Led Zeppelin


Ende der sechziger Jahre setzte in der Rockmusik ? ein Trend zu leiseren, zu stärker akustischen Arrangements ein. Die Country-Rock-Welle schwappte auch in die Städte. m Led Zeppelin spielte konsequent gegen diesen Trend an und hatte dennoch Erfolg. Im Laufe der Jahre wurde die Band zum Inbegriff des "Heavy Metal Rock" und zum großen Vorbild einer ganzen Generation von Schwermetall-Musikern. Franz Schöler zeichnet die Geschichte einer Gruppe auf, die Meisterstücke hervorbrachte, sich aber mit. Verzerrer-Orgien und anderen Exzessen selbst deklassierte.

Der von Who-Schlagzeuger Keith Moon im Scherz erfundene Name „Led Zeppelin“ ist wohl genauso ausgefallen und ironisch wie der Name des Musikverlages, in dem die vier Musiker ihre Kompositionen veröffentlichen: „Superhype Music“ nennt sich diese Firma, und das ist bizarr genug. Denn wenn es eine Gruppe gab, die nicht durch „hype“ und schon gar nicht durch „superhype“ (clevere, dem tatsächlichen Können nicht entsprechende Werbetricks in der Rockmusikbranche) populär wurde, dann ist das unter anderen Led Zeppelin. Die Who, Kinks, Stones, Beatles, Small Faces und erst recht die sogenannten Supergruppen seit der Formation von Cream erreichten ihren Bekanntheitsgrad auch aufgrund von massivem „hype“, und die Massenmedien überschlugen sich schier in der Berichterstattung über diese Bands. Led Zeppelins Karriere verlief ganz anders. Man hat zwar Jimmy Page bisweilen als den „Paganini der Rock-Gitarre“ bezeichnet. Und einige Monate geisterte durch die US-Presse auch das Gerücht, der Gruppenname Led Zeppelin solle aus urheberrechtlichen Gründen wie der des Schnulzensängers Engelbert Humperdinck verboten werden. Aber darüberhinaus bediente sich Led Zeppelin nie irgendwelcher „hype“-Methoden, um das Publikum anzusprechen. Selbst ein so gerissener Manager wie Peter Grant, der seinem Ex-Beruf als Ringer manchmal alle Ehre machte, erreichte es nicht, daß sich die sogenannte seriöse Rockpresse ernsthaft mit den musikalischen Verdiensten seiner „Schützlinge“ (und das ist wortwörtlich zu verstehen) beschäftigte. Da gab die Gruppe als soziologisches Phänomen schon viel mehr her…

Gegen den Trend

Als Ende der sechziger Jahre ein Trend zu stärker akustischen Arrangements in der Rockmusik zu bemerken war, die Country-Rock-Welle einsetzte, Crosby, Stills, Nash & Young die Verkörperung der Woodstock-Generation wurden und Singer/S ongwriter mit ihren akustischen Gitarren und Klavieren und den entsprechend leiseren Liedern in Mode kamen, spielte Led Zeppelin (und auf einem zwei bis 12 Stufen tiefer angesiedelten Niveau Deep Purple und Grand Funk Raikoad) konsequent gegen diesen Trend an. Wenn es eine Gruppe gibt, deren Musik gleichbedeutend und fast schon ein Synonym für“.Schwermetall

Die Gründung von Led Zeppelin war eine kommerzielle Notwendigkeit. Die Yardbirds waren auseinandergebrochen und irgendjemand mußte die restlichen Verträge erfüllen.

rock ist, dann Led Zeppelin. Die meisten Kritiker reagierten auf diese Musik peinlich berührt oder mit Verachtung. Der von Led Zeppelin definierte Stil hat im Lauf der Jahre zahllose Nachahmer gefunden, ohne daß die Band für den sich breitmachenden Fuzzton-Primitivismus und die Verzerrer-Orgien der E-Gitarren verantwortlich zu machen wäre. Denn die Epigonen reduzierten das Led Zeppelin-Konzept auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und präsentierten es einem zu zehntausenden in ihre Konzerte strömenden Teenagerpublikum als schiere Aggressivität und Pose. Die Qualitäten der Original-Poseure erreichten sie nicht.

