so lange immer weiter zu entziehen suchte, dass seine Säule, auf der er nach 40 Jahren Stasis (= unablässiges Stehen) starb, am Ende 18 Meter hoch war. Möglicherweise lassen sich da Parallelen ziehen zu einem Musiker, der von seinem letzten Album gut über eine Million Stück verkau ft hat, sich aber weder ein Glas Wein noch eine neue Gitarre gönnt.

Unsere Zeit im Restaurant des Excel-Hotels in Tokyo ist beinahe um. Durch den dichten Zigarettenrauch sind die White Stripes kaum noch zu sehen; und die letzte Frage lautet: Hat Jack je versucht, das Rauchen aufzuhören? Er lacht dröhnend. „Nein. Nein! Ich könnte. Ich könnte aufhören und nie mehr anfangen, ganz sicher, aber ich habe ja sonst keine schlechten Angewohnheiten. Ich meine“, sagt er und bläst die nächste Qualmwolke Richtung Boden, „eine Sache muss ich mir ja erlauben.“

Danke dafür: Für Geschichtsbewusstsein und vorbildliche Erziehungsarbeit. Auf ihren Singles covein The White Stripes obskure Songs von Captain Beefheart, Dolly Parton und den Soledad Brothers für die musikalisch Ahnungslosen.

UJas hat Bf uns beschert? Er hat dem Rock’n’Roll seinen guten Namen zurückgegeben.

Das wollen wir als nächstes uon ihm: Jack White soll sich bitte der drohenden Glamourisierung und Led-Zeppelinisierung der White Stripes widersetzen und gefälligst weiterhin nur das machen, was er machen will.