Musikexpress präsentiert: Chemical Brothers


Welchen Geisteszustand sie bei Live Auftritten bei ihrem Publikum erreichen wollten, wurden Tom Rowlands und Ed Simons letztens gefragt. „Delirium“, antwortete Rowlands, „Ich liebe es, wie Leute physisch reagieren, wenn sie etwas intensiv erleben.“ Nun sind die beiden ehemaligen Studenten des Polytechnikums zu Manchester beileibe keine schrillen Dance-Freakos, die in bunten Klamotten stieren Blickes und reines Acid schwitzend auf der Bühne rumflippen. Vielmehr wirken die zwei, wie sie hinter ihren Maschinen stehen und konzentriert an ihren Knöpfen drehen und Tumtables beharken immer noch eher wie zwei unglamouröse Nerds-und auf dem Tanzboden ist trotzdem die Hölle los. Denn die Chemical Brothers haben ein euphorisierendes Elixier im Gepäck, dessen Grundzutaten sie schon Anfang der 90er mit ihren ersten wegweisenden Maxis geliefert und das sie über mittlerweile drei Alben verfeinert, weiterentwickelt, perfektioniert haben. Ein Wundermittel, das in den letzten Jahren auch immer mehr tanzfaule Rockfreunde den Schritt auf die Dancefloors dieser Welt wagen ließ und das mittlerweile einen ganzen Industriezweig ernährt: Big Beat. Und dieser Spaß – das weiß, wer die Brüder auf einem der Sommerfestivals gesehen hat – ist stadiontauglich, auch wenn man, wie die Chemicals, statt hyperaktiver Firestarter-Frontmänner“nur“ eine hypnotische Projektions-Show am Start hat, auch wenn die illustren Castsänger auf dem letzten Album „Surrender“ (Noel Gallagher, Jonathan Donahue, Bobby Gillespie etc) der Live-Performance fernbleiben werden und die Chemicals weitab der (allzu) eingängig-stampfigen Beats eines Fatboy Slim (der in einem generösen Moment vor kurzem einräumte, er habe einfach nur alles kopiert, was die Chemicals je gemacht hätten) in weitaus schwerer zugänglichen, kunstvoll verstiegenen, psychedelischen Gefilden operieren. Das ist nämlich der eigentliche Punkt: die Chemical Brothers sind die Gralshüter der Psychedelic Music im ausgehenden Jahrhundert. Augen zu, Ohren auf und das Tanzbein von der Leine lassen. Dann klappt’s auch mit dem Delirium.