Kraft durch Schönheit


Die Entstehungsgeschichte des Projektes dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben: Duran Durans Gitarristen John und Andy Taylor treffen in einer Disco auf Robert Palmer und den Chic-Schlagzeuger Tony Thompson. Sie beschließen, irgendwann ihre Musen vereint in die Manege zu schicken. Es dauert beinahe drei Jahre, ehe diese Idee Wirklichkeit wird.

Die Entstehungsgeschichte dieses Interviews hingegen umspannt nur drei Wochen und findet in zwei Etappen statt. Zum ersten Dale im exklusiven Londoner Montcalm-Hotel erscheint „nur“ Sänger Robert Palmer; John Taylor läßt sich wegen Unpäßlichkeit entschuldigen. Das führt zu folgendem Gesprächsbeginn:

Es ist bedauerlich, daß John nicht anwesend ist: die Fragen richten sich ja vor allem an euch beide „Oh, ich bin durchaus kompetent, für John zu antworten. Aber wenn ME/Sounds so großen Wert auf seine Anwesenheit legt, kannst du vorgeben, daß er hier war. Niemand wird den Unterschied bemerken. John ist im Geist anwesend. Fangen wir also an.“

Sowohl Duran Duran als auch du versuchen ja wohl, verschiedene Richtungen der Populärmusik stilistisch zusammenzulassen, insofern …

„John ist seit sechs Jahren bei Duran Duran. In den letzten zwei Jahren sind die Dinge für ihn etwas aus dem Ruder gelaufen, weil zu viel Gewicht auf den Star-Rummel gelegt wurde. Deshalb entschied er sich, wieder an den Ausgangspunkt zurückzukehren – nämlich dahin, wieder Musik zu machen.

Man könnte sagen, daß er die ursprüngliche Idee von DD erneut aufnahm, eine Mischung zwischen R&B-Disco und Punk zu machen. Und in der Gruppe brauchen sie nun mal fünf starke Persönlichkeiten, um die Dinge am Laufen zu halten. Während ich nie etwas anderes getan habe, als mit unterschiedlichen Musikern auf lockerer Basis zusammenzuarbeiten.‘

Es hat in jüngster Zeit die unterschiedlichsten Cooperationen gegeben, aber kaum eine hat die Aufmerksamkeit der Medien derart erregt wie euer Projekt. Fandest du das nicht sonderbar?

„Nein. Dieses Projekt hat einen gewissen Öffentlichkeitswert. weil die Leute, die daran beteiligt sind, nicht gerade unbeschriebene Blätter sind. Wir sind alle an zeitgenössischer Musik interessiert und wollen die auch entsprechend vermarkten.“

Die meisten Kritiker nehmen DDs Musik nicht so recht ernst. Gibt Powerstation vielleicht John und Andy die Möglichkeit, dieses Bild zu korrigieren?

„Im Nachhinein war das für John vielleicht der Fall. Es ist ein bißchen so. als sei er wieder zur Schule gegangen, heraus aus der alten Situation in eine neue. In einer Gruppe ist es nun mal notwendig, einen Gruppensound zu konstituieren, während es hier nur drei einzelne Instrumente gibt.

Deshalb trägt natürlich jeder eine wesentlich schwerere Last auf seinen Schultern. Andy ist ein absoluter ,mad dog‘ auf der Gitarre – und Johns Talente erwiesen sich als breiter und vielfältiger, als er vorher geglaubt hatte. Hier zeigt sich wieder, daß es nicht gut ist. etwas zu glauben … der Glaube ist eine Beleidigung des Verstandes.“

Ist Powerstation nur ein zeitlich begrenztes Projekt?

„Ja, heute ist der letzte offizielle Tag. Wir werden wohl in einer anderen Form zusammenarbeiten. Bernard beispielsweise wird mein neues Album produzieren. Aber Powerstation. Part 2, wird es nicht geben. Nicht, wenn ich das verhindern kann (lacht).“

Mich erinnert die Qualität des Albums sehr an Bowies „Let’s Dance“.