Man kann Led Zeppelin für ein zweifelhaftes Unternehmen halten, das sich zunächst nur zum geringeren Teil aus musikalischen Ambitionen, zum größeren aus kommerziellen Notwendigkeiten formierte. Aber in ihren besten Momenten deklassierten Jimmy Page & Co alle Gruppen, die den Hard-Rock-Stil zu lärmenden Riffs verkommen ließen; Riffs, die in dieser Primitivität die Whound frühen Kinks, die Stones und nicht zuletzt Page selber als einfallsreicher Sessionsgitarrist und späterer Leadgitarrist der Yardbirds nie so gespielt hatten.

Eine kommerzielle Notwendigkeit wurde die Gründung von Led Zeppelin, als sich die Yardbirds im Sommer 1968 auflösten, obwohl sie vertraglich verpflichtet waren, noch eine Konzert-Tournee durch Skandinavien zu absolvieren. Unter dem Namen The New Yardbirds erfüllten Yardbirds-Gitarrist Page, Plant, Jones und Bonahm diese Verpflichtungen, spielten dann eine Zeitlang ohne sonderlichen Erfolg in kleinen britischen Clubs und beschlossen schließlich, dort Karriere zu machen, wo die Yardbirds sowieso jahrelang erfolgreicher gewesen waren als in Großbritannien, nämlich in den USA. Da sich die Musiker kaum kannten, gab es vor Beginn der Skandinavien-Tournee einige Spannungen. Aber die lösten sich rasch, als man zum erstenmal gemeinsam probte. Jimmy Page notierte in der Led Zeppelin-Bio für die Firma Atlantic seinerzeit: „Wir vier trafen uns in diesem kleinen Raum und begannen zu spielen. Dann wußten wir’s: Wir begannen uns gegenseitig anzulachen. Vielleicht aus irgendeiner Erlösung heraus, vielleicht auch aus dem Wissen, daß wir prächtig miteinander auskommen könnten. Aber das war’s… Aus diesen ersten beiden gemeinsamen Wochen resultierte unser Debütalbum. Wir nahmen es in 15 Stunden auf und schrieben gemeinsam acht der Songs.“ Stoff, aus dem Pop-Legenden gemacht werden, die sich in Fan-Magazinen gut ausnehmen, aber nun mal nicht stimmen. Page revidierte später so manches an der Legende, aber darüber im folgenden mehr.

Vorgruppe für Vanilla Fudge

Auf der ersten US-Tournee Anfang 1969 spielte Led Zeppelin als Vorgruppe für Vanilla Fudge, bei der zweiten, die kurz darauf folgte, waren sie schon die Stargruppe; daß sie binnen eines Jahres bis zum März 1970 nicht weniger als fünf US-Tourneen durchführten, hat ihrer Popularität beim Publikum keinesfalls geschadet. Im Februar 1969 wurde das Debütalbum veröffentlicht, das sofort unter die Top Ten der US-Hitparaden kam. Acht Monate später kam „Led Zeppelin II“ heraus, jenes Alte Testament des „heavy metal rock“, das neben „In-A-Gadda-Da-Vida“ die erfolgreichste Rock-LP in der Geschichte der vorher nur auf Rhythm & Blues, Jazz und überhaupt schwarze Musik spezialisierten Firma Atlantic wurde. Wohldosierte LP-Veröffentlichungen und Tourneen, die genauso generalstabsmäßig wie die der Rolling Stones durchgeführt wurden .sorgten dafür, daß man Led Zeppelin weder als Konzertattraktion noch als Plattenstars vergaß, als Gruppen wie Aerosmith und Boston mit spektakulärem Einstand schon ihr Erbe anzutreten schienen. Solistische MarathonKonzerte, die vorher eine Gruppe wie Grateful Dead mit stilistisch sehr vielfältiger Musik gefüllt hatten, gestaltete Led Zeppelin als Hard Rock-Fest, dessen Konzept 1977 so populär ist wie bei dem ersten Auftritt als „headliner“ in New York. Damals war das Repertoire der Gruppe, in der man immer noch die Erinnerung an die Yardbirds sah, nach anderthalb Stunden restlos erschöpft. Aber das Publikum reagierte so begeistert, daß Manager Peter Grant seine Jungs wieder auf die Bühne schickte mit der Maßgabe, so lange zu spielen und notfalls zu improvisieren, bis auch das Publikum erschöpft war. Das alte Rock-Ethos britischer Gruppen, nämlich das „Keep ‚em waiting for more!“, war gebrochen, die konzentrierte einstündige Hit-Show passe. Wer auf sich hielt, mußte in Zukunft einen dramaturgisch präzis ausgearbeiteten stage act von anderthalb bis zwei Stunden Länge präsentieren und abwechslungsreich gestalten können.

