Landlust


The Decemberists entdecken Amerika.

Colin Meloy liebt die große Geste. Der schrullige Songwriter aus Portland, Oregon, inszenierte mit seiner Band The Decemberists immer aufwendigere Alben mit komplexen Geschichten und weit verzweigten Referenz-Systemen. Auf ihrem neuen Album The King Is Dead kehren sie nun zu ihren Wurzeln im Country-Folk zurück. Anderthalb Jahre nach dem Konzeptalbum The Hazards Of Love formulieren The Decemberists mit The King Is Dead ihr bislang amerikanischstes Statement, deshalb hat Meloy auch ausnahmsweise seinen aufgesetzten britischen Slang ablegt. „Ich wollte schon lange ein ganz einfaches Album mit Drei-Minuten-Songs machen. Aber sowie ich damit anfing, stellte sich ganz schnell heraus, dass es doch wieder so ein komplexes Ding wurde. Wir brauchten eine Zäsur. Ich dachte, es sei einfach, simple Songs zu schreiben. Das Gegenteil ist der Fall. Am Ende war dieses heitere Album für uns mindestens genauso schwer wie die komplexen Sachen davor.“

Einige der neuen Songs waren schon während der Arbeiten zu The Hazards Of Love entstanden, passten aber einfach nicht in die Story. Gut so, denn The King Is Dead hat ein ganz eigenes Gesicht. Die zehn kurzen Songs stehen unüberhörbar in der Tradition des Stones-Albums Exile On Mainstreet, Neil Youngs Harvest oder Out Of Time von R.E.M. Kein Zufall, denn Meloy ist mit den Rolling Stones und Neil Young aufgewachsen. „Meine Eltern haben beides ständig gehört. Als sie sich trennten, behielt mein Vater die Platten der Stones und meine Mutter Neil Youngs. Als ich dann gegen meine Eltern aufbegehrte, hörte ich R.E.M. Aber frag mal Peter Buck, was ihn am meisten beeinflusst hat. Das waren die Stones, die Byrds und Neil Young. Der Kreis hat sich also geschlossen.“

Die neue Platte der Decemberists ist also dem Country-Rock verpflichtet, aber nicht jener morbiden Variante im Stil Bonnie „Prince“ Billys oder der Felice Brothers, sondern einer drallen Landfröhlichkeit, die in den Siebzigerjahren angesagt war. Das kommt vor allem in der Instrumentierung zum Ausdruck. Neben ausgiebigen Harmonika- und Geigenparts liefert sich Meloy Duette mit Folk-Sirene Gillian Welch. „Ich mochte diese Vocalparts schon immer, die zwischen Mann und Frau aufgeteilt sind. Im Country-Rock gibt es dafür eine starke Tradition, etwa bei Gram Parsons und Emmylou Harris. Ich mag zwar düstere Country-Songs, aber dieses Album sollte definitiv eine fröhliche Note haben.“

Wie es bei The Decemberists weitergeht, steht in den Sternen. Bleiben sie eine süffisante Country-Band wie Cracker oder kehren sie zu ihren aufwendigen Konzepten zurück? Meloy hält beides für möglich.

Albumkritik S. 97