Journey


Westcoast-Sound. Viele Leute verbinden damit Namen wie Jefferson Airplane, Greatful Dead oder Quicksilver Messenger Service. Doch der Westcoast-Sound hatte stets ein weitaus breiteres Spektrum zu bieten als ellenlange Gitarrenduette und Acid-Space-Geflirre: Man denke etwa an Steve Miller, den manchmal recht Blueslastigen, an die Byrds mit ihren FoBcund Country-Einflüssen oder gar an die Beaeh Boys. Aufs Ganze gesehen fehlte der Palette des Westcoast-Stils bislang eigentlich immer nur der Hard Rock, denn auch die Flamin‘ Groovies, Kaliforniens härteste Band, bot eher Rock’n’Roll als alles andere.

Mit Journey aber ist nun auch diese Lücke geschlossen worden, und das gleich in bemerkenswerter Form: Die Kalifornier sind mittlerweile imstande, so mancher gestandenen Hard Rock-Band das Hemd hochzuheben.

Journey hatte mit Startschwierigkeiten zu kämpfen; nicht nur, weil der ursprüngliche Schlagzeuger Prairie Prince (von den Tubes) alsbald das Weite suchte, sondern auch, weil die Band mangels Promotion und aufsehenerregendem Image zunächst kaum beim Publikum ankam. Auch manchem bundesdeutschen Fan kam der Name Journey wohl ziemlich neu vor, als die Band Ende letzten Jahres im Vorprogramm zu Santana auftrat; allerdings besteht die Gruppe bereits seit zweieinhalb Jahren.

Auf dieser ersten BRD-Tournee wurde Journey denkbar schlecht angeboten: Das P.A.-System ließt die Band schwächer klingen, als sie tatsächlich spielte, viele Fans dachten schon mit beiden Ohren an Santana, die Hauptattraktion, und schließlich durfte Journey auch bloß eine knappe Dreiviertelstunde spielen — warum? „Daß wir nur so kurz auftreten, das war von vorn herein abgemacht , meint Gregg Rolie achselzuckend, mutmaßlich die wahren Gründe verschweigend: Eine Band wie Journey ist für ein Vorprogramm zu stark und muß daher künstlich amputiert werden, in diesem Fall primär durch zeitliches Limit. Aber ihr hättet doch hier bei uns eine bessere Chance verdient oder? „Tja, wir haben uns drüben in den Staaten auch langsam emporarbeiten müssen, das fangen wir hier jetzt eben auch an — ist fast schon Routine“, erklärte Neil Schon.

Daß die Musiker solchen Verdruß ohne Bitterkeit hinnahmen, liegt wohl an ihren langjährigen Erfahrungen im Rockbusiness. Noch vor ein paar Jahren nämlich, als alle Welt gleich etwas von „Supergroup“ faselte, wenn da eine neue Gruppe mit bekannten Musikern auftauchte, da hätten Journey den Vogel abgeschossen, was ihre Besetzung anbelangt: Ohne Gregg Rolie (keyb, voc) wären Santana’s Alben „Santana“, „Abraxas“, „Third Album“ und „Caravanserai“ sicher erheblich schlaffer geworden (man höre diese LPs mal unter diesem Aspekt an); Neil Schon,der erste, zweiundzwanzigjährige, hochbegabte Gitarrist, wirkte ebenfalls — während des dritten und vierten Albums — bei Santana mit; Ross Valory (bg) zupfte 1971 auf Steve Miller’s Platte „Rock Love“ die Saiten, was umso mehr zählt, als Steve Miller in bezug auf seine Begleiter als extrem wählerisch gilt. Über Drummer Aynsley Dunbar könnte man sogar eine besondere Story schreiben: Der Engländer war nicht nur vielbegehrter Studiomusiker, sondern gründete bereits Mitte der sechziger Jahre die potente Bluesband Aynsley Dunbar Retalisation, wechselte dann nach unerquicklichen Versuchen mit seiner Mitglieder ihre Musik locker aus dem Ärmel schütteln und sich durch merkwürdige Gepflogenheiten des Rockgeschäfts nicht mehr aus dem Gleichgewicht bringen lassen. Und nicht Glitzerhose oder Horror-Maske, sondern schlichtweg Musik, präsentiert im harmlosen T-Shirt, soll der Band Ruhm und Anerkennung bringen. Doch eben dies fällt in heutigen Rock-Zeiten nicht leicht. Aber wer einmal eine Journey-LP auf seinem Plattenspieler liegen hatte, vor allem, wenn es nicht das Debutalbum „Journey“, sondern „Look Into The Future“ war, wird die Scheibe wohä auf Anhieb liebgewonnen haben. Auf der einen Seite Rolie’s flächiges Orgelspiel, daneben die mitunter verzwickt rollende Basis durch Dunbar und Valory, und im spannungsreichen Kontrast dazu die singenden Gitarrensplitter aus Neil sätzlich eigenes Material, was auch „Next“ zeigt, das dritte Album der Band. Dabei teilen sich nicht nur Rolie, Schon und Valory paritätisch das Komponieren, sondern lassen auch Ross’s Ehefrau Diane und George Tickner ans Notenblatt.

Gitarrist George Tickner war übrigens anfangs der fünfte Journey-Musiker, er stieg jedoch nach dem ersten Album aus.

„George war das ständige Herumreisen leid“, meint Gregg, „und arbeitet heute als chirurgischer Assistent — glaub‘ es oder glaub‘ es nicht -— in einem Krankenhaus. Trotzdem taucht er noch öfter bei uns im Studio auf, trägt einen neuen Song unterm Arm und so — wir sind echt froh, daß er noch teilweise dabei ist“.

Und warum sind Neil und Du, Gregg seinerzeit bei Sanatna ausgestiegen? „Hauptsächlich aus musikalischen Gründen, wir wollten etwas eigenes auf die Beine stellen und außerdem…“ Carlos Santana’s Guru-Trip?! „Hm, ja…also wir hätten kein Album mit Alice Coltrane eingespielt, alles klar?“ Völlig! Journey’s Hard Rock verträgt nämlich keinen Firlefanz, sei er optischer, religiöser oder musikalischer Herkunft. Deshalb tritt das Quartett völlig unprätentiös auf und hofft darauf, daß endlich einige Fans mehr die subtilen Haken und Ösen in seinem Sound erkennen. Denn nicht nur für den Hard typische pure Energie, sondern auch erstaunliche Instrumentaltechnik und nicht zuletzt flockiger Hauch Latino-Flair schwingt hier in den Rillen mit – Journey’s Hardrock reist gleichsam auf leisen Latino-Sohlen.