Ursprünglich hatte Page nicht geplant, Robert Plant und John Bonham als Musiker für sein Quartett zu verpflichten. Er hätte lieber Terry Reid als Sänger engagiert, der seine phänomenalen Gesangskünste mit einigen hervorragenden, aber vom breiten Publikum wenig beachteten Solo-LPs bewiesen hatte. Auch schätzte er den Stil des Procol Harum-Schlagzeugers B. J. Wilson mehr als den des ihm eher flüchtig bekannten John Bonham. Aber seine Pläne gingen nicht auf, und die Skandinavien-Tournee mußte schließlich durchgeführt werden. Näher kannte er nur John Paul Jones, der sich zwischen 1966 und 1968 nach einer Karriere als Bandmitglied vor allem als Studiomusiker und Arrangeur unter anderem für Donovan („MeUow Yellow“, „Sunshine Superman“ und die „Hurdy Gurdy Man „LP) und die Rolling Stones profiliert hatte. Jones und Jimmy Page hatten schon vorher bei einigen ihrer zahlreichen Session-Jobs zusammengearbeitet, und als Jones hörte, daß Page eine Gruppe gründen und die Yardbirds verlassen wollte, fragte er an, ob er deren Baßgitarrist sein dürfe. Ein Freund empfahl ihm diesen Sänger Robert Plant, der Chef einer Gruppe in Birmingham namens ,3and of Joy“ war, in der John Bonham am Schlagzeug saß. Der Freund war Terry Reid, der noch Solo-Verpflichtungen zu erfüllen hatte, aber von Robert Plants Stimme so beeindruckt war, daß er ihn als Alternative ins Gespräch brachte. Page erinnerte sich später: „PlantsStimme war so mächtig, daß man sie noch im rückwärtigen Teil der Halle hören konnte, als bei unserem ersten Konzert in Skandinavien die Anlage ausfiel.“ Für die Konzerthallen, in denen Led Zeppelin später manchmal vor 60 000 Besuchern spielte, reichte sie aber doch nicht aus…

Das Led Zeppelin-Konzept ergab sich aus den eigenwilligen Vorstellungen der verschiedenen Temperamente innerhalb der Band, auch wenn Jimmy Page die Richtung bestimmte. Plant sang einen etwas grobschlächtigen Blues, der weit weniger von den Originalvorbildern geprägt war als anfangs der Stil der Stones und später die notengetreuen Elmore James-Kopien von Fleetwood Mac. Bonham bearbeitete sein Schlagzeug mit der Energie eines Dampfhammers und spielte auch später seine schwerfällig daherkommenden Solo-Partien mit einer Finesse, die jedem Reggae-D rummer Tränen des Unglaubens in die Augen treiben müssen. Page und John Paul Jones waren schon aufgrund ihrer Session-Jobs die weit gewandteren und erfahreneren Musiker, haben aber dieses Potential im Laufe von jetzt neun Jahren nie wirklich ausgeschöpft. Alle Stilwandel, die die Gruppe bis zu ihrem definitiven Statement mit dem Doppelalbum „Physical Graffiti“ zum Unverständnis der sowieso nicht wohlmeinenden Kritiker durchmachte, funktionierten nur in einem abgesteckten Rahmen. „Stairway To Heaven“ wurde zwar die Lieblingsnummer aller Led Zeppelin-Fans, aber „Dazed and Confused“ und „Whole Lotta Love“ blieben ihr unverwechselbares Markenzeichen.

„Dazed And Confused“ tauchte unter dem Namen ,4’m Confused“ zunächst im Live-Repertoire der Yardbirds auf, die in den ersten Monaten des Jahres 1968 ihre Abschiedstournee durch Amerika gaben. Auf dem Konzertmitschnitt „Live Yardbirds!“, der von der Vertragsfirma der Gruppe unter der Nummer E 30615 nach den spektakulären Anfangserfolgen der Nachfolgeband veröffentlicht und durch eine einstweilige Verfügung von Jimmy Page aus dem Handel gezogen wurde, ist noch kein Komponist dieses Stücks angegeben. Bei den Aufnahmen zum Led Zeppelin-Debüt wurde

J’m Confused“ ein sechseinhalb Minuten langer getragener Elektronik-Blues, den Page später zu einem mehr als halbstündigen Solo-Auftritt ausweitete. Zumindest waren die Spielereien mit Klangeffekten hier nicht so öde und vage impressionistische Hintergrundmusik wie das Intermezzo von „Whola Lotta Love“, das für die amerikanische Singles-Veröffentlichung herausgeschnitten wurde. Das zweite — allerdings brillante und den pyromanischen Effekten eines Jeff Beck ebenbürtige – Gitarrensolo der Debüt-LP enthält der Song „Communication Breakdown“, der zu den wenigen überzeugenden Nummern dieser Platte gehört.

