Len at work: Live ist Kravitz am besten


Bengt ist Feuerwehrmann. Doch die Wahrscheinlichkeit, daß es heute abend viel zu löschen gibt, ist gering. Unter der mit grünen Filzmatten abgedeckten Arena strahlt eine dicke Eisschicht skandinavische Kälte ab. Einen Frost, gegen den zwar die mit Volldampf gefahrene Hallenheizung kaum etwas ausrichten kann, wohl aber Lenny Kravitz. 4.500 Stockholmer haben je 250 Kronen (über 50 Mark) bezahlt, um den Amerikaner heute in der eisigen, völlig schmucklosen Hovet-Halle zu erleben. Doch sie brauchen nicht eine einzige ausgegebene öre zu bereuen. Denn Kravitz, obwohl von einer Erkältung arg gebeutelt, spielt sich die Seele aus dem maladen Leib, bringt die kalte Halle in Minutenschnelle zum Kochen. Zuvor, unmittelbar vor Kravitz‘ ersten Klängen, hat ein vom Tonband eingespielter Maceo Parker die Losung ausgegeben: ‚Let’s Have A Funky Good Time‘. Denn anders als in der Vergangenheit baut Lenny, der Bühnenberserker, heute auf die musikalische Hitze seiner Wahlheimat New Orleans. Zwar lebt auch sein neuer Live-Sound in erster Linie von druckvollen Starkstromgitarren, doch setzen Trompeter Michael Hunter und Saxophonist Harald Todd deutliche Jazz- und Funk-Akzente. Ob ‚Mama Said‘, Rock’n’Roll Is Dead‘, ‚Let Love Rule‘, ‚Are You Gonna Go My Way‘ oder ‚Fields Of Joy‘ – ein Großteil der Songs (die überwiegend in radiofeindlichen Maxiversionen dargeboten werden) frönt dem Funk wie nie zuvor. Die Ausnahme bildet ein Akustik-Part im zweiten Drittel des Programms, in dem Kravitz Lautstärke und Tempo deutlich drosselt und zur Wandergitarre wundervolle Songs wie ‚Can’t Get You Out Of My Mind‘ in die Halle haucht. An dieser Stelle, Lenny steht mitten in einem sauber geschnittenen Davidstern aus Computerlicht, wird die naturblonde Jung-Frau neben mir hinreichend hörbar von der Sehnsucht erfaßt. Das Bühnenbild kann die Verzückung nur noch steigern: ein von Kronleuchtern beschienener, blutroter Plüschsalon, in dessen Mitte der Gekreuzigte prangt. Lenny, man weiß es, glüht für den lieben Gott. Die Fans hingegen erwärmen sich eher für Kravitz. Gefahr, weiß Firefighter Bengt am Ende, droht dennoch nicht. Denn gebrannt haben heute abend nur die Herzen.