Neu auf Vinyl


Die Gelehrten streiten sich, wer denn die erste Punk-Band gewesen sei. Gute Chancen auf den Titel werden zurecht den Ramones zugeschrieben. Als sie 1974 mit ihren Drei-Akkorde-in-zwei-Minuten-Songs in der New Yorker Szene auftauchten, war die Zeit der später als Proto-Punks bezeichneten Bands (The Stooges, MC5) vorbei und die der 1977er britischen Punk-Revolution noch nicht gekommen. Ramones (1976), Leave Home (1977), Rocket To Russia (1977) und Road To Ruin (1978) (Rhino/Warner), die ersten vier Alben der Band, die jetzt als 180-Gramm-Vinyle auf Basis der originalen analogen Mastertapes wiederveröffentlicht werden, stellen die musikalische Essenz der New Yorker dar. Mehr Joey, Johnny, Dee Dee und Tommy Ramone (1978 ersetzt durch Marky Ramone) braucht niemand, der kein ausgesprochener Fan ist. Mit Klassikern wie „Blitzkrieg Bop“, „Judy Is A Punk“, „Now I Wanna Sniff Some Glue“, „Havana Affair“, „Sheena Is A Punk Rocker“, „We’re A Happy Family“ und „I Wanna Be Sedated“. Das zweite Album Leave Home kommt übrigens in seiner ursprünglichen Version mit dem Song „Carbona Not Glue“, der später durch „Sheena Is A Punk Rocker“ ersetzt wurde.

Die Keimzelle von La Düsseldorf liegt sich auf der zweiten Seite des letzten Neu!-Albums Neu! 75. Die hatte der 2008 verstorbene Gitarrist und Schlagzeuger Klaus Dinger ohne seinen Partner Michael Rother eingespielt, dafür seinen Bruder Thomas und Hans Lampe an Bord geholt. Nach der Auflösung von Neu! machten diese 1975 unter dem Namen La Düsseldorf weiter. Die beiden Alben La Düsseldorf (1976) und Viva (1978) (Teldec/Warner) gelten neben dem Gesamtwerk von Kraftwerk und Neu! als stilprägend für die fortschrittliche deutsche Musik der Siebzigerjahre, die damals etwas ungeschickt als „Krautrock“ bezeichnet wurde. Typisch für La Düsseldorf waren lange, überwiegend instrumentale Songs, die von Dingers motorischem Beat vorangetrieben wurden. Im Gegensatz zur Neu!-Musik wies die von La Düsseldorf durch die flächigen Keyboards und Gitarren leicht kitischige Tendenzen auf. Archetypischer Track ist das 20-minütige „Cha Cha 2000“ vom zweiten Album Viva, das alle Tugenden Dingers ausspielt. „Rheinita“ vom selben Album, ein Song der auf watteweichen Synthesizerwolken daherschwebt, wurde 1978 ein Hit im deutschen Mainstreamradio.

Das dritte Album der kanadischen Singer/Songwriterin Joni Mitchell stellte einen stilistischen Wendepunkt dar. Der simple Folk des Debüts Songs To A Seagull und des zweiten Albums Clouds wurde auf Ladies Of The Canyon (Rhino/Warner) aus dem Jahr 1970 um thematische und musikalische Gesichtspunkte erweitert. Die dezent jazzigen Untertöne in Songs wie „Conversation“ und „For Free“, das elektrische Piano in „Woodstock“, wiesen auf das spätere Werk Mitchells, mit dem sie zum Folk-Alibi-Darling für Hardcore-Jazz-Fans werden sollte. Das Album mit den Hits „Big Yellow Taxi“ und „Woodstock“ kommt im aktuellen Vinyl-Rerelease mit original Coverartwork und Innenhülle. Die Musik wurde vom Original Analog-Master gezogen und auf 180-Gramm-Vinyl gepresst.

Wer noch nicht Besitzer des hervorragenden diesjährigen Debütalbums Holy Ghost! (DFA) der New Yorker Holy Ghost! ist, sollte auf diese Version zurückgreifen, wenn er denn die Geduld aufbringt, die diversen potenziellen Quellen dafür abzusuchen: weltweit auf 500 Stück limitiertes Doppelvinyl, minimalistisches, in Handarbeit hergestelltes Siebdruckcover (anders als das der normalen LP) plus großformatiges Poster mit einem Foto der ganzen DFA-Posse (inkl. Wolfram), aufgenommen vor dem Lebensmittelladen Natalie Grocery Corps. in Brooklyn. Die Musik indes bleibt wie auf allen anderen digitalen und analogen Ausgaben des Albums „handgespielte“, poppy und funky Disco-Musik aus der Proto-House-Ära.

Weitere Neuerscheinungen:

Clap Your Hands Say Yeah – Hysterical

CSS – La Liberación

Deus – Keep You Close

The Drums – Portamento

Dum Dum Girls – Only In Dreams

Emika – Emika

Feist – Metals

Girls – Father, Son, Holy Ghost

Iceage – New Brigade

Jolly Goods – Walrus (LP + CD)

Grace Jones – Hurricane / Dub (2 LPs)

The Kooks – Junk Of The Heart

Laura Marling – A Creature I Don’t Know

Modeselektor – Monkeytown (2 LPs)

Neon Indian – Era Extraña

The Rapture – In The Grace Of Your Love (2 LPs)

The Rifles – Freedom Run

Twin Sister – In Heaven

Walls – Coracle

Wilco – The Whole Love (2 LPs)

Zola Jesus – Conatus