Led Zep klaut bei Blues- Veteranen

Der Rest bestand zum größten Teil aus Blues-Adaptionen im Soundkonzept, das die Gruppe berühmt machen sollte. Willie Dixon wird zweimal als Komponist genannt. Daß Howlin‘ Wolf alias ehester Burnett, Sonnyboy Williamson und andere Blues-Größen Songs wie „How Many More Times“ und „Babe I’m Gonna Leave You“ geschrieben hatten und dafür auch hätten Tantiemen erhalten müssen, vergaß man hartnäckig. Als Komponisten von „How Many More Times“ bezeichneten sich Page, Jones und Bonham, bei anderen Songs war es irgendein Anonymus, dem man für das angebliche Traditional kein Geld zu überweisen hatte. Diese Praxis setzte man mit Eifer auch auf den nächsten Platten fort. Die erfolgreichste Led Zep-Single, „Whole Lotta Love“, war ein Diebstahl des alten Blues „You Got Love“; der „Lemon Song“ nichts anderes als eine notengetreue Kopie von Howlin‘ Wolfs „Killing Floor“; „Bringt It On Home“ ein Blues, der nicht einmal von Sonnyboy Williamson geschrieben sein muß, sondern viel älteren Ursprungs sein dürfte; „Since IVe Been Loving You“ und „Gallows Pole“ von „Led Zeppelin III“ schließlich sind ebenfalls alte Bluesnummern. Selbst Elvis Presley hat die Technik der Aneignung fremder Kompositionen, für die er zehntausende von Dollars hätte zahlen müssen, nicht so perfektioniert wie Led Zeppelin.

Die musikalischen Einfälle und — von wenigen Ausnahmen abgesehen — auch die Soli von Jimmy Page waren konventioneller als fast alles, war er und vor ihm Jeff Beck bei den Yardbirds gespielt hatten. Aber während Jeff Becks phänomenales Debüt „Truth“ wie Blei in den US-Läden liegenblieb, machten die ersten LP’s Led Zeppelin zu Superstars, und nur die Bankkonten der Superreichen unter den Großverdienern wie Paul Simon, Carole King, Elton John und Paul McCartney dürften höhere Beträge aufweisen. Was zählte, war nicht die Musik, sondern der neue Sound! Kein Mensch könnte ernsthaft behaupten, Led Zeppelin würde „In The Mood“ oder „Cheek to Cheek“ jemals wirklich swinging interpretieren können. Aber wenn es darum ging, ein solides und extrem technisch klingendes Rhythmusfundament aufzunehmen und darüber die Stimme von Plant und die riff-artigen Explosionen und Soli von Jimmy Pages Gitarre zu legen, war Page zweifellos ein Meister hinterm Mischpult.

