Marilyn


Er singt und summt ununterbrochen – im Taxi zum Hotel ist es bezeichnenderweise „Ticket To Ride“. Kein Zweifel. Der Mann hat Stil. Und dieser Auftritt! Niemand in der Hotelhalle hat ihn nicht bemerkt: Here comes Marilyn! „Im Moment trage ich gern Grau-Schwarz. Die schrille Phase ist vorbei“ Fürwahr formidabel dieser wohlgeformte 21jährige Peter Robinson – mit seinem auch ungeschminkt hübschen Gesicht, den kräftigen Armen, an denen es mehrreihig klunkert und glitzert, den klassisch schönen, wenn auch behaarten Beinen, die er unter seiner neuesten Rock-Creation scheinbar unbeabsichtigt herausblitzen läßt.

Marilyn, sag uns, ob die Zeit der Geschlechtslosigkeit vor den Pforten steht. Dein Ex-Freund Boy George (kurzes Stirnrunzeln), Annie Lennox und natürlich du müssen es doch wissen!

„Schrecklich, hör auf! Leute sollten nicht in Kategorien eingeteilt werden. Kleidung ist nichts weiter als Material, das du um deinen Körper schlingst, Verpackung. Ursprünglich sollte sie dich sinnvollerweise wärmen, später das andere Geschlecht anziehen, denk nur an die Riesen-Dekolletes im Glamour-Hollywood. Total falsch, man sollte sich für den Geist, nicht für den Körper anderer Leute interessieren.“

Moment! Ausgerechnet du sagst das, der du dich wie ein Pfau aufgedonnert hast, um im Londoner Nachtclub-Modefirletanz überhaupt aufzufallen?! Du hast doch schließlich ein Image erfunden, um mittels dieser Verpackung berühmt zu werden. Freundlich, selbstbewußt und überzeugend kommt die Antwort:

„Glaube mir, ich denke nie drüber nach, was ich trage. Wenn das für andere ein Problem darstellt, bitte.“

Es sei kurz und am Rande bemerkt, daß Peter-Marilyn mit 15 die Schule verließ, anschließend ein Jahr mit Schlafpillen im Bett verbrachte, weil die böse Welt ihn nervte, um hernach wiederum mit Paradiesvögeln wie Steve Strange, Jeremy (von Haysi Fantayzee) und Boy George O’Dowd zusammenzuziehen, deren Sport es war, sich in den ausgedrehtesten Verkleidungen zu übertrumpfen.

Es wird in Fachkreisen geflüstert, du seist das absolute Traum-Modell, wie machst du das nur? Er grinst charmant und meint todernst: „Ich sitze Stunden vorm Spiegel und arbeite daran, jeden einzelnen Gesichtsmuskel zu beherrschen. Manche denken, sie sehen vor der Kamera gut aus, stimmt aber nicht! Sie sehen sich ja nicht selbst, da ist nur die gnadenlose Kamera. Also übe ich, dann weiß ich 100%ig, welche Muskeln ich wie bewegen muß, um gut auszusehen. Wie vor einem Publikum.“

Er trällert mit bemerkenswertem Volumen eine kleine Soul-Melodie. Den Soul eines Schwarzen aus Detroit habe er natürlich nicht, aber seine Seele sei auch nicht von Pappe. Und musikalisch sei er auch, schließlich liebe er die Musik. Das glaubt man ihm aufs gesummte Wort.