No Doubt: Gaaanz entspannt


Partys von U2 beschallen, auf Jamaika einen nach dem anderen durchziehen und nebenbei mal eben ein Album aufnehmen: No Doubt haben zur Leichtigkeit des Seins zurückgefunden.

No Doubt – war das nicht diese Ami-Band, die vor ein paar Jahren mal einen Hit hatte? „Don’t Speak“? So ein echtes One-Hit-Wonder? Nee, die hauen ja sogar ein paar mehr. „Spiderweb“. Und Just A Girl“. Ein Multiple-Hit-Wonder also, mit immerhin 16 Millionen weltweit verkauften Exemplaren ihres 95er-Albums „Tragic Kingdom“, so benannt in Anlehnung an ihre Heimat in Anaheim, Kalifornien, und das dort gelegene Mickey-Mouse-Königreich „Magic Kingdom“. Aber danach, was war da? Irgend so ein dubioses Artsi-Fartsi-Selbstverwirklichungsalbum, welches, außer der Band selbst, gerade mal noch einige wenige ewigtreue Fans mochten. Schon der eso-astro-angehauchte Titel „Return Of Saturn“, pffff. Bliebe natürlich noch die Sängerin, Gwen Stefani, in lebhafter Erinnerung. Ein wirklich scharfer Feger, so was in Richtung jüngere, dünnere Madonna. War die nicht mit einem Rockstar zusammen? Dem Typ, der genauso singt wie Kurt Cobain? Gavin Rossdale von Bush? Besonders letztere Frage beschäftigt das ausgesuchte Rudel internationaler lournalisten, das sich zum Pressetermin mit No Doubt in Los Angeles eingefunden hat. Jeder Einzelne von ihnen quält sich mit dem gleichen Problem herum: Wie stelle ich die Frage nach ihrer Beziehung, ohne sie zu beleidigen? Oder: Wie lange rede ich um den heißen Brei herum, bis ich endlich die Frage nach ihrer Beziehung stelle?

Dabei ist die Frage obsolet. Einmal in die ausgehändigten Zettel mit Songtexten des neuen Albums „Rock Steady“ reingeschaut, entdecken wir eins, zwei, drei – eine Hand voll Songs, in denen Gwen von den Strapazen ihrer Fernliaison mit dem britischen Sänger singt. Okay, hört sich nicht nur nach Zuckerschlecken an, aber im Gegensatz zu den Texten von „Tragic Kingdom“, in denen sie ausgiebig ihre gescheiterte Affäre mit No Doubt-Bassist Tony Kanal schilderte, klingen in „Making Out“, „Detective“ und „In My Head“ noch so etwas wie Liebe und der Wille, alle damit verbundenen Querelen zu ertragen, mit. Außerdem hat sie erst im September, während der Abmischungen am neuen Album, sechs Wochen bei Rossdale in London gewohnt. Und vor einer Woche sah man sie und Gavin dann Händchen haltend am Set zu No Doubts neuem Video „Hey Baby“, Papa Dennis Stefani still grinsend im Hintergrund seinen Segen dazu gebend. Und – jetzt greifen wir unfairerweise an den Kollegen vorbei etwas in die Zukunft – sie will ein Baby mit Gavin! Ja, ein menschliches Wesen aus Fleisch und Blut, so um die 50 cm gross und sechs Pfund schwer. Genauso eins, wie es Drummer Adrian Young mit seiner Frau Nina erwartet, genauso eins, wie es jedes Bandmitglied mit dem jeweiligen Partner möchte. Sagt sie jedenfalls. Am Ende des Interviews. Aber da sind wir ja noch nicht. Dazu müssen wir raus aus dem Warteraum mit der dröhnenden Endlos-Musik, den überquellenden Aschenbechern, den Burger-, Fritten- und Colaresten und den hin- und herwandernden Journalisten, die still die Lippen bewegen: „Wie frag ich sie nur, wie frag ich sie nur?“ Es geht die Treppe hoch, zur Penthouse-Suite des Aigyle-Hotels. Früher hieß der mausgraue Art-Deco-Kasten am Sunset Boulevard St. lames Club und beherbergte in seinen Apartments Hollywood-Stars wie Clark Gable und John Wayne. Der soll sogar mal auf einer Kuh hereingeritten sein. Heute nutzen die bis zu 900 Dollar teuren Suiten hauptsächlich geltungssüchtige und überbezahlte Geschäftsreisende bzw. Platten- und Filmfirmen, die glauben, trostlosen Press-Junkets hier einen goldenen Rahmen geben zu können. Die Aussicht oben im 15. Stock ist atemberaubend. Man blickt auf endlose Geraden, unterbrochen von wenigen, aber notwendigen Kurven. Am Ende erstrahlen pazifikfarbene Punkte, gekrönt von goldblonden Wellen. Und wenn man dann endlich den Blick von Gwen Stefani löst und aus dem Fenster herausschaut, kann man sogar den ganzen westlichen Teil von Los Angeles bis hin zum Strand überblicken. Aber die Augen wandern unweigerlich wieder zurück zu Gwen, die sich auf dem Sofa lümmelt und ihre baren Fußzehen mit den roten Glitzernägeln knetet. Dort bleiben sie haften, egal ob da neben ihr noch Gitarrist Tom Dumont und Tony Kanal sitzen.