Aufgeblasene Songs, Roboter-Rock und Männlichkeitswahn

Das Zauberwort und die Erfolgsformel des Led Zeppelin-Sound war „Distortion“, zu Deutsch Verzerrung, und zwar durchgehend so ornamental eingesetzt, wie das früher nicht praktiziert worden war. Phasing, Fuzz und Rückkopplungseffekte hatten bei den Stones, Yardbirds und Jimi Hendrix einen musikalischen Bestandteil der Interpretation und des gefühlsmäßigen Ausdrucks gebildet. Bei den Led Zeppelin-Aufnahmen verselbständigte sich die Verzerrung als Effekt, sie definierte quasi den musikalischen Inhalt ihrer Vorstellungen von Hard Rock. Die Blues-Formeln und Texte wie „Squeeze my lemon till the juice runs down my leg“ wurden zu einem Roboter-Rock gepreßt, der das musikalische Äquivalent von gesteigertem Männlichkeitswahn wurde. Die Kunst des Exzesses und der Überdramatisierung, der Mangel an subtiler Phrasierung sind kennzeichnend für den Gesangsstil von Robert Plant bei den „typischen“ Led Zeppelin-Nummern. Die totale Monomanie, das aufgeblasene Ego dieser Musik entspricht der Art ihres Spiels. Nirgends drückte sich diese vollkommene Selbstüberschätzung so kraß aus wie in dem Film „The Song Remains The Same „und dem Soundtrack-Album, das die grotesken Exzesse des Quartetts in akustisch miserabler Qualität dokumentiert hat. Jimmy Page ist da nicht ein Paganini, sondern der Sam Peckinpah der E-Gitarre, und seine angebliche Virtuosität im Umgang mit dem Instrument erweist sich im Vergleich zu Könnern und Originalen wie Jeff Beck, Hendrix, Clapton und erst recht Ry Cooder und anderen Gitarristen, für die technisches Können nur das Handwerkszeug darstellte), als begrenzt und hohl. y Das ist umso erstaunlicher, als Jimmy Page bei den akustischen Songs von „Led Zeppelin III“ und „Led Zeppelin IV“, aber auch bei den Hard Rock-Klassikern von „Physical Graffiti“ im Studio immer dann hervorragende Songs einspielte, wenn er das durch die ersten beiden LPs definierte Image der Gruppe vergaß und mit Einfällen experimentierte, die seine Sessionarbeit für die Kinks, Who und andere so unvergeßlich machen. Die akustischen Nummern von „Led Zeppelin III“ sind eine einzige große Hommage an den Briten Roy Harper, dessen Einfluß man im Gitarrenspiel unverkennbar heraushört. Mit Ausnahme des öden „Four Sticks“ wurde die vierte LP ein Meisterstück von ähnlichem Rang wie „Who’s Next“. Und die ehrgeizigste aller Led Zeppelin-Platten, die in anderthalb Jahren entstandene ,»Physical Graffiti“, enthält musikalische Höhepunkte und so wenige Exzesse an Eigenplagiarismus, daß miserable Werke wie „Houses of the Holy“ und „Presence“ mir unverständlich sind. Jeder vernunftbegabte Manager hätte die Veröffentlichung einer schon aufnahmetechnisch so schlechten Platte wie „The Song Remains The Same“ verhindert. Die maßlose Selbstfiberschätzung, die sich — wie gesagt — hier und im Film zeigt, gehört aber leider zum Image einer Band, die sich von bulligen Typen, beschützen läßt und generell eine Unsensibi lität gegenüber a n d eren Menschen an den Tag legt, die aus der falschen Einschätzung ihres Ego resultiert. Die Werbekampagne, bei der für ein Led Zeppelin-Album mit einer Grafik geworben wurde, in der ein menschlicher Kopf zwischen den Puffern von zwei Zug-Waggons zerquetscht wird, gehört dazu genauso wie die Tatsache, daß Schlagzeuger John Bonham, der gern seine Kräfte als Farmer ausprobiert, während der letzten US-Tournee kürzlich vollkommen grundlos einen Roadie des Konzert-Impressarios Bill Graham blutig zusammenschlug und gegen Kaution aus der Haft geholt werden mußte.

Wenn man Robert Plant heute reden hört, könnte man allerdings glauben, Led Zeppelin nutze Tourneen dazu, Wissen anzuhäufen. „Heutzutage bleiben wir lieber auf unseren Zimmern und lesen Nietzsche“ bekannte er gegenüber „Rolling Stone“-Interviewer Cameron Crowe. Vor den Zimmern stehen mindestens vier Leibwächter, damit niemand die Lektüre stört. Daß die Publikumserwartungen und die Konzertroutine ein Handicap für die Gruppe sind, weil sie ein allzu enges Stil-Korsett für die Bühnenauftritte erzwingen, meint Jimmy Page, der von sich selber sagt: „Technisch gesehen bin ich kein großes Gitarrist… Ich habe es mit Gefühlen zu tun. Die harmonische Seite des Spielens ist wichtig, und die möchte ich viel weiter treiben, als ich es jetzt kann… Es gibt so einen Reichtum an Künsten und Stilen bei diesem Instrument, Flamenco, Jazz, Rock, Blues. In meinen Anfangstagen träumte ich davon, all diese Stile zu verschmelzen.“ An seine frühen Tage als Sessiongitarrist erinnert er sich allerdings nicht nur mit Freuden. „Manche Sessions waren schon toll, aber das Problem war, daß man niemals wußte, was man tat. Vielleicht haben sie davon gehört, daß ich auf einer Burt Bacharach-Platte mitspielte. Das ist wahr. Ich wußte nie, was ich da tat. Man wurde nur für ein bestimmtes Studio für sagen wir einmal 14 Uhr 35 gebucht. Manchmal sah man da jemand, den man gern sah, bei anderen Gelegenheiten sagte man sich: Was mache ich hier überhaupt?“ Aus dieser Frustration als Studiomusiker resultierte auch die Tatsache, daß Page sich schließlich doch entschloß, Gitarrist bei den Yardbirds zu werden, nachdem er das 1966 noch abgelehnt hatte, weil die Jobs als Studiomusiker viel lukrativer waren als die Jobs einer Rockgruppe zu dieser Zeit.

