Nordisch by nature: Die Hamburger New School


FISCHMOB

Cosmic DJ, der schreckliche Sven, Stachy und DJ Koze, vier Fischköpfe aus Flensburg, die sich eigentlich auf ihrem Kultstatus ausruhen könnten. Ihre 95er Debüt-Single „Ey Aller“ schlug ein wie eine Bombe und avancierte dank der nahezu jedermann geläufigen Thematik „Prolet trifft Pistengänger und schlägt zu“ innerhalb kürzester Zeit zum absoluten Szenehit. Flüssige Raps, Samples, die auf Geschichtsbewußtsein schließen lassen (u.a. von Zappa) und eine gehörige Portion Selbstironie begeisterten vom B-Boy bis zum Altpunk nahezu jedermann. Die längst überfällige Alternative zum bierernsten Gralshüter-Gestus der Musikpolizei um Advanced Chemistry. Das Album „Männer können seine Gefühle nicht zeigen“ (1995) festigte diese Position, verkaufte ohne nennenswerte Promotion 30.000 Einheiten und ist damit die erfolgreichste deutsche Independent-Produktion seit Menschengedenken. Das demnächst erscheinende, genre-sprengende neue Album „Power“ wird Fischmob dann wohl auch endgültig in den HipHop-Olymp katapultieren.

DER TOBI UND DAS BO

„Genie & Wahnsinn liegen dicht beieinander“, titelte ihr Debüt. Wobei klar ist, wer von beiden was repräsentiert: Tobis Beats und Sounds waren und bleiben funky, fett und frisch, während Bo, der assoziativ-schürfendste MC der Republik, allerhand alberne und abseitige Texte zum besten gab. Die Zeit war nicht reif und die alte Plattenfirma bald pleite, so daß der konzeptionelle Neuanfang uns jetzt den Griff nach den 5 Sternen bescherte.

FETTES BROT

„Die sind ja niedlich , dachten acht Millionen pubertierende Mädchen und brachten Doktor Renz, Schiffmeister und den jungen Elvis in die Charts und Hanseaten-HipHop in alle Haushalte. Der Erfolg, besonders des zweiten Albums „Außen Tophits, innen Geschmack“, öffnete nachfolgenden Projekten Tür und Tor. Musiker, die in Elton-John-Tradition finanziell kränkelnde Fußballteams unterstutzen (der SUS Waldenau, Planziel: erste Liga im Jahr 2053, trägt Fettes Brot als Sponsor auf dem Trikot) und sich auf der neuen Folge der legendären „Drei ???“-Hörspiel-Cassetten verewigen, müssen sowieso gute Menschen sein.

VISIT VENUS

Das Schmeichel-Soundtrack-Hop-Projekt von Tonmeister Super Mario von Hacht und DJ Coolmann. Mario veredelte schon den Sound der Brote und nahezu sämtlicher anderer Hamburger Hopper, remixte die Fantastischen Vier und veröffentlicht nach Feierabend unter dem Namen Molly Hartmann ambiente Klanglandschaften, an denen Brian Eno seine helle Freude hätte. Partner Coolmann betreibt neben seiner Tätigkeit als Plattenkratzer für Fünf Sterne Deluxe auch noch das vielversprechende Label Hong Kong Records. Visit Venus‘ Debüt „Music for Space Tourism Vol. 1“ begeisterte 1996 User und Feuilletonisten gleichermaßen. Ein Nachfolger soll bald das Licht der Welt erblicken.

ABSOLUTE BECINNER

Blutige Anfänger sind sie längst nicht mehr. Auf ihrer letzten Platte „Flashnizm“ erinnert nichts mehr an die gutgemeinte, etwas bemühte Coverversion von Slimes „Wir wollen keine Bullenschweine“, mit der die Beginner vor vier Jahren begannen. Im Gegenteil wird hier gejammt, geflasht und gewitzelt, bis der Arzt kommt. Live gespielte Instrumente, Moogsounds und R’n’B-Gesangseinlagen machen „Flashnizm“ zu einem der wärmsten und vielschichtigsten HipHop-Releases aus Hamburg. Crooner Eißfeldt stellte sein Schmachtorgan auch schon den Broten zur Verfügung. Das anstehende neue Werk wird sich wieder auf die Wurzeln berufen: Two Turntables and a Microphone.

ADOLF NOISE

Strenggenommen verbirgt sich hinter diesem Namen kaum etwas, das HipHop genannt werden möchte. Vielmehr veranstalten Marc Nesium von Fünf Sterne Deluxe und DJ Koze (Fischmob) den kompletten Freestyle. KLF meets Helge Schneider in der Betty-Ford-Klinik. Das erste deutschsprachige Chili Out-Hörspiel „Wunden, s. Beine offen“ ist Insterburg & Co für die Neunziger und nebenbei die Lieblingsplatte von Kruder & Dorfmeister. Surrealer Humor in Höchstform.