Omaha, Diaspora – alles klar?


Tilly And The Wall sind Kinder der Omaha-Szene um das von Conor Oberst gegründete Label Saddle Creek. Mit dem dritten Album hat der Indie-Kindergarten die Reifeprüfung bestanden. Was aber ist mit der Wiege passiert?

Warum Omaha? Warum keimte ausgerechnet hier, in den Weiten des Mittleren Westens, in den 9oern eine bald umjubelte junge Musikszene zwischen Folk, Rock und Indie-Disco? Was hatte die Hauptstadt Nebraskas, das andere nicht hatten? Und warum hat man jetzt das Gefühl, dass auf dem mit dieser Szene quasi synonymen Label Saddle Creek – vielleicht mit Ausnahme des neuen Son-Ambulance-Albums – nur noch mäßig Spannendes rauskommt? Was ist da los in diesem Camp, das jahrelang eine der wichtigsten Schaltstellen des globalen Dorfes Indiehausen war? Conor Oberst, prominentester Sohn und Mitbegründer des Saddle-Creek-Kollektivs, hat sein neues Album bei der Indie-Konkurrenz Merge Records (Arcade Fire, Lambchop) in North Carolina veröffentlicht. The Faint, die nach Bright Eyes zweitwichtigste Band des Labels, haben sich selbstständig gemacht. Und Neuzugänge wie Sebastian Graigner, Tokyo Police Club und Land Of Talk stammen aus Kanada, was eher nicht in Omaha liegt.

„Omaha ist im Winter sehr kalt, im Sommer sehr heiß, und dazwischen passiert gar nichts“, meinen Kianna Alarid, Neely Jenkins und Jamie Pressnall von Tilly And The Wall, „drum bleibt man zu Hause oder bei Freunden und macht Musik.“ Die Frontfrauen des Quintetts, das aus den Resten von Conor Obersts High-School-Band Park Ave hervorging, müssen es wissen. Man kann die Band als Ziehkinder des Saddle-Creek-Clans bezeichnen. Als TATW sich Ende 2001 formierten, traten sie als anarchisch-kindischer Show-Act auf Partys von Freunden der lokalen Musikzene auf.

Conor Oberst fand auf Anhieb Gefallen an der Muntermachmusik von Tilly And The Wall. Mit ihrer Kombination aus Twee Pop, 60s-Girl-Group-Harmonien, Folkrock und, ja, Stepptanz schienen die drei Mädchen und zwei Jungs wie geschaffen, um den Midwestern Blues zu vertreiben. Die Saddle-Creek-Kollegen rieten zwar zu einer professionellen Karriere, wollten die Band aber nicht für das Label signen. Womit wir bei der Antwort auf mehrere der eingangs gestellten Fragen wären. „Bei Saddle Creek werden alle Entscheidungen im Kollektiv getroffen“, erinnert sich Kianna Alarid. „Conor wollte uns, der Rest aber nicht.“ Was in der Anfangszeit des Labels mit ein Grund für dessen rasanten Aufstieg war, nämlich das Vertrauen auf die kollektive Entscheidung, stellte sich nach und nach als Hemmschuh für die Weiterentwicklung heraus – vor allem, weil man sich nicht mehr so grün war wie früher. Neben der üblichen Diaspora, die nun mal über plötzlich erfolgreiche Musikstädtchen kommt und ihre kreativen Köpfe in die ganze Welt verstreut, hat bei Saddle Creek der Entscheidungsmodus in Sachen Signings und Künstlerentwicklung zu einigen Spannungen geführt. Der Bruch wurde schon 2004 sichtbar, als Oberst in New York sein eigenes Label „Team Love“ gründete, um den von Saddle Creek verschmähten Tillys eine Plattform zu bieten.

Mittlerweile hält der Ableger beinahe so viele Bands und Künstler wie das Mutterlabel. Und die Kinder von Saddle Creek sind auch erwachsen geworden: o, das dritte Album von Tilly And The Wall, war bis jetzt das erfolgreichste aus Omaha in diesem Jahr. Christian lehnert >»www.tillyandthewall.com/ >» albumkritik me 11/08