Leiser Riese


Johannes Enders spielt im verblüffenden Weilheimer Musik- wunder die Libero-Rolle. Weil er gar nicht anders kann.

Das kleine Musikwunder, das sich seit einigen Jahren unter den staunenden Augen der Medien in der oberbayerischen Kleinstadt Weilheim rund um die Band The Notwist abspielt, ist reich an wunderlichen kleinen G eschichten. Eine davon betrifft Johannes Enders: der 37-jährige Saxofonist hatte einst auf eine Empfehlung des John Coltrane-Bassisten Reggie Workman seine Jazzstudien in New York abgerundet, dort mit Assen wie Branford Marsalis oder Donald Byrd gespielt-und war dennoch „vor etwa acht, neun Jahren kurz davor, ganz mit der Musik aufzuhören. Ich hatte das Gefühl, den Jazz, diese amerikanische Musik, nie so verkörpern zu können wie die Musikerdort.“ Dass Enders heute als wichtige Stimme im europäischen Jazz gilt, vor allem aber, dass er daneben seinen eigenen Weg zwischen Jazz und Pop gefunden hat, verdankt der etwas schüchterne Hüne der Wiederbegegnung mit den so popverrückten wie experimentierfreudigen ehemaligen Schulkameraden – den Brüdern Acher, die Enders‘ Sax-Künste für ihre Notwist-Alben nutzten: „Durch die Achers kam ich dazu, mich mit der großen deutschen Electroniktradition von Can bis Kraftwerk auseinanderzusetzen – da war plötzlich das Eigene, das ich gesucht hatte.“ Der Knoten platzte nachhaltig: in den vergangenen Jahren hat Enders nicht nur Alben von The Notwist, dem Tied+Tickled Trio und Fauna Flash mit seinen klugen Linien veredelt, sondern auch vielbeachtete reine Jazzalben unter eigenem Namen eingespielt. „Auch der Zugang zum akustischen Jazz hatte sich für mich wieder entkrampft. “ Vor allem aber kam es zum Entstehen seines eigenen Projekts Enders Room: nach dem exzellenten Debüt monolith aus dem Jahr 2002 verbindet er nun auf dem Zweitling human radio Jazz mit Elektronica und feiner Melodik zu einem warmen, vielschichtigen organischen Ganzen. Die Kompositionen entwirft der Multnnstrumentalist am Computer „als mentales Ein-Mann-Orchester“, bevor er sie mit Hochkara’tern des Nu Jazz wie der aufregenden norwegischen Sängerin Rebekka Bakken final in Szene setzt – innovativer und total eigenständiger Stoff jenseits aller Schubladen.