Das ist ein altes Problem von No Doubt. Und es hat früher zu ernsthaften Auseinandersetzungen zwischen den Bandmitgliedern geführt. Für die Medien – und sicherlich auch für viele Fans – IST Gwen Stefani No Doubt. 1996, auf dem Höhepunkt der „Tragic Kingdom‘-Hysterie, ließen sich Teenager-Gören scharenweise die Haare blond peroxidieren. „Gwenabees“ nannte man sie. Und Redakteure schnitten – schnipp, schnapp! – die Bandmitglieder aus den Gruppenfotos raus und packten Gwen solo aufs Cover. Bis es den anderen reichte. „We are a band! Not just a girl!“ zeterten sie – und drohten mit ihrem Ausstieg. Doch diese Zeiten sind vorbei. Man hat sich arrangiert, akzeptiert die Gwen-Fixierung der Medien, die sich zuletzt in Covern des LIS-Magazines „Blender“ (Story: „The 50 Sexiest Artists Of All Time“) und „Vanity Fair“ („The Music Issue“) niederschlug, und freut sich sogar über ihre Solo-Unternehmungen an der Seite von Moby, Brian Setzer und Eve. „It’s all good, Hollywood“, wie es Tom beschreibt. 14 Jahre hat es gedauert, bis No Doubt diesen – Gavin Rossdale, bitte weghören – Nirvana-ähnlichen Zustand erreichten. 14 Jahre, in denen sich ihr erster Sänger, John Spence, erschoss, ihr Gründer (und Gwen-Bruder) Eric Stefani die Gitarre gegen Buntstifte vertauschte, um fortan Homer Simpson anstelle von No Doubt-Songs die Konturen zu geben. Sie überlebten zwei erste erfolglose Alben und dann eines der erfolgreichsten Pop-Alben der 90er. Sie quälten sich zwei Jahre im Studio mit dem Nachfolgealbum, mit dem sie ihre musikalischen Qualitäten mehr als ihre kommerziellen beweisen wollten, und verdauten konsequenterweise auch dessen vergleichsweise magere Verkaufszahlen. Und jetzt, am Ende dieser Odyssee, sind sie weder zynisch noch erwachsen geworden, sondern wollen nur noch eins: „Spaß!“, ruft Tom. „Wir wollen einfach nur noch Spaß mit unserer Musik haben!“ Der Hedonismus überfiel die Vier bereits während der „Return Of Saturn“-Tour. „Der ganze Stress, dieses Gefühl, sich selbst etwas beweisen zu wollen, fiel von uns ab“, erinnert sich Tony. „Wir feierten jeden Abend auf und hinter der Bühne.“ Besonders hinter der Bühne. Hobby-DJ Tom packte die Boombox aus und legte die neuesten Dancehall-Compilations aus lamaica auf, während Gwen & Co. sich den Arsch abtanzten. Am Ende der Tour, Anfang 2001, tanzten sie dann gleich weiter in Toms Heimstudio in den Hollywood Hills – mit dem Gefühl, ihre alte Liebe zu Ska und Reggae genauso wie ihre Freundschaft zueinander wieder belebt zu haben. „Wir wollten einfach weiter zusammen Party machen, wir wollten nicht aufhören“, erklärt es Gwen. „Die Aufnahmen zu dieser Platte liefen deshalb wie geschmiert, das war ein wunderbares Jahr.“

Zwei Monate schrieben Gwen, Tom und Tony die ersten Songs. Drummer Adrian, der seit jeher wenig Interesse an diesem Prozess hat, vergnügte sich derweil als Herausgeber einer alternativen Golfzeitschrift namens „Schwing“. Dann wurden gemeinsam ein paar Songs produziert. Dann wieder in die Schreiber-Klause. Dann alle nach England. Zurück nach Los Angeles. Ab nach Jamaika. Los Angeles. Wieder England. San Francisco… „Wir hatten einige neue Trips in der Zeit“, grinst Tony. „Wir hielten es bewusst locker. Denn die Aufnahmen zu ‚Return Of Saturn‘ uferten nach einiger Zeit in echte Arbeit aus, und das wollten wir diesmal auf alle Fälle vermeiden.“ „Absolutes Highlight war die Tour nach Jamaica“, ergänzt Gwen. „Wir mieteten ein Anwesen an der Nordküste, mit wunderbarem Meerblick und nur einem einzigen Telefon, leden Morgen ging es an den Strand, danach gab es das wunderbarste Essen, und frühestens am Abend haben wir aufgenommen. Aber manchmal gab es Stromausfälle, und dann sind wir gleich in die Dancehall-Clubs der Insel und haben die Nacht durchgetanzt.“ „Lind zum Frühstück gab’s dann wieder Rum-Cola oder Red Stripes, um uns in Stimmung zu bringen“, erzählt Tony Kanal weiter. „Es ist ein Wunder, dass wir überhaupt etwas in dieser Zeit geschafft haben.“ Deutlichstes Zeugnis der Jamaica-Reise auf „Rock Steady“ ist der Song „Start The Fire“, zu dem Gwen die unmissverständlichen Zeilen „Go and get the lighter, we re gonna need some fire, let’s get a little higher“ dichtete. „Klar, da geht es um Zigaretten der besonderen An“, gesteht Tom. „Das dürfen nur Gwens Eltern nie erfahren…“

