Morrissey


DER POP-EXZENTRIKER™ BETRITT DEN SCHAUPLATZ seines einzigen Deutschland-Konzerts. Mit einem zünftigen „Hello Hamburgers“ begrüßt er die versammelte Gemeinde. Hat der Veganer Morrissey sein Publikum zum Fressen gern? Jedenfalls reicht er gleich zum Einstieg ein Sahnestück: „Do Your Best And Don’t Worry“. Dazu stolziert er wie eine Ballerina übers Parkett, schnalzt lüstern mit der Zunge und schleudert das Mikrokabel ausgelassen durch die Luft. Seine Begleitmusiker, vier adrett gekämmte Jungs vom Rockabilly-Gedenktreffen, spielen ein grundsolides Pensum herunter. Den Fans sind die charismafreien Komparsen egal. Wie zu Smiths-Zeiten werfen sie Morrissey Blumen zu. Doch der so Angehimmelte schleudert die Flora bloß barsch zurück. An Rituale aus alten Zeiten mag Morrissey, die Diva, nicht mehr gern erinnert werden, seit ihn ein englisches Gericht dazu verdonnerte, dem ehemaligen Smiths-Schlagzeuger Mike Joyce Tantiemen in beträchtlicher Höhe nachzuzahlen. Dennoch kann Morrissey sich den Griff in die Mottenkiste nicht gänzlich verkneifen. So erinnert „Paint A Vulgar Picture“ vom letzten Smiths-Album „Strangeways, Here We Come“ an vergangene Zeiten. Abgesehen von diesem Abstecher in die Historie beschränkt sich die Songauswahl jedoch auf Stücke aus den letzten drei Alben von Morrissey. „Alma Matters“, „Roy’s Keen“ und „Satan Rejected My Soul“ vom aktuellen „Maladjusted“-Album werden wie alte Bekannte aufgenommen. Zum emotionalen Höhepunkt des Abends aber kommt es bei „The More You Ignore Me, The Closer I Get“: Morrissey zerrt nacheinander ein Männlein und ein Weiblein zu sich empor und läßt sich innig und unter Tränen umarmen. Damit hat sich das Gerücht wohl erledigt, der Mann aus Manchester sei gefühlskalt. Manchmal braucht eben selbst der notorische Denker der Popmusik seine Dosis Human Touch. Nach 60 Minuten verläßt Moz die Stätte des Triumphs, kehrt dann aber noch einmal zurück und bringt „Shoplifters Of The World Unite“ zu Gehör, den zweiten Smiths-Song des Abends. Im Publikum fragt man sich, ob das der Startschuß zu einem Greatest-Hits-Block sein könnte. Doch dann ist auch schon Schluß. Trotzdem: Keiner geht traurig nach Hause – Morrisseys Ausstrahlung hat wieder mal ihre betörende Wirkung gezeigt.