„Mache ich etwa auch AOR-Rock?“


Mit „Somebody That I Used To Know“ stürmte der Australier Gotye auch die deutschen Single-Charts. Im Blind Date verrät er uns, warum er Radiohead verehrt – und erklärt, warum er lieber nicht mit Sting verwechselt werden möchte.

Sting – „If You Love Somebody, Set Them Free“

Oh, Sting natürlich. War ja klar.

Nervt Sie der andauernde Vergleich?

Lassen Sie es mich so ausdrücken. Klar ist Sting ein großartiger Künstler. Aber letztendlich mag ich The Police lieber, einfach wegen Stewart Copelands Drumming. Das hatte eine ganz eigene Klangfarbe. Von Sting besitze ich nur ein Greatest-Hits-Album. Der Typ streift manchmal eben doch AOR-Rock. Und, um auf Ihre Frage zurückzukommen: Deswegen ist der Vergleich etwas schwierig für mich. Ich denke dann immer: „Mache ich etwa auch AOR-Rock?“

Peter Gabriel und Kate Bush – „Don’t Give Up“

Hervorragend! Peter Gabriel.

Ein weiterer Name, der oft in einem Atemzug mit Ihrem genannt wird.

Aber wissen Sie was? Gerade diese Nummer hat für mich eine ganz besondere Geschichte. Als ich sieben Jahre alt war, verbrachte ich mit meinen Eltern einige Zeit in einer New-Age-Kommune in Schottland. Eines Tages war ich verschwunden. Mehrere Stunden lang. Alle machten sich natürlich schreckliche Sorgen. Dabei saß ich nur im Wohnwagen eines 17- oder 18-jährigen Mädchens, und sie spielte mir ihre Lieblingsplatten vor. Das war eine davon. Ich hörte den Song dann erst zehn Jahre später wieder, als er im Abspann irgendeines durchschnittlichen Films lief. Da packte es mich total.

Depeche Mode – „Condemnation“

(nach einer Sekunde) Das war tatsächlich die erste Depeche-Mode-Nummer, die ich kannte. Ich sah den Song im Fernsehen, als ich mit meinen Eltern im Urlaub in Belgien war. Er gefiel mir so gut, dass ich, zurück in Australien, meine Mutter dazu überredete, sofort in das nächste Kaufhaus zu fahren, wo ich mir dann das ganze Album holte. Später las ich, was Daniel Miller von Mute über die Platte schrieb. Der Aufnahmeprozess war für die Band wohl ein ziemlicher Kampf, und ich glaube, das ist das Geheimnis: Wenn du als Musiker deine Comfort Zone verlässt, entstehen die besten Sachen.

Massive Attack – „Teardrop“

Als ich 19 oder 20 war, interessierte mich diese Art von Musik sehr. Massive Attack, aber auch Portishead oder DJ Shadow gingen auf eine Art mit Beats und Samples um, die für mich sehr neu war.

Ist das heute noch ein Orientierungspunkt für Sie?

Hmm, schwierig zu sagen. Ich mache mir sehr viele Gedanken darüber, wie meine Stücke klingen. Über Loops und Programming. Sicher genau so viel wie über das Songwriting. Aber es wäre vermessen, dieses Besondere, dieses Neue, das Massive Attack damals bedeutete, für mich in Anspruch zu nehmen.

Jean Paul Gaultier – „How To Do That“

(lacht) Was bitte ist das?

Ihr Beinahe-Namensvetter, Jean Paul Gaultier.

Der machte Musik? Das war mir neu. Aber ich weiß ohnehin nicht besonders viel über ihn. Eine lustige Geschichte gibt es: Ein polnischer Journalist fragte mich neulich im Interview, ob ich meinen Namen tatsächlich deshalb gewählt habe, weil ich als Kind so besessen von diesem Madonna-BH gewesen sei, den Gaultier seinerzeit entwarf. Großartige Story, aber der Typ hatte sie komplett erfunden. Vielleicht sollte ich sie weiter verbreiten.

Radiohead – „Fake Plastic Trees“

Das ist einfach. Radiohead. Ich hatte eine Phase, in der ich sehr viel Radiohead hörte, aber eher die Kid A. Ich mag die Art, wie die Band arbeitet und wie ihr ganz offenbar völlig egal ist, wie ihre Außenwirkung ist und ob das jetzt besonders viel verkauft oder nicht. Das ist alles künstlerisch sehr integer.

Skrillex – „Bangarang“

Oh. Äh, wow! Was ist das?

Trendmusik! Reden gerade alle drüber.

Ach, Skrillex. Bangarang habe ich mir neulich sogar auf Vinyl geholt, aber noch nicht angehört. Das ist schon sehr laut. Man merkt, dass das andere Wurzeln hat als das, was in England als Dubstep verkauft wird. Das hat viel mehr mit Nu Metal zu tun, wenn man sich die Produktion anschaut. Aber diese Genre-Bezeichnungen sind ohnehin albern und nur dazu da, um die Grenze zwischen cool und uncool zu markieren.

Fleet Foxes – „Bedouin Dress“

Hmm. Kenne ich das? Ich erkenne es nicht.

Ich denke, Sie kennen es.

Ah, jetzt. Das sind die Fleet Foxes. Das Album habe ich ebenfalls gerade erst auf Vinyl gekauft. Schöne Platte, ein ganz, ganz warmer Klang. Und klassisch in seinen Songstrukturen, ich mag so etwas. Aber was mir momentan fast noch besser gefällt, ist Bon Iver. Das ist wirklich die beste Musik, die es gibt.

Jochen Overbeck

Gotye wurde 1980 als Wouter De Backer im belgischen Brügge geboren. Als er zwei Jahre alt war, zog seine Familie mit ihm nach Australien, wo er den größten Teil seiner Jugend verbrachte. Nach ersten Gehversuchen in verschiedenen Indie-Bands begann er 2001, Solo-Songs mit Beats und Samples zu verfeinern. 2003 erschien sein erstes Album. Der internationale Durchbruch gelang ihm im vergangenen Herbst mit der Single „Somebody That I Used To Know“ und dem zugehörigen Album Making Mirrors.