Kaufanleitung: Die besten Alben von Mazzy Star im Ranking
Von SHE HANGS BRIGHTLY bis SEASONS OF YOUR DAY: Eine Kaufanleitung für Mazzy Star.

Im Los Angeles der 80er, im Schatten der Traumfabrik, fanden Hope Sandoval und David Roback zusammen. Zwei introvertierte Seelen, die den Sound der 60er genauso liebten wie die Dunkelheit. Ohne die kalifornische Schwermut ihrer Band Mazzy Star würde die Aussicht aufs Alleinsein weniger tröstlich klingen – und Lana Del Reys Abgesang auf das alte Hollywood nicht so wohlig noir. Wir werfen einen Blick auf die Diskografie der Band.
MAZZY STAR: Diskografie
SHE HANGS BRIGHTLY
1990
Nur nicht vom poppigen, jingle-janglenden Opener „Halah“ täuschen lassen: Abgesehen davon, dass schon dieser bezaubernde Song in Wahrheit morbide as hell ist, könnte man SHE HANGS BRIGHTLY überhaupt als Rock- und Bluesalbum der Band bezeichnen. Mazzy Star covern Slapp Happy („Blue Flower“), die Blues-Sängerin Memphis Minnie („I’m Sailing“) und klingen in „Taste of Blood“ tatsächlich ein wenig wie Hope Sandovals Idole, die frühen Rolling Stones.
„Ghost Highway“, der einzige Song aus Opal-Zeiten, klaut unbestreitbar bei „My Eyes Have Seen You“ von den Doors, obwohl der Titel an „Ghost on the Highway“ vom Gun Club erinnert. Die waren mit ihrer wilden Country-Punk-Fusion zwar in einer anderen Szene als Mazzy Star unterwegs, spuken aber als vage Idee trotzdem durch die dunklen Nachts-in-der-Wüste-Songs dieses unfassbaren Debüts – das aber auch ganz sanft kann: Mit „Give You My Lovin“ hat es auch ein frühes, feines Stück von Sandovals Folk-Duo Going Home auf SHE HANGS BRIGHTLY geschafft.
★★★★★
SO TONIGHT THAT I MIGHT SEE
1993
Was nach einem Opener wie „Fade Into You“ noch kommen kann, einem Song, der so offensichtlich und objektiv schön ist wie der verdammte Sternenhimmel? Alles. Zunächst mal: weißes Rauschen und eine Melodie, die zäh wie süßer Sirup fließt („Bells Ring“), ein gruseliger, von Gitarrendrones getriebener Irrlauf durch die Nacht („Mary of Silence“); ein sanftes Cover von „Five String Serenade“, einem Stück des Love-Sängers Arthur Lee, und ein Schlaflied für lebensmüde Seelen („Blue Light“) und ein Beinahe-Grunge-Song („She’s My Baby“).
Jedes Stück auf SO TONIGHT THAT I MIGHT SEE ist ein Hit, bis zum krönenden Schluss im ewig seine Schleifen drehenden Titeltrack Syd Barretts Echo ins L.A. der Neunziger hallt. Vollkommener wurden Gefühle von Wehmut, Isolation und Unbehaustheit nie auf einem Album ausbuchstabiert. Und wir legen uns hiermit fest: „Into Dust“ ist der traurigste Song auf der ganzen Welt.
★★★★★
AMONG MY SWAN
1996
Ob es die Weigerung war, der Plattenfirma ein zweites SO TONIGHT THAT I MIGHT SEE zu schenken? Oder einfach die Liebe zum Folk der 60er- und 70er-Jahre? Auf ihrem dritten Album schraubten Mazzy Star die Lautstärke herunter, schonten die Effektgeräte und schielten stärker denn je gen Laurel Canyon.
„Flowers in December“ klingt so sehr nach Neil Young, „Cry, Cry“ sogar so exakt wie „Helpless“, dass man jedes Mal stutzt, wenn statt Old Neils Fistelstimme plötzlich Hope Sandoval zu hören ist. Wenn wir außerdem beim Thema „Exzessiver Gebrauch von Mazzy-Star-Songs in Kino und Fernsehen“ sind: Der tieftraurige Abschiedssong „Look on Down from the Bridge“ lief schon bei den „Sopranos“ und in der Zeichentrickserie „Rick and Morty“.
★★★★★
SEASONS OF YOUR DAY
2013
Es gibt Bands, die tauchen nach Jahren der Stille wieder auf, machen das Gleiche wie immer – und kriegen dafür auf den Deckel. Und es gab Mazzy Star, denen Fans und Kritiker*innen vor lauter Freude über das unerwartete Wiedersehen durchgehen ließen, dass einfach alles klang wie gehabt: Robacks Sound zwischen Lou Reed und Neil Young, der spukige Country, die verhallten Slidegitarren, Sandovals mal sehnsuchtsvolle, mal ernsthaft resignierte Vocals: „Give me one bottle of wine and two for the road“, singt sie in „Sparrow“. Nur die Übersingle, die fehlte hier irgendwie.
★★★★☆
STILL
EP
2018
„Quiet, The Winter Harbor“ ist ein Requiem am Klavier, das Titelstück führt einen tief hinein in den kalten Wald. Dass die finale EP vor David Robacks Tod mit einer noch spukigeren Version des 25 Jahre alten Songs „So Tonight That I Might See“ endet, ist irgendwie unheimlich – aber auch sehr passend als Schlusspunkt der Karriere der großen Künstler*innen des Verschwindens.
★★★★★
VOR MAZZY STAR
OPAL
HAPPY NIGHTMARE BABY
1987
Wenn man im großen Schlaubergerlexikon „Übersehene Geniestreiche“ nachschlägt, findet man da einen Eintrag zu HAPPY NIGHTMARE BABY. Die erste und einzige LP von David Robacks und Kendra Smiths Projekt Opal verbindet die Unverschämtheit von T. Rex mit dem okkulten, mit schweren Lidern gespielten Proto-Gothic-Psych-Rock von The Velvet Underground zu Nicos Zeiten. Dazu ein bisschen Kammermusik – und ein verführerischer Titelsong, der sich anfühlt wie ein benebelter Trip auf der Gegenfahrspur.
★★★★★
NACH MAZZY STAR:
HOPE SANDOVAL AND THE WARM INVENTIONS
BAVARIAN FRUIT BREAD
2001
Mark E. Smith, Sänger von The Fall, hat mal den legendären Satz gesagt: „Auch wenn’s nur ich und deine Oma an den Bongos sind, dann ist es immer noch The Fall.“ Ähnlich verhält es sich mit Hope Sandoval: Wo sie draufsteht, ist Mazzy-Star-Feeling drin. Mit ihrem Soloprojekt, an dem Colm Ó Cíosóig von My Bloody Valentine beteiligt ist, covert sie The Jesus and Mary Chains „Drop“ und hat den britischen Folkie Bert Jansch eingeladen, den Mazzy Star immer als Einfluss genannt haben. Aber niemand unter diesen Berühmtheiten lässt Sandovals außerweltliche Stimme so leuchten wie der Psychedelic-Experte Roback.
★★★★☆
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