Paradise Lost – Believe In Nothing


Pathos im Paradies Die metallischen Melancholiker aus Großbritannien wälzen ihre Gitarren auf fortschrittlich ernstem Synthie-Pop.

Ahrrg, schon wieder Synthesizer, grollt der überzeugte Metalmensch – aber nur die ersten drei Sekunden lang. Dann ist sie wieder da: die Gitarre! Die herzhafte Gitarre. Die stattliche Gitarre. Die dralle, pralle, fleischige, feiste Gitarre, dieser rundliche Körper in seinem wärmenden Rockbett, den Paradise Lost auf ihrem letzten Album HOST so schmählich im Stich gelassen haben, um ihr Glück in der Kälte des Depeche-Mode-Landes zu suchen. Doch mit BELIEVE IN NOTHING sind sie zurückgekehrt und haben auch ihr Bündel Unglück immer noch im Gepäck, mit dem sie seit über zwölf Jahren durch die Welt ziehen. Und es geht wieder „Schluchz, Bratz, Schluchz , wenn die fünf Herren aus Yorkshire die Dämmerung des ewigen Winters beschwören und bedächtig ihre Oden an das fahle Sternenlicht intonieren. Ohne Zweifel, Paradise Lost haben den doomigen Rock wiederentdeckt. Ins Metal-Lager zurückgerudert sind sie deswegen aber noch lange nicht. Vielmehr wälzt die Band nun ihre Gitarren auf den fortschrittlich-ernsten Synthiepop, bei dem sie anno 1999 mit dem Vorgängeralbum HOST angelangt war, und webt so an einem ziemlich eigenständigen Gespinst aus Gothic Pop und Doom Metal. Nachdem Paradise Lost mit besagtem HOST ihren über die Jahre gepflegten, kontinuierlichen Entwicklungsprozess durchbrochen hatten und dabei durch diesen nicht ganz zu Ende gedachten Synthesizer-Ausflug beinahe weggekippt wären, müssen sie sich nun neu verorten. Mit einigen Abstrichen gelingt ihnen das gut auf BELIEVE IN NOTHING. Glücklicherweise geschieht das, ohne dass die Band einfach stur am alten Konzept wieder anknüpfen würde. Bestes Beispiel dafür ist der Opener „I Am Nothing“. Mit einer Elektro-Sitar bauen Paradise Lost hier die Brücke zwischen dem pulsierenden Metal-Riff und dem bläulich frostigen Synthesizer-Gezirpe. Und Sänger Nick Holmes geht’s natürlich wieder ganz ganz schlecht. Forsch schreiten Paradise Lost auf dem eingeschlagenen Weg voran, zeigen sich bei „Mouth“ von ihrer majestätischen Metal-Seite und lassen sich bei „Fader“ ohne Groll ganz traurig durch pittoresk gotische Nebel treiben. Bei „Look At Me Now“ jedoch werden die fünf gesetzten Herren ohne Grund plötzlich quengelig und eröffnen den Blick auf die kleinen Fehler, die BELIEVE IN NOTHING gerade da bremsen, wo das Album in voller Fahrt auf das Ziel „ganz großer Wurf“ zuhält. Offenbar mussten sich Paradise Lost bei der Entstehung dieses Albums immer wieder bemühen, den treffenden Mix aus Metal, Gothic und Pop zu finden, so dass das Songwriting unter dieser Suche nach dem musikalischen Weg zu leiden hatte. Je exakter das Quintett an seiner ausgewogenen Architektur mit allerlei stilistischen Elementen, aber einem exakten Ziel vor Augen festhält, desto unspannender werden die einzelnen Stücke des Albums. Bis man schließlich bei Tracks wie „Seil It To The World“ oder „Control“ ankommt, bei denen das Soundgerüst nur mühsam eine gewisse inhaltliche Leere verpackt. Das ist schade, aber nicht schlimm. Schließlich glänzt der größte Teil von BELIEVE IN NOTHING mit einem zukunftsweisenden Strickmuster aus metallischer Schwere, düsterer Tiefe und natürlich mit viel sympathischem Pathos. Nicht zu vergessen auch, dass Paradise Lost nie nach esoterischen Zirkeln schielen, sondern ihre Musik, so

DISCOGRAPHIE

Lost Paradise 1990 Gothic 1991 (beide Snapper/Edel) ShadesOfGodl992 Iconl993 Draconian Timesl995 One Second 1997 Reflation – The Best Of Paradise lost 1998 (alle Music For Nations/Zomba) Host 1999 Believe In Nothing 2001 (beide EMI Electrola) eigenständig sie auch sein mag, immer mitten hinein in die Welt des allgemeinverständlichen Pop stellen. Ein reifes Werk.