An „Rock Steady“ wurde nicht nur kreuz und quer über den Globus verteilt gebastelt, es wurde auch mit den verschiedensten Produzenten gearbeitet. Tom: „Wir hatten eine Liste von prominenten Musikern und Produzenten, die wir einbeziehen wollten. Lind wir haben sie alle bekommen. Was wohl daran liegt, dass wir inzwischen selbst prominent genug sind.“ Die Liste ist in der Tat beeindruckend: Jamaikas Reggae-Legenden Sly & Robbie produzierten unter anderem die erste Single „Hey Baby“, ein Song darüber, wie sich Jungs und Mädel(s) im Backstagebereich anmachen, und sorgten dafür, dass lokale Dancehall-Größen wie Lady Saw und Bounty Killer mitsangen. William Orbit, bekannt vor allem für seine Arbeit an Madonnas „Ray of Light“-Album, brachte den Song „Making Out“ in Form, während Ex-Cars-Steuermann Ric Ocasek seinen New-Wave-Touch auf „Don’t Let Me Down“ und „Platinum Blonde Life“ legte. Mit dem Eurythmischen Dave Stewart schrieben sie in London das bittersüße Liebeslied „Underneath It All“. „Man spürte einfach seine unglaubliche Erfahrung“, staunt Tom noch heute. „Nur einer wie Dave kann mit schlichten Mitteln so Großartiges erreichen. Ich hätte viel zu viel über jeden einzelnen Akkordwechsel nachgedacht und den Song damit wahrscheinlich gekillt.“ Weitere Tracks wurden von Nelle Hooper (Björk, Soul 11 Soul, Sinead O’Connor) und dem FlipHop-Produzententeam The Neptunes (verantwortlich für die letzte Britney-Spears-Single) aufpoliert. Selbst Westcoast-Pate Dr.Dre und Hitmacher Timbaland (Jay-Z, Missy Elliott) arbeiteten zwei Titel für No Doubt aus. „Diese Tracks schafften es allerdings nicht aufs endgültige Album“, erzählt Tom. „Sie sind gut, aber für Rock Steady‘ waren sie uns zu hiphoppig. Stattdessen packten wir einen Song, den wir noch aus den ‚Return Of Satum‘-Sessions über hatten, drauf“: „Waiting Room“, mitproduziert und -gesungen von Prince. „Damit ging vor allem für Tony ein Traum in Erfüllung“, freut sich Gwen rückblickend. „Als wir zu High-School-Zeiten anfingen miteinander auszugehen, dachte er, er sei Prince.“

Gerade als die Band in London letzte Hand an die Scheibe legte, rasten in New York und Washington Flugzeuge in das World Trade Center und das Pentagon. „Auf einmal erschien uns das Album alles andere als angebracht“, erinnern sich Tony und Gwen an die Katastrophe. „Aber nach einiger Zeit, nachdem der erste Schock und die erste Trauer überwunden waren, überlegten wir uns: Jetzt erst recht! Gerade in solch schwarzen Zeiten braucht die Welt Ablenkung, Unterhaltung, Spaß.“ Bereits im November fingen No Doubt an, den Spaß unter die Leute zu bringen. Als Vorgruppe von U2 spielten sie in den USA einige ausgewählte Konzerte. Tom besorgte für die anschließenden After-Show-Parties sogar eine professionelle P.A.: „Die Boombox vom letzten Jahr hat ausgedient.“ 2002 werden No Doubt dann als Headliner mit dem neuen, leichteren Material die Welt bereisen. „‚Return Of Saturn‘ hätte man auf keiner Party spielen können. ‚Rock Steady‘ hingegen werde ich auch auf den After-Show-Parties mühelos in meine DJ-Sots mischen können. Die Platte ist eine einzige Party“, freut sich Tom bereits.

Vor Tourstart müssen allerdings noch wenige kleine Probleme aus dem Weg geräumt werden: No Doubt brauchen einen neuen Fitnesstrainer, der mitreist. „Der Letzte“, erzählt Gwen, „ein Schotte, hat in Detroit ein Mädchen kennen gelernt, in Las Vegas geheiratet und ist mit ihm zurück nach Schottland. Lind in unserem Alter braucht man einfach einen, der einen zum Sport zwingt. Das Tourleben ist sonst wirklich zu ungesund und anstrengend.“ „Einen Koch will ich diesmal auch dabei haben“, fordert sie weiter, allerdings nicht ganz ernsthaft. „Lind einen Masseur. Und einen Yoga-Lehrer…“ Klar, sonst noch Wünsche? „Babies! Wir wollen alle Babies haben, so wie Adrian und Nina…“ Junger Mann zum Mitreisen gesucht…irgendwelche Interessenten?

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