Megadeth


Lang kämpfte die Band mit den Problemen ihres charismatischen Frontmanns. Nun geht endlich die Post ab.

Dave Mustaine trat während seiner ausgedehnter Flegeljahre in beinahe jedes erreichbare Fettnäpfchen. Nun scheint der 33jährige Megadeth-Mastermind seine Karriere in den Griff zu bekommen. Mit ‚Youthanasia‘ haben er und seine Band eines der besten Rockalben des Jahres eingespielt. Die sechste Megadeth bringt packende Härte und satte Melodien auf den Punkt. „Früher haben wir größten Wert auf technische Perfektion gelegt“, so Mustaine, „heute dagegen wollen wir dir in erster Linie Feuer unterm Arsch machen.“ Schon vom letzten Album ‚Countdown To Extinction‘ hatte das Quartett drei Millionen verkauft. Begonnen hatte Mustaine bei Metallica, als deren Mitglieder noch mit Pickeln im Gesicht herumliefen. Zu viele Egos verderben bekanntlich den Bandbrei, und als der rothaarige Querkopf durch Kirk Hammett ersetzt wurde, legte er sich 1983 seine eigene Band namens Megadeth zu, deren anspruchsvoller Thrash von der Metal-Weltgemeinde begeistert aufgenommen wurde. Im Unterschied zu Metallica blieb Megadeth jedoch die Tür zum ganz großen Rock-Publikum lange verwehrt. Vielleicht weil sich der launische Exzentriker mit Vorliebe selbst ein Bein stellt. Zum einen wurde der Sohn eines Alkoholikers selbst zum Trinker und Fixer und einstmals, nach einer Überdosis, von einer kalifornischen Radiostation sogar schon für tot erklärt. Erst nach mehreren Entziehungskuren und dem Umzug aus dem drogengeplagten Rock’n’Roll-Mekka Los Angeles ins ruhigere Phoenix, Arizona, konnte Mustaine seiner Sucht Herr werden. Zweitens sorgte seine Unbeherrschtheit in Verbindung mit einem chronisch losen Mundwerk ständig für Probleme. Die Folgen waren ständig wechselnde Besetzungen der Band, jähzornige Temperamentsausbrüche und Fehden mit anderen Rockern. So flogen Megadeth zum Beispiel aus dem Vorprogramm der letzten Aerosmith-Tour, weil die Streitereien zwischen beiden Bands kein Ende nahmen. An Selbstbewußtsein mangelte es Mustaine noch nie. Als Rhythmusgitarristen läßt er neben sich nur noch drei Kollegen gelten: AC/DC’s Malcolm Young, Metallica’s James Hetfield und Rudolf Schenker von den Scorpions. Im Laufe der Zeit hat sich manches verändert: die Mannschaft ist mit David Ellefson (Bass), Marty Friedman (Sologitarre) und Nick Menza am Schlagzeug seit drei Jahren stabil. „Es hat lange gedauert, die richtige Besetzung zu finden. Ich war sehr mißtrauisch, da mich frühere Mitglieder oft ausgenutzt hatten. Heute ist Megadeth die Band von uns allen vieren.“ Dave spielt nicht mehr den großen Zampano, akzeptiert die Ideen seiner Mitspieler und des Produzenten Max Norman. Die neue Einheit mag auch auf die Gruppentherapie zurückzuführen sein: auf Tour setzen sich die Bandmitglieder zweimal wöchentlich zusammen und reden unter Anleitung eines mitreisenden Psychologen über ihre Ängste und Probleme. Wenn Mustaine auf Promotionsreisen unterwegs ist, muß ein englischsprechendes Mitglied der Anonymen Alkoholiker bereit stehen. Seinem zweijährigen Sohn Justis und seiner Frau Pam zuliebe verzichtete er nicht nur auf Drogen, sondern auch auf gefährliche Hobbies wie Fallschirmspringen, Kickboxen und sein geliebtes Snowboard. Zu guter Letzt wurde auch noch ein zehn Jahre altes Kriegsbeil begraben: Am 5. Juni 1993 kam es zur öffentlichen Versöhnung mit den Mannen von Metallica – beide Bands spielten im britischen Milton Keynes auf derselben Bühne.