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Wie alt darf man sein, um noch Pop zu sein? (oder: Die Seite, auf der niemand vorkommt, der unter 42 ist)

Ein wesentlicher Teil der letztmonatigen Meldungen war dem Thema Zusammenbrüche auf Bühnen gewidmet; nachtragen müssen wir, dass sich LEONARD COHEN unter die Opfer eingereiht hat: Der Jahrhundertpoet kollabierte im Luis-Puig-Radstadion von Valencia, ist inzwischen aber wieder auf den Beinen. Schuld war eine Lebensmittelvergiftung, dennoch werden Skeptiker darauf hinweisen, dass Popbühnen nicht der ideale Aufenthaltsort für einen 74-Jährigen sind. Mag sein, widerspricht der gesetzte Ästhet – aber wer, wenn nicht die Alten, soll denn in den Wirren der dahindämmernden Pop-Endzeit dafür sorgen, dass es Musik zu hören gibt, die mehr Leute hören wollen als eine Handvoll masochistischer Distinktionsgewinnler, die den schlimmsten Krach ertragen, um hip zu sein? Wäre dem nicht so, ginge es der Welt wohl am Arsch vorbei, dass nach Blur nun auch deren zeitweilige Vorbilder PAVEMENT das tun, was hippc Bands früher nie getan hätten: sich reunieren. „Das kam vollkommen natürlich“, sagt Gitarrist Scott Kannberg (43) über den Neuauflage, die am 21. September 2010 im New Yorker Central Park ihren Anfang nimmt. Was dann passieren werde, sei offen, aber, fügte Kannberg hinzu, „es wird so sein, als fingen wir ganz neu an“. Was sich der Mensch gerne mal wünscht, so wie der zwischenzeitliche Cat Stevens YUSUF (61), der im November erstmals seit 33 Jahren wieder auf Tour geht (vorläufig nur in Großbritannien) und dabei auch Songs aus seinem neuen Musical „Moonshadow“ vortragen wird – womit er sich einen Kindheitstraum erfüllt habe: “ Eigentlich wollte ich Komponist werden, nicht Popstar. “ War ja nicht der einzige längere Umweg seines Lebens. Die Jüngsten sind auch PAUL MCCARTNEY (67) und RINGO STARR (69) nicht mehr – aber die erfolgreichste Popkapelle dieses Jahres, die derzeit mit (mindestens) 13 Alben gleichzeitig in den Charts herumkurvt. Weil dazu indes an anderer Stelle dieses Hefts noch einiges zu sagen sein wird, beschränken wir uns auf die Meldung, dass den Soundtrack zu dem Film „Nowhere Boy“ über JOHN LENNONs Jugend (Premiere: 29. Oktober in London) nicht die BEATLES liefern, sondern GOLDFRAPP (43 bzw. 50). Das Drehbuch schrieb Matt Greenhalgh, bekannt durch den Joy-Division-Streifen „Control“, was wir nur erwähnen, um dahin überzuleiten, dass Cft4/?L47/4JV$-Sänger Tim Burgess (erst 42!) neuerdings die Bestellnummer (F.A.C.33) der ersten NEW-ORDER-Snge „Ceremony“ alsTattoo auf dem Schlüsselbein trägt. Weitere Gedanken zu diesem Tumult kaskadierender Heldenhuldigung sparen wir uns, kehren lieber noch mal zu den Beatles zurück und äußern eine leicht skeptische Spannung auf das gemeinsame Album, an dem McCartney und Starr derzeit arbeiten. Und um den Reigen der Sätze, die die Wendung „zum ersten Mal seit“ enthalten, noch zu erweitern, vermelden wir, dass Mick Jones und Topper Headon (beide 54, THE CLASH) kürzlich nach 27 Jahren erstmals wieder gemeinsam im Studio waren, um für die gleichnamige, von BILLYBRAGG (51) initiierte Charityorganisation eine neue Version ihres Uraltknallers „Jail Guitar Doors“ aufzunehmen. Bragg selbst war mit dabei, ebenso wie vier ehemalige Knastinsassen, die dank Jail Guitar Doors schon während ihrer Zeit hinter Gittern musizieren konnten. Was Herrn Headon, der wegen Drogen einst selber einfahren musste, nicht unbekannt ist: „Ich hatte damals das Glück, an eine Gitarre zu kommen, die dem Gefängnisvikar gehörte. Ohne sie hätte ich das nicht durchgestanden.“ Vielleicht sollte RONALD „Good Looking“ WOOD (62) schon mal die Gitarre einpacken. Dem ansonsten eher für seine Trinksitten bekannten, aber manierlichen Gitarristen der ROLLING STONES schickten neulich Nachbarn die Polizei ins Haus, weil er sich derart heftig mit sei ner 20-jährigen Freundin Ekaterina stritt, dass körperliche Gewalt zu befürchten stand. Notiert wurde auf Woods Ankündigung, mit seiner Noch-Frau Jo essen zu gehen, ihr Ausruf „Ich bringe mich um!“, den er mit einem kernigen „Fuckoffhome,youslut!“ beantwortete. Was die Öffentlichkeit eigentlich gar nichts angeht, weshalb wir, eher wir noch weiter auf Abwege geraten, den geriatrischen Bogen dieser Ausführungen mit MADONNA (51) beschließen wollen, die kürzlich kundtat, sie sei bis zu ihrem 40. Geburtstag „ein Clown und eine Idiotin“ gewesen. Was sich seitdem glücklicherweise komplett geändert hat. Hoffnung, ihr Jungen!