Lutsch‘ meine Ananas, Baby!


Yeah Yeah Yeahs

Was da im ausverkauften Club als Vorgruppe auf die vollständig angetretene In-Crowd losgelassen wird, das ist der Erwähnung wert. Eingewickelt in pharaonische Klopapierkostiime prügeln sich die Witzbolde durch ihren Set. als würde jemand mit der Fast-Forward-Taste durch ein Slayer-Album pflügen. Die dankenswerterweise höchstens zweiminüligen Grind-, Death-, Speedcore-Geräuschattacken tragen Titel wie „High Maintenance Libido, Bring The Whole Family‘ oder „Halo Of Pubic Hair And Earwax Manufactured For The Champion In All Of Us“, die Band heißt: Locust. Merken und meiden.

Nun aber rasch zu den erfreulichen Dingen dieses denkwürdigen Abends, will heißen: zu Karen 0. Nichts gegen die reizenden Punkriffs von Gitarrist Nick Zinner oder das trockene Schleugzeugspiel von Brian Chase, nichts gegen Songs wie „Black Tongue“, „Pin“ oder „Maps“, die sich keineswegs hinter den Liedern der White Slripes (noch so eine todhippe Band ohne Bass) verstecken müssen. Aber dann ist da eben noch die Königin von Brooklyn als echter Wettbewerbsvorteil. Karen 0. stürmt und bestimmt die Buhne in hautengem Catsuit, eine rasende Wiedergängerin von SiouxsieSioux, eine Zombie-Ausgabe von Beth Gibbons, eine trash-glamouröse Furie mit nietenbesetztem Lederhandschuh und geradezu niedlichen Ballett-Schühchen.

Die nächsten anderthalb Stunden wird sie nutzen, uns allen klar zu machen, warum der NME sie im vergangenen Jahr zur viertcoolsten Person (ja, es muss da draußen irgendwo tatsächlich noch drei coolere geben] im Pop ernannt hat – und das, obwohl von ihrer Stimme leider so gut wie gar nichts zu hören sein wird. Auch egal, dann begleitet sie den soliden CBGB’s-Punk ihrer Band eben pantomimisch. Trinkt erst Wodka, dann Bier, füllt die Backen, prustet das Gesöff aus und schlendert durch den Sprühregen, bis die Schminke zerlauft. Robbt rhythmisch mit gespreizten Beinen auf die Arglosen in der ersten Reihe zu. Wickelt sich das Kabel um den Hals und liebkost das Mikro. dass Sigmund Freud seine helle, äh, Freud daran gehabt hätte. Dabei bewegt sie sich eher linkisch, grobmotorisch, ohne Rücksicht auf die Musik, taumelt von Buhnenrand zu Bühnenrand und tut, wozu sie offenbar eben Lust hat.

Lust ist überhaupt das Leitmotiv dieses Abends. Schreiten wir also zur Entjungferung der Ananas: „This is a tribute to Ihe Peaches“, haucht Karen 0. und zerschmettert die mitgebrachte saftreiche Sudfrucht auf dem Buhnenboden. Sodann greift sie sich die süßen, klebrigen Reste und reibt sie sich in den Achselhohlen, zwischen den Beinen und an ihren Brüsten – um sie anschließend an das hungrige Publikum zu verfuttern. Von der Musik, sorry, ist uns danach nicht mehr viel im Gedächtnis. Was bleibt, ist der perverse Appetit auf eine Frucht, die an diesem Abend ihre Unschuld verloren hat.