Mit ein paar Freunden betreibt Fanta-Vier-Rapper Thomas D die Moderne Anstalt Rigoroser Spakker – ein Paralleluniversum in der Eifel.


Es hätte einem ja schon bei der Recherche im Internet schwanen können: Vier von sechs Routenplanern fühlten sich schwerstens überfordert. „Kein Eintrag – überprüfen Sie Ihre Angaben“. Immerhin: Nummer fünf der virtuellen Reiseroutenberechner war dann doch noch willig. Wäre ja auch gelacht, wenn man der Eifel nicht mit moderner Technik beikommen könnte. Der reisende Reporter ist dennoch einigermaßen ratlos. Das Handy hat kein Netz, und weit und breit ist kein Mensch auf der Straße, den man mal fragen könnte. Der Kilometerstandsanzeiger behauptet derweil nassforsch, dass man nur 105 Kilometer von Köln entfernt sei. Kann sein. Ist trotzdem eine ganz andere Welt hier. Erschwerend hinzu kommt, dass die ausgedruckten Bemühungen von Nummer fünf bei eben dieser Kilometerzahl noch etwas behaupten: Zielgebiet. Schabbach.

Schabbach? Jawohl: Schabbach. Ein 100-Seelen-Dorf, irgendwo inmitten der Vulkaneifel und definitiv da gelegen, wo sich nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht sagen, sondern auch noch allerlei anderes Getier. Kühe. Hirsche. Rehe. Und Thomas D mit seinen Freunden. Schabbach ist nämlich der Ort, in dem er und die Seinen seit etwas mehr als zwei Jahren wohnen. Und zwar auf dem MARS. Was sich extraterresüsch anhört, dröselt sich auf in „Moderne Anstalt Rigoroser Spakker“ und ist ein Gehöft, das mittlerweile insgesamt neun Spakkern – so was Ähnliches wie Freaks im positiven Sinn – nicht nur Zuhause ist, sondern auch Arbeit bietet. Mit „Haus Erika Productions“ gibt es ein Aufnahmestudio, hinter „Momars“ verbirgt sich ein Musikverlag, „Außerirdischenlandeplatz Records“ ist das kommuneneigene Label, und mit den „Time Tourists“ ist auch eine Abteilung für Regie, Film und Video vorrätig. „Somit ist der MARS zu einem idealen Planeten der freien Entfaltung der künstlerischen Kreativität und des sich suchenden Menschen herangewachsen“, heißt das in der Selbstdarstellung der Hofbewohner, der so genannten Marsianer. Und weiter: „Herzlich willkommen in der Welt des Gefühlseins, wo die Harmonie zu Hause ist… auf dem MARS.“ Na prima. Um als Gast auf dem MARS zu landen, muss man allerdings erst einmal dort hingebeten werden.

Kein Problem. Thomas D hat nämlich zum Besuch geladen. Freunde, Bekannte, Geschäftsleute, Medienpartner. Kommen Sie, gucken Sie, staunen Sie. Bei einer ausführlichen Ortsbesichtigung mit BMX & Skate Action. Nature Pool Area. Streichelzoo. Sprayern und Massagen für die wirkliche Tiefenentspannung von Körper, Geist und Seele. Und nicht zuletzt: Sonnenterrasse und Liegewiese mit Blick auf die Vulkaneifel. „Sunny Chili Out Zone“, heißt das im Medienneusprech. Was aber leider nichts daran ändert, dass es damit heute Essig ist. Das Wetter spielt ausdauernd April. Mit dem Unterschied, dass die Regenschauer im Juni deutlich kälter sind als in besagtem Monat. Nun denn, der Kilometerstandsanzeiger behauptet inzwischen, seit mindestens zehn Kilometern am Zielort zu sein. Die nächste Abzweigung geht gen „Wasserfall“ Nehmen. Wenn schon nicht alle Wege nach Schabbach führen, dann vielleicht wenigstens dieser eine hier. Und – oh Glückes Geschick, oh Wunder in der Eifel: Nach weiteren zehn Minuten mit vielen Kurven und engen Sträßchen ist Schabbach erreicht. Der Mars muss nah sein. Ist er auch.

