Paul McCartney


Der produktivste und kreativste aller Beatles, Paul McCartney, arbeitet in den Londoner Abbey Road-Studios schon wieder an einer neuen LP. Für die Produktion eines Songs lud er die Creme der 60er Rockgeneration zu einer Supersession ein. Und während er am Wings-Album bastelt, zeichnet sich in Amerika ein neuer Verkaufsboom für alte Beatles-Platten ab.

Mit einer vollzähligen Mannschaft konnte Paul McCartney diesmal ins Studio gehen. Vor einigen Monaten hatte er die bis dahin unbekannten Studiomusiker Steve Holly (dr) und Laurence Huber (g) engagiert. „London Town“, zum überwiegenden Teil auf einer Yacht vor den Jungfrauen Inseln aufgenommen, hatte Paul McCartney noch (wie einst „Band On The Run“) zusammen mit dem Wings-Gitarristen Denny Lane allein fertiggestellt, nachdem sich Drummer Joe English und Gitarrist Jimmy McCulloch gleich zu Beginn der Aufnahmen verabschiedet hatten.

Nachdem er für die Produktion seiner Rekord-Single „Mull Of Kintyre“ eine komplette Dudelsackband engagiert hatte, will Paule nun wieder für einen Song die Puppen tanzen lassen. In diesem Fall handelt es sich um Rockprominenz der 60er bzw. frühen 70er Jahre.

Die Besetzungsliste, die uns unser Mitarbeiter aus London schickte, klingt nicht gerade bescheiden. An den Gitarren: Eric Clapton, Pete Townshend, Jimmy Page, David Gilmour und Hank B. Marvin von den Shadows. An den Keyboards: Gary Brooker und Tony Ashton. Baß spielen Paul selbst, Ronnie Lane und Bruce Thomas von Elvis Costello’s Attractions. An den Drums sitzen Small Face Kenny Jones, Led Zep’s John Bonham und Steve Holly. Als Perkussionisten heuerte McCartney Morris Pert (Brand X), Ray Cooper, Tony Carr und Speedy Acquaye an, sowie zusätzlich noch eine vierköpfige Bläsergruppe.

Ursprünglich wollten auch noch Elton John und Jeff Beck an diesem Monster-Projekt mitwirken, mußten aus Termingründen aber absagen. Bislang ist noch nicht heraus, ob diese Supersession auf der neuen LP verewigt wird oder wie „Mull Of Kintyre“ als Super-Single an den Start geht.

Da man selten soviele namhafte Musiker auf einem Haufen antrifft, ließ McCartney eine Filmcrew antreten, um dieses Ereignis für die Nachwelt festzuhalten.

Ganz schön clever, unser Paul. Selten hat ein Musiker sein Unternehmen so fest im Griff gehabt wie er. Jetzt wurde bekannt, daß Brian Brolly, der fünf Jahre lang als Manager der Wings galt, seinen Posten verlassen habe. Aus Insiderkreisen kommt das Gerücht, daß McCartney’s Schwiegervater ihn gefeuert habe. Und wie es aussieht, bleibt dieser Posten in naher Zukunft auch unbesetzt. Paul hat aus dem Apple-Desaster eine Menge gelernt.

Paul McCartney liegt gut im Rennen – und das nicht nur mit den Wings. Auch seine glorreiche Vergangenheit als Beatle drängt ihn derzeit erneut in die Schlagzeilen und läßt sein Bankkonto weiter wachsen. Seit einigen Wochen wütet nämlich in Amerika ein neuer Beatles-Boom. Beinahe über Nacht sprangen vier Beatles-Alben zurück in die US-Hitlisten: die beiden Sampler „Beatles 1962-1966“ und „Beatles 1967-1970“, das sogenannte „Weiße Album“ aus dem Jahre 1968 sowie die erstmals 1967 veröffentlichte LP „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“. „Sgt. Pepper“ rückte in kurzer Zeit bis auf Platz 20 der US-Charts vor, und die ausgekoppelte Doppelnummer „Sgt. Pepper/With A Little Help From My Friends“ plazierte sich zur gleichen Zeit auch noch als Single in der US-Hitparade.

Ausgelöst hat die neuerliche Nachfrage nach Beatles-Produkten die künstlerisch schrottreife, aber kommerziell höchst erfolgreiche Filmbearbeitung des Sgt. Pepper. Daß der mit den Bee Gees, Peter Frampton und diversen US-Stars bestückte Soundtrack bislang nicht so gut verkaufte wie seine Soundtrack-Vorläufer „Grease“ und „Saturday Night Fever“, daß der Rummel um Sgt. Pepper obendrein auch noch die Beatles und damit die unerreichbaren Originale der Pepper-Songs groß ins Geschäft bringt, war dabei in den Planungen der Robert Stigwood Organisation, die den Pepper-Film in die Welt gesetzt hat, wohl kaum vorgesehen.

Paul McCartney aber kann sich die Hände reiben. Mitte Oktober standen fünf Titel in den US-Single-Charts, die er allein oder mit John Lennon komponiert hat: „Oh Darlin'“ von Robin Gibb, „Got To Get You Into My Life“ von Earth, Wind & Fire, „Come Together“ von Aerosmith, „London Town“ von Wings und „Sgt. Pepper“ von den Beatles. In der amerikanischen LP-Hitparade warfen zur gleichen Zeit sechs Alben Tantiemen für Paul ab.

Unterdessen gibt es Anzeichen, daß die Beatles – zwei Jahre nach Ende des letzten Booms – auch in Europa wieder dicker ins Geschäft kommen. Die „Sgt. Pepper“-Single zog bereits in die englischen Charts ein. Und Paul muß wohl den nächsten Geldschrank ordern…