„Es ist der gleiche Drummer.“

Das weiß ich wohl, aber darauf wollte ich nicht hinaus …

„Der Unterschied ist, daß der Sänger hier die Töne trifft.“

Willst du damit andeuten, daß Bowie nicht singen kann?!

„Die nächste Frage, bitte. Nein, im Ernst, ich mag Powerstation, weil auf dem Album eine weite Skala von Stilen und Emotionen angeschnitten wird. Alles wird auf eine schlichte Art und Weise angegangen. Trotzdem ist es nicht simpel im Sinne von … mhm, Slade. Oh, ich sollte meine Zunge besser im Zaum halten.“

Fünf Tage nach diesem Interview treffe ich in einem anderen kleinen, aber ebenso feinen Londoner Hotel ein und erfahre, daß Herr John Taylor leider immer noch „unavailable“ sei: dafür sei aber Tony Thompson zu einem Gespräch bereit und Herr Andy Taylor ebenfalls zugegen.

Tony, wie bist du eigentlich in dieses Projekt geraten ?

„Ich war mit Bowie auf Tour und traf Duran Duran in Südfrankreich. Da sprachen wir zum ersten Mal davon, etwas Gemeinsames zu machen, weil John mein Schlagzeugspiel gefiel. John bestand darauf, daß Robert Palmer als Sänger dabei sein sollte leh fand die Idee gar nicht so toll, aber John blieb stur, es war wirklich nervend.

(kichert) Also schickten John und Andy Robert eine Democassette, die wir in London aufgenommen hatten. Robert fand das so riesig, daß er sofort ins nächste Flugzeug nach New York stieg und während des Fluges Texte und Melodien schrieb. Er kam sofort ins Studio, ohne vorher ins Hotel zu gehen, zog nicht mal seinen Mantel aus und sang uns alle an die Wand.“

Sicher eine Überraschung. Palmer ist ja gewöhnlich keiner, der spontan aus dem Bauch singt „Haha, genau. Er singt so aus den Schultern.“

Wie hat denn die Zusammenarbeit geklappt?

„Sowas gibt’s wahrscheinlich nur einmal im Leben. Das Ganze war ja nicht geplant! Wir sagten einfach: Let’s play! Und dann machten wir ein ganzes Album, ohne weiter darüber nachzudenken.

Ich denke, es war eine Fügung des Schicksals. Erfolg hat uns dabei nicht interessiert, denn den hatten wir alle vorher. Wir wollten einfach nur spielen.“

Bedauerst du. daß es keine Live-Gigs geben wird? (Erstaunt) „Wer sagt denn, D

daß es keine geben wird? Es weiß doch noch niemand etwas Genaues.“

Nun. Robert Palmer sagte, dies sei der letzte Tag des Projektes Powerstation gewesen“.Mich hat keiner gefragt. Ich würde das gerne machen, auch wenn ich noch andere Projekte am Laufen habe. Men At Work haben mich gefragt, und es liegt ein Angebot von Bonnie Tyler vor.“

Aber du bist immer noch bei Chic?

„Ich arbeite mit Bernard Edwards zusammen, ja, aber nicht mehr mit Nile. Er macht jetzt sein eigenes Ding. Gott beschütze ihn … Bernard und ich werden weiter als Chic zusammenarbeiten und als neuen Gitarristen wohl Eddy Martinez dazunehmen. der auch auf Jaggers Album gespielt hat.“

Gibt es noch jemanden, mit dem du unbedingt zusammenspielen möchtest?

„Weather Report! Meine absolute Lieblingsgruppe! Die Leute meinen immer, weil ich für Chic trommle, würde ich mich nicht für andere Musikarten interessieren. Völlig falsch. Mein Idol war früher zum Beispiel John Bonham von Led Zeppelin – und nicht etwa der Drummer von Otis Redding. Natürlich bin ich ein Schwarzer, aber die Rockmusik wurde damals noch viel stärker als heute von Weißen geprägt Nur durch Chic konnte ich überhaupt im Musikgeschäft Fuß fassen ‚ Andy Taylor schleicht in das abgedunkelte Zimmer und wirkt abgekämpft und ausgemergelt. Ich ahne Schlimmes und sehe mein Interview auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Statt dessen lächelt Andy ebenso müde wie er aussieht und erklärt, dies sei sein Normalzustand, ich solle mich nicht daran stören.

