Justice


Franzosen mit Beat I: Dic beiden Lederjackenmänner sind eine Band der Mitten.

Krasse Sache, dieses Internet: ein echtes Dorf. Und Myspace: eine riesige Stammkneipe. Nicht sonderlich elitär zwar, aber immerhin mit Gästeliste. Und – seien wir doch ehrlich – wir stehen alle drauf, draufzustehen. Zumindest beim Myspace Secret Gig des französischen Duos Justice geht die Rechnung perfekt auf: Weit mehr als die fürden Club zugelassenen 600 Gäste wedeln mit ihren ausgedruckten Myspace-Profilen. Wer sowohl Justice als auch die Veranstalter in seinen Topfreunden untergebracht hat. kommt kostenlos rein-sofern man sich früh genug angestellt hat. Viele müssen wieder nach Hause gehen.

Umso ausgelassener die Stimmung im Bunker: Knicklichtgewitter. Gejohle, das ganze Programm. „Gib den Leuten was umsonst, und gleich drehen sie durch“, murmelt halb ehrfürchtig, halb sich fürchtend jemand hinter mir, und ich muss zugeben: Recht hat er. Als gegen 23 Uhr zwei Gestalten in der Lücke der monströsen Marshall-Wand auf der Bühne auftauchen und das Justice-Kreuz zu leuchten beginnt.gibt es kein Halten mehr. Crowdsurfer im Ue&G, das gab es meines Wissens noch nie. Schon bald entledigen sich die ersten Bodybuilder ihrer T-Shirts und zeigen ihre Tribal-Tattoos. Rave der ganz alten Schule. Daneben stehen ganz normale Indiekids, gucken ihre Knicklichterund/oder Neonschnürsenkel an (Indierave is the new Indierock) und hoffen wahrscheinlich, in diesem Tumult hier nicht allzu stark angeschwitzt zu werden. Ein gemischtes Publikum, wie man es selten sieht.

Umso angenehmer, dass irgendwann doch alles tanzt und lacht, während die beiden Lederjackenfranzosen den statischen Kontrast zur Musik bilden. Wo ist der Bass? Könnte der nicht lauter sein ? – Keineswegs. Justice sind offenbar erklärte Mitten-Fans. Die werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufgerissen und wirken wie ein Instant-Rausch. Alles reißt die Hände hoch, springt, kreischt. Das ist ganz schön prollig. aber auch ganz schön geil. Auch wenn ich diesen Knicklichter-Wahnsinn nicht ganz verstehe. Dann: „DAN.C.E“. „Vocals Matter!“ sollte ab sofort auf je mindestens einem T-Shirt im Minimal-Club stehen. Schon wieder von einem Tribalmann angeschwitzt worden. Egal. „We Are Your Friends“, und so. Und immer wieder die Mitten. Was würde wohl passieren, wenn die beiden sich plötzlich auf den Bass konzentrierten? Ob dann alles in die Luft flöge? Ob noch mehr Leute Crowdsurfen zum Volkssport erklären wollten? Ob die Knicklichter bersten und ihr giftiges Inneres vergießen würden ? Man wird es nicht erfahren, denn Xavier de Rosnay und Gaspard Auge konzentrieren sich auf die Mitten. Mitten zwischen zwei Marshall-Wänden. Fast regungslos. Ziemlich prollig. Aber auch ziemlich cool.

www.edbangerrecords.com