Jimmy Barnes


In Australien gehört er zur ersten Wahl, in Europa ist er immer noch ein Geheimtip. Sein Erfolgsrezept: Nur wo Schweiß rauskommt, ist auch Rock'n'Roll drin

Der australische Jazzgitarrist Frank Gambale pflegte bei seinen Interviews der allgemeinen europäischen Unwissenheit gegenüber dem Fünften Kontinent mit der Phrase „Hallo ich bin Frank und in Sydney gibts keine Känguruhs“ zu begegnen. Jimmy Barnes ist kein Mann des feinsinnigen Sarkasmus. Statt dessen gibt’s einen schraubstockmäßigen Händedruck. Der gebürtige Schotte, immer noch Australiens Aushängeschild in Sachen Rock, verkörpert den Typus des kumpelhaften Arbeiters, die ehrliche Haut. Legendär die Zeiten, in denen er mit seiner Kultband Cold Chisel nach schweißtreibenden Shows Stammgast im Sauerstoffzelt war, respektlos die Bühne der australischen ‚Countdown Awards‘ zerlegte, weil er zum Vollplayback mimen sollte. Dem Sänger war es egal, ob seine Songs von den heimischen Radiosendern boykottiert wurden, oder ob er von den Medien zum notorischen Unsympathen abgestempelt wurde. „Ich war einfach wild, habe ein bißchen viel getrunken und ein wenig gerauft“, meint er rückblickend: „Für mich gibt es nur Schwarz und Weiß, kein Grau.“ Die Wodka-Flasche begleitet ihn auch noch heute, wenngleich eher als Relikt vergangener Zeiten, als er im Duett mit Joe Cocker den Song ‚Guilty‘ intonierte, in dem beide Schnapsnasen ihre Haßliebe für Hochprozentiges besangen.

Jimmy Barnes ist ruhiger geworden. Und älter. Mittlerweile hat er den Rock’n’Roll-Lifestyle gegen ein beschauliches Landleben in der französischen Provinz eingetauscht, wo er im Haus seines Schwagers Johnny Diesel lebt. Von seiner thailändischen Frau hat er buddhistische Meditation gelernt und erfreut sich der mediterranen Lebensqualität in Aix-en-Provence – und die australische Steuerfahndung, mit der er seit Jahren auf Kriegsfuß steht, guckt in die Röhre.

Daß sein neues Album ‚Psyclone‘ recht beschaulich ausgefallen ist, wundert nicht. „Musik ist ein Produkt deiner Umgebung“, weiß auch Barnes, „und die Provence birgt eine ungeheure Lebensqualität. Hier kann man sich an jenen Farben berauschen, die die Expressionisten liebten. “ ‚Psydone‘ ist das Protokoll eines Musikerdaseins. „Eine rauhe, emotionale Kollektion von Gedanken“, so Barnes Fazit, „egal, ob die Leute das nachvollziehen können. Hauptsache, das Album ist ehrlich. Nur das ist wirklich wichtig. Ich könnte nie singen, was ich nicht fühle.“ Angesichts der balladesken Tracks auf ‚Psydone‘ kommt der psychische Wirbelsturm eher als sanfte Brise daher, auch wenn Barnes den Eindruck nicht teilen kann: „Das Album ist gar nicht so ruhig, es klingt für meine Verhältnisse eher ungewöhnlich. Das Leben hier in Frankreich gab mir die Chance, mich zurückzulehnen. Ich habe meine Erlebnisse niedergeschrieben, betrachte sie und lerne daraus“