Michael Hoenig


Seit Kraftwerk in den amerikanischen Hitparaden blubbert, sind Synthesizer, Space und sonstige synthetisch musikalischen Spaße im „Land of milk and honey“ überaus gefragt. Der Berliner Knopf- und Schalter-Zauberer Michael Hoenig hat sich diese Nachfrage zu Nutzen gemacht und den Amis direkt ein Projekt angeboten, an dem er in den letzten drei Jahren herumgebastelt hatte. Unter dem Titel „Departure From The Northern Wasteland“ kam es jetzt hüben wie drüben auf den Markt. Damit hat Hoenig wohl einen neuen deutschen Rekord im Hürdenüberspringen erstellt. ME-Mitarbeiter Wolfgang Freund traf den Elektronik-Michel in Hamburg.

Obwohl ich mit dieser Art von Musik nicht viel am Hut habe, erschien es mir doch einmal interessant, mich in dieses Neuland zu wagen. Dabei kamen ganz interessante Aspekte zum Vorschein, Eindrucke von Musikern, die hier in Deutschland in ihren Dachkammern und Kellerstudios ihr ‚Ding‘ machen. Auch Hoenig ist einer von diesen Fädenziehern. Auch er hat seine Platte zu Hause gemacht. In diesem Fall kann man sagen, daß „Departure…“ eine wirkliche Soloplatte ist, denn Hoenig errechnete, tüftelte, schraubte und klebte sein elegisches Elektronik-Werk im Alleingang zusammen.

In der Bio seiner Plattenfirma steht am Schluß: „Ich habe von Anfang an nur Knöpfe gedrückt, Akkorde, Dreiklang und Harmonielehre haben für mich keine Bedeutung…“ Wie kann jemand, der Musik macht, behaupten, daß die Grundelemente der Musik für ihn keine Bedeutung haben? Hoenig: „Dieser Satz ist etliche Jahre alt. Inzwischen hat die Musik das Elektronische etwas zurückgedrängt. Ich habe keine klassische musikalische Ausbildung. Als ich angefangen habe, gab es für mich nur den Reiz des elektronischen. Ich bin natürlich mittlerweile in der Lage, auf dem Klavier Harmonien und Klangstrukturen aufzubauen, doch zu einem Boogie oder Blues reicht es bestimmt nicht…“

Hoenig hat also genau den umgekehrten Weg beschritten. Bei ihm entwickelte sich aus einem Interesse heraus der Musiker. Hoenig selbst sieht sich allerdings mehr als Maler. Für ihn sind seine Musikstücke Gemälde. Genauso konstruiert er seine Klangwerke auch. „Ich erstelle ein grobes Konzept und beginne mit dem Klangskelett. Später kommen immer mehr Färb- oder in diesem Falle Klangtupfer hinzu, bis das ganze Werk wie ein Bild steht…“

Michael Hoenig kommt aus Berlin. Aus Berlin stammen auch Klaus Schulze und Tangerine Dream. Es sieht fast so aus, als ob man als Berliner der Elektronik verpflichtet ist. „Irgendwie hat es sich entwickelt, daß es eine sogenannte Berliner Schule gibt,“ meint Hoenig. „Viele Städte in Deutschland stehen im Zusammenhang mit Musik. In München ist es Disco, in Hamburg Dixie und Jazz, die Frankfurter sind mehr Rock-orientiert, und wir Berliner haben eben das Etikett Elektronik an uns hängen. Da ist natürlich einiges dran, weil die populärsten deutschen Elektroniker aus Berlin kommen, wenn man mal von Kraftwerk aus Düsseldorf absieht…“

Michael Hoenig spielte vor knapp drei Jahren noch bei Tangerine Dream mit. Irgendwann hingen ihm diese Improvisationen zum Halse raus. Er wollte mehr konstruieren. Darüberhinaus gab es da noch ein Problem, mit dem offensichtlich jeder Knopf und Schalter-Akrobat belastet ist. Hoenig: „Wir sind alle fürchterliche Egoisten. Ich kenne keinen Elektroniker, der nicht ausschließlich hinter seiner Sache her ist, und nur hinter seiner. Ich mache da keine Ausnahme. Wir sind alle auf dem Egotrip…“

Seit seinem Weggang von Te De, wie er Tangerine Dream lässig nennt, hat er in seinem Heimstudio an „Departures..“ herumgebastelt. Das Problem, eine Plattenirma zu finden, war ein wirkliches Problem. Denn Hoenig wollte so, die Plattenfirma anders, es gab viel Zoff um das gute Geld, bis Hoenig eines schoenen Tages Pleite war und immer noch keinen hatte, der für sein Werk eine Mark heraustat. Mit letzter Energie ging er im Januar auf die Branchenausstellung Midem in Cannes, wo sich das ganze Business mit Kind und Kegel trifft, und dort biß plötzlich jemand an. Und wenn schon, dann gleich richtig: Dieser Jemand war kein Geringerer als Neshui Ertegun, einer der Oberen des Warner Konzerns, bei dem ja auch Franz Beckenbauer und Rod Stewart unter Vertrag sind.

„Es war ungeheuer interessant, mit einem Amerikaner plötzlich konfrontiert zu sein“, berichtet Michael Hoenig. „Er ließ mich auf seine Hotelsuite kommen, hörte sich die Bänder an und fing an, sich mit mir über meine Musik zu unterhalten. Noch nie hatte ich mit dem Vertreter einer Plattenfirma ein derartig fundiertes Gespräch. Er fing an, mir meine Musik zu erklären. Kurzum, ich war begeistert! Wir hatten alles besprochen, doch erst ein paar Monate später hörte ich wieder etwas von Warner Brothers in Los Angeles.“

Hoenig flog daraufhin rüber und gab der LP den letzten Schliff. Daß es die Amerikaner ernst meinten, zeigte der große Aufwand an Werbung und Promotion, der für Michael Hoenig betrieben wurde. Inzwischen spielt er sogar mit dem Gedanken, ganz nach drüben zu gehen.

Doch vorläufig betreibt der begeisterte Polaroid-Fotograf noch mit seiner Freundin an der Berliner Kurfürstenstraße eine Kneipe und ein Kommunikationszentrum mit dem Namen „Einstein“. An Live-Konzerte ist bei Hoenigs Konzept nicht zu denken, weil er dazu noch weitere Musiker braucht, und warum er keine will, das hat er ja schon erwähnt….