Wenn ich das richtig verstanden habe, wollten DD immer eine Art Zwitter zwischen Disco und Punk machen. Ist das in deinen Augen auch das Ziel von Powerstation? Bist du mit dem Resultat zufrieden ?

„Von diesem Standpunkt aus betrachtet, ja …“

Und was macht dich unzufrieden ?

„Nichts, gar nichts. Ich bin rundum zufrieden.“

Du hast vorher nie mit anderen Musikern außerhalb von Duran Duran zusammengespielt. Was hat dich dazu bewogen. die Initiative in Sachen Powerstation zu übernehmen?

..In DD wollten wir unsere Energien nie zerfasern … ich meine, unser letztes Album ist immer noch unter den Top 30. Es bestand absolut keine finanzielle Notwendigkeit für mich, etwas anderes zu machen. Aber du kannst nicht ewig in deiner eigenen kleinen Welt leben. Du mußt raus und andere Sachen machen, wenn du nicht mit Scheuklappen herumlaufen willst.“

Für John und dich war dies vielleicht auch eine Möglichkeit, euch als ernstzunehmende Musiker zu profilieren, viele Kritiker sprechen euch diese Qualität ja ab und klassifizieren euch als hirnlose Teenie-Band.

„Das zeigt doch bloß, wie beschränkt diese Leute sind! Zum Teufel, wie hätten wir 12 Hitsingles zustande bringen können, wenn wir Hohlköpfe wären?!

Der musikalische Inhalt dieses Projektes ist etwas völlig anderes als die Musik von DD. Aber ich muß niemand beweisen, daß ich ein guter Gitarrist bin; meine Arbeit spricht für sich.“

Was denken denn die anderen DDs über Powerstation? Sind sie eifersüchtig?

„Lieber Himmel, nein! Wir sind doch keine kleinen Kinder mehr, die sich etwas neiden. Ich meine, LeBon muß inzwischen 27 sein, und ich bin 24, verheiratet und habe ein Kind. Die Leute scheinen immer noch zu glauben, daß wir gerade aus der Schule kommen …“

Stimmt es. daß ihr später im Jahr auf Deutschlandtour kommt?

„Es gibt Pläne, ja. aber die Leute in Deutschland kaufen unsere Platten nicht. Mit ,The Reflex‘ und ,Wilde Boys‘ lief es besser. Siehst du, eine Tour hängt von so vielen Faktoren ab … Erst werden wir die Musik zu dem neuen Bond-Film „A View To Kill“ fertigstellen, dann unser neues Album machen und danach entscheiden, in welche Richtung wir gehen wollen.“

Dann ist also nichts dran am Gerücht, daß ihr DD auflösen wollt?

(Gelangweilt) „Warum sollten wir Duran Duran auflösen? Wir sind eine der erfolgreichsten Bands der Welt.“

Erfolg und Geld sind ja angeblich nicht immer alles .. .

„Für mich schon.“

Könntest du dir vorstellen, mit einem Projekt wie Powerstation ähnlichen Erfolg zu haben ?

(Ungeduldig) „Aber doch nicht die Art von Erfolg, von der wir hier reden! Duran Duran ist ein Lebensstil, und dieses spezielle Gefühl könnte ich nie mit einer Gruppe wie Powerstation haben. Du mußt dir immer vor Augen halten, daß wir wirklich aus der Gosse kamen und absolut nichts hatten!

Der Erfolg von Powerstation ist doch nur ein Resultat dessen, was wir vorher erreicht haben. Alles, was wir im Augenblick wollen, ist ein bißchen Urlaub von DD, ein bißchen Abstand – bis wir unser nächstes Projekt angehen.“