Nico


Das Licht zeigt wenig Stärke, als Nicos Band The Faction zu einem langen, rhythmischen Intro ausholt, bei dem die Musiker ihre Virtuosität dokumentieren können. Dann kommt sie mit der obligatorischen, qualmenden Zigarette zwischen den dick gewordenen Fingern taucht Nico mit ihrem langsamen, tiefen Grabesgesang ein in die schleichende Gespenstigkeit des Eröffnungs-Songs „Fearfully In Danger“.

Da steht sie nun, die einstige Gastsängerin der Velvet Underground, deren eisige Erscheinung man einst mit dem Büchner-Zitat (aus „Woyzeck“) charakterisierte:“Sie läuft ja wie ein offenes Rasiermesser durch die Welt, man schneidet sich an ihr“.

Heute, Jahre später, wirkt Nico zwar immer noch wie die Ewig-Velvet-Underground-Vertriebene, doch erscheint sie in ihrem zelebrierten Exil der Trauer & des Melodramas erstaunlich entspannt und abgeklärt.

„They Want My Voice For Their Fears“ intoniert Nico mit typischer Stimme (die Silben werden in die Länge gezogen); mit ironisierender Selbsteinschätzung die funkige Ballade „Win A Few“. Überlegen durchstreift sie die herbstlichen Novemberbilder von Melancholie und Morbidität, ohne sich aber darin selbstzersetzend zu verlieren. Nico agiert jenseits der Klischees eines Todes-Kults, mit dem so viele – von ihr beeinflußte – Gotik-Rocker der Punk-Ära (Joy Division/Bauhaus Siouxsie) kokett geflirtet haben.

Hatte sie bei früheren Auftritten oft Songs der alten Velvets interpretiert (von „Femme Fatale“ bis „Waiting For The Man“), meistens allein am Harmonium sitzend, so beschrankt sie sich nun endgültig auf das eigene Repertoire, das von türkischen Bazaartönen („Into The Arena“) über Exkursionen in die Litanei (bei ihrer beeindruckenden Version des Doors-Hits „The End“) bis zum puren Pop reicht („My Heart Is Empty). Dabei wirkt Nico immer noch frischer und überzeugender als eine sich im Selbstmitleid verlierende Anne Clark. Nico macht schöne, traurige Musik für emotionsgeladene Begegnungen auf dem Asphalt des 20. Jahrhunderts.