Die Yardbirds mit Jimmy Page

Wegen des anhaltenden Interesses an den Yardbirds gab es in der Vergangenheit sehr viele Zusammenstellungen ihrer alten Songs. Die besten Kopplungen mit Stücken, bei denen Jimmy Page mitspielt, sind folgende drei LP’i: Little Games (Epic BN 26313) Live Yardbirds! (Epic 30615, IIS-Import) The Yardbirds, feat. Performances by Jeff Beck, Eric Clapton, Jimmy Page (Epic 30 135, US-Import).

Die erste LP aufzunehmen, bereitete keine Schwierigkeiten: „Ganz kurz nachdem die Band gegründet war, wurde diese Platte aufgenommen. Unsere einzigen Proben waren eine zweiwöchige Skandinavien-Tournee als The New Yardbirds. Unsere Blues-Wurzeln bestimmten den Stil des Materials. Ich konnte noch eine Menge Yardbirds-Riffs verwenden. Als Jeff Beck die Gruppe verließ, mußte ich neue Songs schreiben… Die Platte wurde in drei Wochen aufgenommen. Es war ganz klar, daß jemand die Rolle des Führers übernehmen mußte, sonst hätten wir nur herumgesessen, Jamsessions gespielt und sechs Monate lang nichts getan. Auf der zweiten Platte kann man hören, wie sich die Gruppenidentität entwickelte.“

Auf den Vorwurf, seine Texte seien nicht geradezu ein Vorbild an poetischer Subtilität und geschliffenem Ausdruck, verteidigt sich Robert Plant: „Ich bin doch kein altmodisches Blumenkind. Ich arbeite hart an meinen Texten. Das heißt nicht, daß man all meine Sachen unbedingt näher analysieren sollte. Nummern wie ‚Black Dog‘ enthalten so Texte von der Art des ‚Laß es uns jetzt im Badezimmer treiben‘, aber was sie sagen sollen, kommt an. Die Leute hören zu. Andernfalls könnte man auch die Speisekarte des Hotels ‚Continental Hyatt House‘ rauf- und runtersingen.“

Schlechten Geschmack kann man Jimmy Page auch nicht unbedingt nachsagen. Little Feat ist seine amerikanische Lieblingsgruppe, und seiner Meinung nach ist Joni Mitchell eine der wenigen Künstlerinnen im Genre der Rockmusik, die ständig ihr hohes Niveau zu halten versteht: „Joni Mitchell spielt die Musik, die ich dauernd zu Hause höre… Sie ist fähig, auf eine Sache zu schauen, die ihr passierte, sich zurückzuziehen, die Essenz der Situation herauszukristallisieren und dann einen Song darüber zu schreiben. Bei ihrer Musik steigen mir Tränen in die Augen, was soll ich mehr sagen?“

Abstieg zu langweiligem Riff-Rock

Nach zwei miserablen Platten, die den Abstieg Led Zeppelins in die Niederungen des langweiligsten Riff-Rock und des konstanten Selbstplagiats markierten, ist es müßig, über die Zukunft dieser Band zu spekulieren, die sich offenbar in jeder Beziehung in Exzessen gefällt und ihren kreativen Höhepunkt seit „Physical Graffiti“ schon überschritten hat. Led Zeppelin-Musik war ein Sound-Konzept und weniger eine musikalische Aussage — der Inbegriff von „heavy metal rock“ und darum heute ein Anachronismus, der weiterlebt, weil die „star maker machinery behind the populär song“, über die Joni Mitchell sang, recht reibungslos funktioniert. Eine Gruppe, die sich selbst einen so engen Rahmen absteckte, müßte radikal ihren musikalischen Horizont erweitern, wenn sie mehr als eine Oldies-Maschine sein will. Wer aber wollte diese neuen Led Zeppelin hören?