Erster Eindruck: Nach Ansicht der zahlreich geparkten Automobile müssen sich einige Menschen auf dem MARS verlustieren. Zweiter Eindruck: Zum Behufe der perfekten Gastlichkeit haben sich die Marsianer nicht lumpen lassen. Vor dem Hoftor fügen sich vier Großraumzelte ob ihrer Tarnfarben perfekt in die Natur ein, und wenn man mal muss, muss man eins garantiert nicht: anstehen – vier Dixies-Klos warten geduldig auf ihre Benutzer. Haus- und Hofherr Thomas D muss derweil was ganz anderes: Interviews geben, das Fernsehen ist auch da. Dritter Eindruck: Herr Dürr ist bestens aufgelegt und parliert, neuerdings wieder bartlos, unter einem weißen Cowboyhut in die Kamera. Soll er tun. Einfach mal reingehen, den Blick rundherum schweifen lassen und sich die erste Enttäuschung abholen: Momo Sperling sitzt gar nicht im Knast. Moritz Zielke, Darsteller der Fernsehfigur, isst Couscous und allerlei andere vegetarische Schmeckleckereien. Schön für ihn, ein Desaster für einen bekennenden Lindenstraße-Gucker. Weiter nach draußen. Am Ende des Gehöfts befindet sich eine große Koppel. Zwei zufriedene Ziegen futtern Heu, sechs Hunde dösen in der Fünf-Minuten-Sonne – und dann ist da noch ein weibliches Wesen mit ganz eigenem Charme. Erika heißt es, und man sollte sich ihr nicht einfach so nähern. Erika ist nämlich mit Leib und Seele Schwein, und ersterer wiegt mindestens 200 Kilo. Streichelzoo ist nicht, oder nur was für ganz Mutige. Hinter Erikas Rücken parkt ein Relikt aus einer früheren Schaffensphase. Thomas D solo und mit reichlich Rückenwind: Das Wohnmobil sieht nicht besonders fahrtüchtig aus. Schön, wenn man es sich leisten kann, sowas gepflegt vergammeln zu lassen.

Weiter schlendern. Zur Rechten machen BMXer und Skater Kunststücke, was auf dem nass geregneten, himmelblauen Geläuf alles andere als einfach ist. Ein paar Meter weiter zur Linken befindet sich die „Space Bar“. Sonne, Mond und quietschebunte Kugeln leuchten von der Decke, dazu wartet dezent verranztes Mobiliar aus den Siebzigern auf ausruhwillige Hintern. Im nächsten Gebäude, dem Haus Erika mit Studiobereich, regiert kreatives Chaos, und ein Aufkleber manifestiert ein etwas anderes Glaubensbekenntnis: „Am Anfang war der Beat“. Draußen fordert der Regen zum x-ten Mal sein Recht. Philip Jakober, Marsianer mit blonden Dreads, BMXer, angehender Jurist und bei Fanta Viers Label Four Music für alle anwaltlichen Angelegenheiten zuständig, lässt sich aber vom Wetter nicht runterziehen. „Es ist unsere Aufgabe, die positive Bewegung nach vorn zu bringen, da darfst du dich durch so was nicht beeindrucken lassen. Unsere Aufgabe ist zu sagen: ist doch geil, alle sind happy drauf, das Wetter ist auch nur eine Lektion fürs Leben. Okay, es regnet, aber die Pflanzen brauchend.“ Philip ist Marsianer der ersten Stunde, lebt allerdings nicht ständig in der Eifel. „Ich hab‘ in Stuttgart auch noch eine Wohnung, weil ich regelmäßig bei Four Music vor Ort zu tun habe. Ich pendle also zwischen Erde und Mars“, sagt er, und erklärt dann, warum man heute eingeladen hat: „Die Örtlichkeiten sind jetzt so, dass wir sie präsentieren können, unsere Vision ist Realität geworden. Und weil wir kein elitärer Haufen sein wollen, öffnen wir uns jetzt und versuchen, den guten Vibe auch nach außen zu tragen.“

Damit auch dia Ureinwohner von Schabbach was von dem guten Vibe spüren, lassen sich die Marsianer allerhand einfallen. „Ais Thomas für seine Clubtour geprobt hat, sind wir ins Dorf gegangen und haben gesagt, dass es die nächsten zwei Wochen etwas lauter werden könnte. Im Gegenzug für das Verständnis revanchieren wir uns immer. Bei der letzten Fanta-Vier-Tour hatten wir 65 Leute aus dem Dorf auf der Gästeliste. Die haben wir mit einem Bus nach Koblenz karren lassen, und Thomas hat dann von der Bühne gerufen ‚Schabbach is in the house‘ – die waren vielleicht stolz.“

Der Regen gibt nach wie vor alles, entsprechend groß ist der Andrang im Haupthaus, dem Gebäude, in dem auch Thomas D wohnt. Er logiert im zweiten Stock, mit Blick auf die Vulkaneifel. Im Erdgeschoss tummelt sich der Rest der Fanta-Vier-Belegschaft, Smudo redet, Hausmarke redet, And Ypsilon sitzt dabei und lauscht. Die Fernsehleute sind fertig, und so hat der Hausherr Zeit für seine Gästeschar. Und erzählt bereitwillig über sein Gehöft. Über die Idee hinter der „Modernen Anstalt Rigoroser Spakker“. Über das Leben in der Eifel. „Der MARS ist für mich nach Hause kommen, hier kann ich mich meiner Mitte nähern und sie auch finden. Klar haben wir hier so ’ne postmoderne Kommune, aber das bedeutet eben auch, dass ich nicht der Chef bin. Ich hab‘ zwar das Finanzielle mitgebracht und den Hof gekauft, aber ich bin hier einer unter Freunden und kein spiritueller Anführer, leder hier ist ein kreativer Motor, der mich wieder beflügelt. Wir machen hier einer Revolution der Harmonie, und die machen wir alle zusammen.“ Wer es bis dato nicht glauben wollte: Es gibt Leben auf dem Mars, irgendwo in der Eifel. Und das ist verdammt friedlich.

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